Bis ins Amazonas-Delta – Denon DJ SC Live 4 im Test

Bis ins Amazonas-Delta – Denon DJ SC Live 4 im Test

Nachdem Denon DJ vor drei Jahren mit dem Prime 4 und Prime 2 einen fulminanten Aufschlag im Standalone-Segment hinlegte, hat der Hersteller den hart umkämpften Markt abermals um zwei neue Modelle ergänzt. Diese tragen die Bezeichnung SC Live, sind ebenfalls als Vierkanal- und Zweikanal-Tools erhältlich, aber um die Hälfte günstiger als die Prime-Flaggschiffe. Irgendetwas muss also anders sein. Wobei anders nicht schlechter bedeuten muss. Wir haben beim großen Vertreter SC Live 4 genauer hingeschaut.

Absolut tragbar

Im grundlegenden Aufbau folgt die All-in-One-DJ-Unit dem allseits gängigen Konzept. Zwei außen liegende Decks werden mit einer mittigen Mixer-Einheit zusammengeführt, die über vier Kanalzüge verfügt, bei der kleinen Schwester SC Live 2 sind sie logischerweise auf zwei reduziert. Beide Modelle besitzen zudem den zentralen, wenn auch nicht mehr winkelverstellbaren Touch-Screen hinter dem Mixer. Damit wiederum grenzen sie sich vom Denon DJ-Player MXC8000 ab, der ja über je ein kleines Display pro Hardware-Deck verfügt.
Apropos klein: Im Gesamtmaß sind die SC-Live-Neulinge im Vergleich zu den Prime-Modellen merklich minimiert. Mit seinen Dimensionen von rund 72 x 40 x 10 cm und dem Gewicht von knapp sechs Kilogramm reiht sich der SC Live 4 immerhin wieder in die Riege der tragbaren Controller ein, was man vom vier Kilogramm schweren Prime-Verwandten nur noch mit großen Schmerzen behaupten konnte. Die Schrumpfung betrifft allerdings auch den hochauflösenden Touchscreen, sodass man mit der gestrigen 7“-Diagonale (17,78 cm) statt dem Prime-aktuellen 10,1“-Maß (25,7 cm) Vorlieb nehmen muss. Dass das zumindest an dieser Stelle den Bedienkomfort etwas senkt, ist völlig klar. Der Touch-Response funktioniert aber weiterhin absolut latenzfrei. Man muss halt nur genauer hinschauen und bei der Multigesten-Steuerung mit dem Finger exakter zielen.
Einige Parameteranzeigen sind zudem sinnvollerweise in die Jogwheel-Displays ausgelagert. Während die Augen beim Prime 4 lediglich grafische Elemente wie Logos und Coverdesigns darstellen konnten, werden hier klassische Informationen wie das angewählte Software-Deck, dessen BPM-Geschwindigkeit oder die Spieldauer angezeigt. Auch ist der Segmentkranz integriert, um per rotierender Aussparung die Nadelposition zu emulieren. Der kleine SC Live 2 spart das On-Jog-Display zwar aus. Da er aber eben auch nur zwei statt bis zu vier Decks im 7“-Hauptdisplay visualisieren muss, ist dort das Anzeigengedränge auch nicht so groß wie beim vierkanaligen SC Live 4. Ein akzeptabler Kompromiss. Die hochauflösenden Jogwheels beider SCs entsprechen im 152-mm-Durchmesser dem des Prime-Giganten – man muss also keinerlei haptische Einschränkungen hinnehmen.

Cinch-in-Sparprogramm

Haken wir an dieser Stelle auch gleich die restliche Gesamtqualität mit ab, da das bei Denon-Tools immer eine kurze Angelegenheit ist: Vom Kunststoff-Chassis über die gummierten Potis und Performance-Pads bis hin zu den Fader-Elementen bleibt der Hersteller seinem High-Quality-Ruf treu. Ein kleiner Luxus allerdings ist im Vergleich zum Prime dem Rotstift zum Opfer gefallen: Die separate Farbcodierung der vier Decks, die sich vom Jogwheel-Leuchtring bis zu den Cue-Buttons in den Mixer-Kanalzügen erstreckte. Kein Beinbruch, aber trotzdem schade, da es vor allem beim schnellen Auflegen optisch so herrlich für Ordnung sorgte und einem Hirnknoten vorbeugte. Der größte Unterschied zwischen dem Prime 4 und SC Live 4 wird bei Betrachtung der Anschlussleiste deutlich. Während Ersterer beispielsweise vier Cinch-in-Pärchen bereithielt, um externe Line- und Phono-Signalgeber in den Mixer zu führen, ist beim SC Live gerade noch ein Not-Aux-in vorhanden. Seine Kategorisierung „Standalone“ bezieht sich also vor allem auf Massenspeicher-Files, die über maximal zwei USB-A-Ports oder einen SD-Karten-Slot eingespeist werden können. Ein unterseitiger Schacht für den Einbau einer Festplatte wie beim Denon-Primus ist ebenfalls nicht vorhanden. Ergänzt wird die Input-Sektion um einen kombinierten XLR-Klinke-Anschluss für Mikrofon 1 sowie zusätzlichen Klinke-Eingang für ein zweites Mikrofon, der auf besagten Cinch-Aux-in umgeschaltet werden kann. Ausgangsseitig wurden im Vergleich zum Prime 4 ebenfalls Extras gestrichen. Mit XRL- und Cinch-Main-outs, Klinke-Booth-outs und frontseitigen Klinke- plus Miniklinke-Anschlüssen für den Kopfhörer bewegt sich der SC Live 4 immer noch auf professionellem Niveau. Beim Einsteigermodell SC Live 2 fallen auch noch der Booth-Ausgang und die XLR-Option für das Mic weg. USB-B-Buchsen sind bei beiden SC-Geschwistern obligatorisch, um sie mit einem Rechner verbinden und als Software-Controller einsetzen zu können.

Layout jetzt im Club-Standard

Bei der Bedienoberfläche hat sich Denon DJ beim Mixer dem gebeugt, was landläufig als „Club-Standard-Layout“ bezeichnet wird – und nichts anderes besagt, als dass es den Tools des ewigen Kontrahenten Pioneer entspricht, der diesen Standard durch seine massenhafte Ausbreitung gesetzt hat. Die vier Kanalzüge mit den 3-Band-EQs, Sweep-FX- und Level-Reglern sind entgegengesetzt zum Prime also nicht mehr mittig durch einen Streifen mit der Ausgangs-Pegelanzeige, Phones- und Sweep-FX-Sektion getrennt, sondern bilden einen gemeinsamen Block. Rechts davon sind von oben nach unten eine eher kurze Master-Pegelanzeige sowie die BPM-Effekt-Sektion mit Auswahl-Encoder, Kanalzuweisung sowie Reglern für die Effektzeit und -Intensität untergebracht. Zur Wahl stehen 13 BPM-Typen von Hall- und Delay-Algorithmen über Flanger-, LFO-Filter- und Phaser-Garnituren bis hin zu Rolls und Scratches. Die Aktivierung erfolgt mittels des bekannten, in diesem Fall blau beleuchteten Rundbuttons ganz unten. Jetzt links der Kanalzüge lassen sich die beiden Mikrofon- bzw. Aux-in-Kanäle zuschalten und in der Lautstärke regeln. Zudem wurde die Kopfhörer-Abteilung mit Cue-Mix- und Level-Regler inklusive Split-Cue-Switch sowie die vier Sweep-Effekte Filter, Noise, Echo und Wash hierhin verfrachtet. Die Steuerung des  Effekts erfolgt dann über den erwähnten bipolar arbeitenden Sweep-Poti pro Kanalzug.

Built-in-Speaker für das kleine Vorhörprogramm

Keine großen Überraschungen liefern die beiden Player-Einheiten. Neben den Jogwheels beflügeln 11 cm lange Pitchfader, Buttons für Slip- und Slip-Reverse (Censor) und die jeweils acht Performance-Pads das kreative Spinning. Die Performance-Sektion mit den Modi Hot Cue, Loop, Roll und Slice fällt im Vergleich zum Prime 4 weniger großzügig dimensioniert aus, auch die Beat-Grid-Editierung wurde eingedampft – Gründe zur Klage sind das allerdings nicht. Eine Auto-/Manual-Loop-Option wurde ebenfalls an bewährter Position oben links untergebracht. Und dort, wo beim Prime noch die weitläufigen Mikrofon- und Effekteinstellungsabteilungen angelegt waren – sprich am oberen Geräterand – hat sich Denon DJ bei den SC-Live-Modellen etwas Neues einfallen lassen: eingebaute Monitorboxen. Wer daheim trainiert oder auf kleineren Venues keine gesonderte Booth-PA-vorfindet, kann auf die internen Lautsprecher umschalten und über den Booth/Speaker-Regler leveln. Sie klingen für ihre Größe erstaunlich klar, basskräftig und prägnant – jedenfalls nicht so trötig, wie man es bei äußerlicher Betrachtung befürchten könnte.

Amazon Music is in da house!

Auch die SC-Live-Vertreter besitzen wieder eingebautes Wifi, um, bei entsprechendem Abo-Besitz, Streaming-Dienste anzuzapfen und Titel von Beatport, Beatsource, Soundcloud Go+ und Tidal abzurufen. Hinzu kommt unverändert die Möglichkeit, auf selbst erstellte Track-Ordner zuzugreifen, die in der Cloud-Lösung Dropbox eingerichtet wurden. Es gibt aber auch ein Novum: Als erste All-in-One-Unit überhaupt unterstützen die Denon-Neulinge jetzt das Streaming-Angebot Amazon Music. Gemeint sind damit allerdings nicht die Free- und Prime-Offerten, sondern ausschließlich das Unlimited-Abo für 9,99 Euro im Monat. Mit dem Vorteil, dass die Titel dort in HD (CD-Qualität) oder sogar Ultra HD (bis zu 24 Bit, 192 kHz) verfügbar sind. Die Bibliothek eröffnet den Zugriff auf 100 Millionen Songs – in wieweit sie im relevanten Umfang die individuelle Auflege-Präferenz abdeckt, sollte man natürlich vorher recherchieren. Je undergroundiger man unterwegs ist, desto weniger dürfte es der Fall sein. Wichtig: Bislang lässt Amazon lediglich die parallele Einbindung zweier Streaming-Titel zu, sodass zumindest der SC Live 4 diesbezüglich unausgereizt bleibt und um Tracks von USB ergänzt werden muss. An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass die Denon-Neulinge leider keinen USB-Port auf der Oberfläche, sondern nur am Hinterteil führen, was eine Umsteck-Spontaneität einschränkt. Als reine Software-Controller lassen sich die Units selbstverständlich ebenfalls einsetzen. Prädestiniert sind die SCs, wie die Produktbezeichnung schon verrät, für Serato DJ, wobei sich das Touchdisplay automatisch der Software-GUI anpasst, die Crates und Wellenformdarstellungen wie gewohnt offenbart und sämtliche Serato-Pro-Features freischaltet. Die Denon-eigene Applikation Engine DJ funktioniert natürlich ebenfalls und auch Virtual-DJ-Nutzer*innen werden nicht verprellt.

Gewinn- und Verlustrechnung

Halber Preis = halbe Leistung? Diese Rechnung lässt sich für den SC Live 4 im Vergleich zum Prime 4 so nicht aufmachen. Man erhält tatsächlich deutlich mehr – über den Daumen gepeilt 3/4 der Prime-4-Leistung für die Hälfte des Preises: Eine grundsolide Standalone-DJ-Unit, die vor allem bei den Anschlüssen nicht mehr ganz so ausschweifend ausgestattet ist. Dafür ist der SC Live 4, und der SC Live 2 umso mehr, endlich wieder als Mobilgerät für den reisenden DJ jeder stilistischen Ausrichtung zu empfehlen. Wer den Begriff „All-in-One“ oder „Standalone“ also nicht so weit definiert, dass auch externe Line-Zuspieler und Plattenspieler angeschlossen werden können müssen, erhält ein hochwertiges Arbeitstier für lokale Digital-, Streaming- und Serato-DJ-Files. Die Onboard-Track-Analyse funktioniert tadellos, der Klang ist über jeden Zweifel erhaben, und obendrauf gibt es sinnvolle Nettigkeiten wie interne Vorhörboxen, Amazon Unlimited als weitere Streamingdienst-Option sowie die Möglichkeit der Lightshow-Steuerung. Dass Denon DJ mit den SC-Live-Neulingen, anders als bei den Prime-Flaggschiffen, weniger auf die innovationsoffene DJ-Spitze, sondern auf die breitere Masse schielt, macht nicht zuletzt die Übernahme des Standard-Club-Layouts deutlich. Eine technische Hürde können die Units allerdings nicht überwinden: Das Mischen von Software-Files und USB-/Streaming-Files. Entweder arbeitet man auf der Software-Controller-Ebene oder in der Standalone-Welt. Der Wechsel erfordert ein Umschalten und Booten mit Wartezeit. Das ist beim Prime 4 allerdings nicht anders. Der SC Live 4 kostet Straßenpreis rund 1.300 Euro und der SC Live 2 knapp 1.100 Euro – der Prime 4 schlägt aktuell mit circa 2.500 Euro zu Buche

 

Aus dem FAZEmag 132/02.2023
www.denon-dj.com