A*S*Y*S – Acid Intelligence

Foto: Pavel Khvaleev

Initiiert wurde das Projekt bereits 1995, damals bestehend aus dem aus Marbug stammenden Frank Ellerich und Kai Tracid. Die beiden produzierten legendäre Singles, darunter ihren Debüt-Titel „Acid Train“. 2006 widmete sich Tracid anderen Plänen und entschied sich, aus dem Projekt auszusteigen. Somit avancierte A*S*Y*S (Abkürzung für Acid Save Your Soul, Anm. d. R.) zu einem Solo-Projekt von Ellerich. Es folgten drei weitere Alben, unzählige Singles sowie weltweite Shows. A*S*Y*S entwickelte sich in seiner nunmehr fast drei Jahrzehnte andauernden Historie zu einer renommierten Adresse in Sachen Acid, Techno und Co. Im Jahr 2019 wandelte Ellerich das bis dahin aktive Label Fe Records zu Fe Chrome um, auf dem er bis heute veröffentlicht und regelmäßig die Charts erklimmt. Vor Kurzem ist mit „Acid Robot“ eine neue Single inklusive beeindruckendem Video erschienen. Ein Gespräch über früher, heute und morgen.

Frank, wie geht’s dir und wie war 2023 bislang für dich?

Erst einmal vielen Dank für dieses Interview, ich freue mich sehr, mit euch zu sprechen. Mir geht es tatsächlich sehr gut, in diesem Jahr gab es einige großartige Shows in für mich neuen Territorien, ich habe viele neue Tracks geschaffen und hatte auch die Ehre, einige legendäre Tracks aus der Vergangenheit zu remixen.

Dein aktuelles Release trägt den Titel „Acid Robot“ und ist kürzlich erschienen.

Das stimmt. Ich arbeite sehr eng mit Pavel Khvaleev aka PARAFRAME an visuellen Konzepten für meine Musik. Pavel ist ein guter Freund und immer auf dem neuesten Stand in Sachen technische Entwicklungen und hat aus Spaß einen Clip in meinem Studio aufgenommen, als ich ein paar neue Tracks gemixt habe. Er zeigte mir dann, wie er mich mithilfe von KI in einen Roboter verwandelt hat. Diese Methode geht weit über das übliche „Filter drüberlegen“ diverser Apps hinaus und sieht im Endergebnis extrem realistisch aus. Das hat mich umgehauen, sodass wir dann diese Idee eines Roboters in verschiedenen Einstellungen ausprobiert haben – in einer Sequenz mit einer TB03, quasi dem Klon der TB 303. So entstand der Acid Robot. Ich habe das Gefühl, dass diese Idee noch nicht in Gänze auserzählt ist. Mal sehen, wo das hinführt.

„Neueste und sich schnell entwickelnde Techniken nutzen, statt sie zu verdammen“ war ein Credo von dir bei diesem Projekt. Erzähle uns mehr dazu.

Ich empfinde es als Teil der menschlichen Evolutionsgeschichte, dass die ältere Generation in der Mehrheit Probleme mit der jüngeren Generation und deren Neuentwicklungen hat. Leider hat das sehr oft mit einem falsch verstandenen Angriff auf die eigene Identität zu tun. Man identifiziert sich mit gewissen Dingen und fühlt sich wohl damit. Kommt etwas Neues, Unbekanntes, wird das schnell als Bedrohung empfunden. Diejenigen, die in der Lage sind, schnell zu adaptieren, kommen dann weitaus besser klar. Ich habe in den frühen 90er-Jahren angefangen, Musik zu produzieren. Mein erster Computer war ein Atari mit 1 MB RAM (lacht). Darüber hinaus hatte ich ein Keyboard und einen Linemixer, sonst nichts. Ich konnte damit natürlich nicht professionell produzieren. Es hat Zeit und Geld gebraucht, um mich technisch auf den aktuellsten Stand zu bringen und professionelle Ergebnisse zu erzielen. Im Laufe der Zeit hat sich extrem viel geändert, insbesondere der Schritt von analoger hin zu digitaler Technik. Sicher, es gibt Ausnahmen und Leute, die gerne weiterhin ursprünglich arbeiten und damit immer noch sehr erfolgreich sind, den Wandel aufhalten wird damit trotzdem niemand. Ich persönlich halte natürlich an dem fest, was mir Spaß macht und Nutzen bringt. So besitze ich immer noch eine Menge Synths aus der Anfangszeit, dennoch stehe ich neuen Entwicklungen total offen gegenüber. Dies ist für mich im Übrigen auch die gelebte Motivation von „Techno“ in der Anfangszeit. Wir haben das „Neue“ und „Unbekannte“ gefeiert. Es war ja im Grunde eine elektronische Revolution in der Musikkultur. Mein Antrieb war es unter anderem, ungehörte Klänge zu schaffen. Ich habe mich von dem Futuristischen extrem angezogen gefühlt. Andere haben mich dafür beschimpft und gesagt: „Wie kannst Du nur? Das ist doch keine Musik, reines Plastik-Bumm-Bumm aus der Dose. Der Computer macht die Musik, nicht du …“ Mir hat das nichts ausgemacht, ich habe mit den Achseln gezuckt und bin mit Begeisterung der neuen Sache „Techno“ gefolgt, als Fan und schließlich als kreativer Part. So bin ich mir schon immer treu geblieben. Ich arbeite im Prinzip hybrid, halte an wertvollen alten Geräten fest, die ich zu bedienen weiß und die einen speziellen Sound kreieren, schaue aber immer intensiv, was es an neuen Möglichkeiten gibt, um meine Ideen besser umsetzen zu können.

So wie jetzt mit KI und dem Acid Robot. Auf deinen sozialen Kanälen hast du ein beeindruckendes Video hochgeladen, in dem man dich als Roboter sowohl in Frankfurt am Main als auch in Berlin sieht. Wie, glaubst du, wird KI unsere Musik beeinflussen und verändern?

Das Video zu „Acid Robot“ ist eine konsequente Weiterentwicklung der oben beschriebenen ersten Idee. Es ist wirklich schwer einzuschätzen, ich glaube aber, dass KI unseren Alltag extrem beeinflussen wird. Die technische Entwicklung geht ja nicht linear, sondern progressiv voran, d.h. stetig schneller als zuvor. Die Entwicklungsschritte sind jetzt schon enorm, deswegen macht es ja auch vielen Angst. Allerdings lassen sich Ideen, die einmal geboren sind, meist nicht mehr aufhalten. Irgendjemand wird daran weiterforschen und es weiterentwickeln. Auf die Musik bezogen entstehen derzeit sehr viele neue KI-basierte Plug-ins, die helfen sollen, Ideen schneller umzusetzen. Trotzdem steht am Ende der Kette noch ein Ohr, das beurteilt, ob das Ergebnis gut ist oder ignoriert wird. Es bleibt erst einmal „noch“ ein Tool zur Unterstützung. Es wird aber sehr wahrscheinlich den kreativen Prozess immer mehr beeinflussen und bessere Lösungen vorschlagen. Von Sounds, Melodien, Arrangements bis hin zu Mixverhältnissen, die der Mensch dann leichter zusammenfügen kann und ihnen mehr vertraut. Natürlich wird es wohl auch leichter, von anderen Künstler*innen zu kopieren, gewisse Sounds zu extrahieren und mehr. Aber das ist in einer oft Sample-basierten Musikkultur auch nicht neu. Nur die Methode ändert sich (lacht).

Auf dich und dein Schaffen bezogen bezeichnest du KI auch gerne als „Acid Intelligence“. Wie war die Entstehung deines neuen Mini-Albums, wie war dein Workflow im Studio?

Grundsätzlich bin ich leider jemand, der seine gewisse Zeit für einen Track braucht. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die das Talent besitzen, einen Track an einem Tag zu produzieren. Mein Anspruch ist es, einen Track mit einer gewissen Idee zu entwickeln. Zu fast jedem Track gibt es eine Story bzw. eine Idee. Nicht wichtig für die Leute da draußen, aber definitiv für mich. Und hier komme ich zu dem Hybrid-Gedanken zurück. Trotz der Idee versuche ich, den Track so zu gestalten, dass er eine Chance hat, auf dem Floor zu funktionieren. Deshalb bewege ich mich innerhalb gewisser Grenzen. Ein Album, oder wie in diesem Fall ein Mini-Album, hat dann den Vorteil, bei einigen Tracks die Grenzen zu erweitern oder ganz fallen zu lassen. Vor einiger Zeit bat mich ein Freund, einen kurzen Track mit maximal drei Minuten für sein Label zu machen und dabei keine Drums zu benutzen. Das hatte mir so viel Spaß bereitet, dass ich etwa vier kurze Stücke produziert habe, die sehr cineastisch klangen, also eher wie futuristische Filmmusik. Ich hatte mir immer vorgenommen, diese für ein A*S*Y*S-Album zu verwenden. Und jetzt ist genau die richtige Zeit dafür gekommen. Mehr noch als bei allen Club-Sounds, die ich entwickelt habe, hatte ich bei den genannten Stücken sehr starke visuelle Assoziationen, fast traumartige Visionen. Mal sehen, ob sich einige mit Hilfe von AI in die Realität übertragen lassen.

Foto: Pavel Khvaleev

Die Geschichte von A*S*Y*S reicht bis 1995 zurück, seit 2008 betreibst du das Projekt alleine. Wie würdest du die Entwicklung und Veränderung des Projekts bis heute, nahezu drei Jahrzehnte später, sehen und beschreiben inklusive Digitalisierung und neuer technischer Möglichkeiten?

Produktionstechnisch war A*S*Y*S in den ersten Jahren eine Kooperation mit Kai Tracid, der die gleiche Leidenschaft wie ich für den „dreckigen“ 303-Acid-Sound teilte. In der Anfangszeit war der Einfluss von Kai noch sehr stark. In den späteren Jahren hatte ich mich bereits Schritt für Schritt emanzipiert, was sich vor allem in dem Album „Acid Save Your Soul“ niederschlug. Kai, der natürlich sehr stark auf sein Solo-Projekt fokussiert war, beschloss dann 2008, sein legendäres Label Tracid Traxxx einzustellen und sich selbst von der Musikbühne zurückzuziehen. Mittlerweile ist er wieder zurück im Business. Tracid Traxxx war bis dahin die Plattform für Releases von A*S*Y*S. Um diesen Verlust auszugleichen, gründete ich im selben Jahr Fe Records, aus dem später, 2019, Fe Chrome hervorging. Stilistisch habe ich eigentlich immer sehr rücksichtslos produziert. Ich wollte mich nie einem Genre unterordnen. Von außen wurde A*S*Y*S in den Anfangsjahren dem Hard-Trance, Acid oder sogar Psytrance zugeordnet. Nachdem ich dann alleine für A*S*Y*S verantwortlich war und das Genre Hard-Trance für tot erklärt wurde, befand ich mich stilistisch lange zwischen sämtlichen Stühlen. Techno wurde zu dieser Zeit sehr vom Minimal-Sound dominiert. Mir fehlte dort allerdings die Energie, die ich für meine Tracks mochte. Für die ganz harten Styles war es wiederum zu langsam oder zu soft. Der einzige rote Faden war eben mein typischer 303-Sound, der mal weniger, mal mehr zur Geltung kam.

Du hast die Frankfurter Szene mit deinem Sound maßgeblich geprägt. Wie relevant ist für dich der berühmt-berüchtigte „Sound Of Frankfurt“ heute?

Nun, er lebt einfach in mir. Die Jahre, in denen ich die Zeit in Frankfurter Clubs wie dem Omen, Dorian Gray oder XS verbracht habe, prägen mich einfach. Ganz am Anfang war ich einfach nur ein Raver, der sich in diesen Clubs die Nächte tanzend um die Ohren geschlagen hat. Die Idee, selbst Techno zu produzieren, kam quasi über Nacht und wie eine fixe Idee in meinen Kopf. Ich erinnere mich noch sehr genau an diesen Moment. Er zaubert mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht, denn ich bin froh, dass ich diese damals vielleicht „naive“ Idee, ohne musikalische Vorbildung und technisches Verständnis tatsächlich umgesetzt habe.

Du hast es eben schon erwähnt, 2019 hast du mit Fe Chrome dein eigenes Label gegründet. Welche Idee und Philosophie steckt dahinter?

Fast zeitgleich mit dem neuen Label startete ich einen Podcast namens „Filter’d“, der einmal im Monat auf Di.FM lief und den ich immer noch regelmäßig auf mein Soundcloud-Profil hochlade. Ende 2018 fielen mir vermehrt die Acid-Produktionen von Künstler*innen wie Thomas Schumacher, Amelie Lens, Jay Lumen und anderen auf, die eigentlich genau meinem Sound entsprachen, nur etwa 10 BPM langsamer waren (lacht). Das war für mich der Ausgangspunkt, ein frisches Label zu gründen und A*S*Y*S in diesem Genre eine Heimat zu bieten. Ironischerweise bewegte sich der BPM-Zug in kürzester Zeit wieder dorthin, wo ich eigentlich herkam, haha.

Was waren deine bisherigen Meilensteine auf dem Label und welche Pläne hast du für die nächsten Wochen und Monate?

Mit Fe Chrome bin ich immer noch so etwas wie eine „One Man Army“. Das Label ist in erster Linie eine Plattform, die ich für A*S*Y*S nutze, um unabhängig zu sein. Wenn ich jedoch die Gelegenheit dazu habe, macht es mir immer wieder Spaß, neue Künstler*innen wie Kaspar, Marhu und Marie Vaunt zu entdecken oder alten Weggefährten wie Kai Tracid, Dominik Schwarz und HOF eine Plattform zu bieten. Die Meilensteine haben sich glücklicherweise recht schnell eingestellt. Bereits mit der vierten Veröffentlichung „The Acid“ gelang mir ein wichtiger Nummer-1-Hit in den Beatport Techno Top 100. Es folgten weitere Top-Platzierungen mit „Injection“, „Freedom of Expression“, „AC/ID“, „Dark Light“ und „Darkness“. Fe Chrome hat die 30 Millionen Spotify-Streams überschritten. Alles in allem sind das wirklich tolle Erfolge, die mich extrem motivieren, mit dem Label weiterzumachen. Ende September folgt die Gründung von Chrome Red, wo strikter Hard-Techno veröffentlicht wird. Auch auf dieser Plattform werde ich ab und an selbst Veröffentlichungen teilen.

Deinen Sound könnte man dieser Tage als eine Art Hybrid aus Peak-Time-Acid und Hard-Techno bezeichnen, womit du den aktuellen Zeitgeist triffst. Wie siehst du den aktuellen Trend in unserer Szene?

Diesen sehe ich als extrem dynamisch an. In gewisser Weise erinnert er mich an die Entwicklung Anfang der 2000er, als Hard-Techno ebenfalls einen großen Höhepunkt hatte. Natürlich ist es eine andere Zeit und die Dinge ähneln sich nur. Heute ist es vor allem die neue, junge Generation, die den harten, schnellen Trend vorantreibt und lebt. Wie jedes Genre wird auch dieses einen Zyklus durchlaufen, mit Höhepunkten und Abschwüngen. Wie groß das Genre am Ende sein wird, kann man nie genau vorhersehen, finde ich.

Wie sieht deine Agenda für die nächsten Wochen und Monate aus?

Der Herbst wird heiß und ich freue mich wirklich extrem auf viele gute Shows, die jetzt anstehen. Besonders auf Australien mit Perth und Melbourne sowie die USA mit Las Vegas und Austin, für die ich endlich wieder ein Visum habe, nachdem es während der Corona-Pandemie für mich unmöglich war, dorthin zu reisen. Dazu kommt die Koalition in Toulouse, die ich letztes Jahr schon gespielt habe, ein großartiges Event. Ebenso freue ich mich auf Ankara. Der Enthusiasmus in der Türkei für meinen Sound ist enorm. Dort zu spielen, ist pure Freude. Es ist vergleichbar mit Südamerika, und auch dort habe ich im November zwei feste Termine in Chile. Wenn der Tour-Kalender so voll ist, bin ich immer froh, wenn ich jede Lücke nutzen kann, um weiter an meiner Musik zu arbeiten, denn so etwas wie ein Ghost-Producer kommt für mich nicht in Frage. Neben neuen Veröffentlichungen auf Fe Chrome hoffe ich, Chrome Red fest etablieren zu können.

Aus dem FAZEmag 140/10.2023
Text: Triple P
Fotos: Pavel Khvaleev
www.instagram.com/asysofficial