Club-Legenden: Tribehouse / Neuss – Oliver Moldan im Interview

Club-Legenden: Tribehouse / Neuss – Oliver Moldan im Interview

Das Tribehouse in Neuss zählte zu den angesagtesten Clubs in Deutschland und der benachbarten europäischen Länder. Wie und wann fing es für Dich in der Bockholt Str. 102 an?

OM: Eröffnung war im September 1994. Ich war Anfangs für die Selektion der Gäste an der Tür zuständig. Im Sommer 1997 kam dann noch die Kiesgrube dazu. Die Rede ist hier aber vom Original. Kiesgrube by Tribehouse am Blankenwasser in Neuss. Der Name „Kiesgrube“ wurde dann ja später überall da angebracht, wo man sich Profit davon versprach. Mit dem Ursprung hat das allerdings rein gar nichts zu tun.

Wann war Dein erster DJ-Gig im Tribehouse und wie kannst Du Dich noch daran erinnern?

OM: Mein erster offizieller Gig fand im Rahmen meiner Geburtstagsparty statt. Ich erfuhr allerdings erst wenige Minuten vorher davon. Eine gelungene Überraschung. Habe mir aber fast in die Hose gemacht. Freunde hatten meinen Plattenkoffer in den Club geschmuggelt und dann stand ich da. Das war schon ein Erlebnis. Jahre später wurde ich dann Resident im Tribehouse.

Nicht nur die Musik sondern auch die Community und das Interieur des Tribehouse haben für den Hype des Clubs gesorgt. Was an der Gemeinschaft des Tribehouse hat für Dich den besonderen Charme ausgemacht?

OM: Das ganze Ding war sehr familiär. Es entstanden viele Freundschaften, die zum Teil auch bis heute noch anhalten. Es gibt aber auch Leute, mit denen ich schon seit vielen Jahren nichts mehr zu tun haben möchte. Wenn etwas so sehr Herzenssache ist, wie der Club es für mich war und man dann feststellt, was davon übrig geblieben ist, da kann man schon schlechte Laune bekommen. All diese Revival-Veranstaltungen, die dann folgten, waren aus meiner Sicht keine gelungene Weiterführung von dem was da mal war. Zumal der Club ja immer noch existiert. Jetzt unter dem Namen 102, am selben Standort, mit ähnlichem Spirit. Da hätte man einen Weg finden können. Wenn in der Vorankündigung davon die Rede ist, dass die Djs kommen die den Club national und international repräsentiert haben und am Ende bis auf Marc Vision nicht einer von Ihnen dabei ist, dann läuft da aus meiner Sicht etwas falsch. Von Andry Nalin, Loco Dice, Tom Novy oder mir war niemand zu sehen. Bei mir war es rein persönlich, bei den anderen hatte es sicherlich auch wirtschaftliche Hintergründe. Wenn du seit 30 Jahren auf der Bühne stehst und immer noch im Geschäft bist, dann kommst du halt an einem Samstag Abend nicht für 200 Euro in die Düsseldorfer Altstadt. Müsste aber jedem, der die Branche kennt, auch klar sein. Gier ist halt selten ein guter Berater.

Die Deko war immer spektakulär. Siegbert Heil und sein Team waren schon ein wilder Haufen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich während des Umbaus immer wieder vorbei gekommen bin um zu sehen, was es diesmal Verrücktes wird. Enttäuscht wurde ich nicht ein einziges Mal. Bei dem einen oder anderen Deko Projekt hat man allerdings etwas gebraucht, um es zu verstehen. Was ja auch cool war. Kunst eben.

Was ich auch als sehr positiv empfunden habe, war die ständige Bemühung alles zu optimieren. Geld wurde immer wieder reinvestiert. So wurde aus einem anfangs recht miesen Soundsystem ein Monster Soundsystem. Für diese Ideologie gibt tausende Beispiele. Dass sich da jemand die Taschen voll macht, war nie ein Thema. Irgendwann waren sogar die Toiletten hübsch.

Dein Name steht wie kaum ein anderer Name – Andry Nalin vielleicht ausgenommen – für den neuen und progressiven Techno-Style des Tribehouse. Wie würdest Du das musikalische Spektrum des Tribehouse beschreiben? Inwieweit gab es Vorgaben und inwieweit haben die Residents den Clubs zu dem gemacht, was er über viele Jahre gewesen ist?

OM: Gerade in der Anfangszeit waren es andere DJs, die den Sound geprägt haben. Ich erinnere mich da sehr gerne an Chris und Patrick. Großartige Djs mit einem Wahnsinns Sound. Später kam Marc Vision dazu. Er war auch immer eine Bank. Er hat nach wie vor eine große Fanbase in der Region. Respekt! Als der UK Sound, gerne auch Progressive genannt, immer größer wurde, war Andry Nalin zur Stelle. Was viele nicht wissen, er war schon lange vor „Beachball“ international unterwegs. Gerade im englischsprachigen Raum war er schon etabliert. „Beachball“ katapultierte ihn dann weltweit auf die ganz großen Bühnen. Ich bin zu dieser Zeit alle sechs acht Wochen nach London geflogen, um von da aus mit dem Bus nach Oxford zu fahren. Dort befand sich Massive Records. Der heilige Gral. Unter der Regie von Punkgirl Joanna Massive gab es dort Platten, die es nirgendwo anders gab. Sie hat mich immer ordentlich bluten lassen, es hat sich aber gelohnt. Meine Karriere wäre ohne diesen Input sicherlich nicht so international verlaufen, wie sie seinerzeit ist. Vorgaben gab es keine. Die Party musste gut sein, die Leute sollten Spaß haben. Hat ja auch meistens geklappt. Regelmäßig Gäste waren auch Sven Väth, Dave Seaman, Tobi Neumann, Marc Spoon (R.I.P.), Tom Novy und viele andere. Im Nachgang gab es hin und wieder emotionale Diskussionen, wenn die Leitung den Abend anders wahrgenommen hat, als man selbst. Das hatte aber nicht selten mit dem Zustand der Protagonisten am Vorabend zu tun.

Viele nationale und internationale Big Names gaben sich die Klinke in Neuss in die Hand. An welche Künstler erinnerst Du Dich besonders gerne und was waren enttäuschende Abende?

OM: Was soll ich sagen. Wenn deine Helden in dein „Wohnzimmer“ kommen, dann macht das schon was mit einem. Gerade bei den internationalen Big Names war es ja nahezu unmöglich, sie zu bekommen. Unser klarer Vorteil war es aber, dass wir auch sonntags Veranstaltungen gemacht haben. Somit war es dann auch für uns möglich, solche Projekte wirtschaftlich umzusetzen. Die Samstags-Gagen waren einfach nicht zu stemmen. Nachdem sich dann aber in den ganzen Welt herumgesprochen hatte, wie schön es bei uns ist, wurde es deutlich einfacher. Zumal meine Kontakte zu den Künstlern auch enger geworden waren und ich es somit leichter hatte, sie zu überzeugen. Sehr gerne erinnere ich mich aber an Hernan Cattaneo. Menschlich und musikalisch ein ganz besonderer Künstler. Ein negatives Beispiel fällt mir leider auch ein. Ich erinnere mich an keinen zweiten DJ, der ohne nur eine Sekunde auf sein Publikum zu achten, sein Ding durchgezogen hat und den Main Floor komplett leer gespielt hat. Das war DJ Sneak aus den USA.

Apropos Sneak: Ihr habt den Namen Tribehouse auch in die USA zur WMC transportiert. Was für Erinnerungen hast Du daran?

OM: Miami war für mich zu dieser Zeit ein regelmäßiges Ziel. Auch außerhalb der Winter Music Conference (WMC) bin ich dort mehrmals im Jahr aufgetreten. Unter der Tribehouse Flagge fanden Partys im legendären Bed in Miami statt. Das war schon etwas sehr Besonderes. Von Neuss nach Miami hatte was.

Was waren die wildesten Abende im Tribehouse und wieso?

OM: Intensiv waren die Powerday-Veranstaltungen. In der Regel gingen diese über 20 Stunden. Je nachdem welcher Act kam, war es schon vorher klar, dass die Party nicht zu Ende ist, wenn die Musik aus geht. Wir haben das Feiern seinerzeit sehr Ernst genommen. Dass DJs damals gelegentlich aus Clubs herausgetragen wurden, kam vor. Bei uns jedoch wurden sie hin und wieder auch rein getragen. Wer schon Freitag und Samstag irgendwo in der Welt gespielt hatte und dann am Sonntagnachmittag bei uns ankam, wurde schon ordentlich auf die Probe gestellt.

Wie hast Du das Ende des legendären Clubs empfunden?

OM: Wir hatten den Peak schon lange erreicht, jetzt ging es langsam bergab. Der Mainfloor füllte sich kaum noch, der Housefloor war mittlerweile das Zentrum des Clubs, irgendwie war die Luft raus. Die Entscheidung, dass der Club für immer seine Pforten schließt, erreichte mich per Email. Ich war auf USA-Tour, hatte gerade in „The Church“ in Denver Colorado gespielt. Kam ins Hotel zurück, checkte meine Emails und da war sie, die Email mit den letzten Worten. Kein Anruf, keine persönlichen Worte, eine Rundmail. „Vielen Dank für die Zusammenarbeit…“ bla bla bla… .Für mich bis heute nicht nachvollziehbar.

Was hältst Du aktuell von der Club-Szene in NRW?

OM: dazu kann ich gar nichts sagen. Ich war seit Jahren in keinem Club mehr.

Was machst Du aktuell? Wo legst Du auf, auf welchen Labels releast Du und was treibst Du ansonsten?

OM: Aktuell baue ich High-End-Workstations für Tonstudios. Auflegen möchte ich schon länger nicht mehr. Wenn es mal dazu kommt, dann nur mit Vinyl und altem Sound. Mein letztes Release liegt jetzt auch schon zwei oder drei Jahre zurück. Ansonsten führe ich ein sehr nüchternes Leben. Mit jeglicher Form von Rausch habe ich schon vor Jahren aufgehört. Rauche nicht, trinke nicht. Mache viel Sport. Bin leidenschaftlicher Motorradfahrer. Führe eine sehr entspannte Beziehung mit einer ganz tollen Frau. Man kann sagen, dass ich ein meinem Alter entsprechend ruhiges Leben führe. Damit bin ich sehr glücklich.

Welche 5 Tracks verbindest Du mit Deiner persönlichen Tribehouse-Zeit?

OM: Sorry, fünf Tracks reichen nicht.

Hier sind zehn Tracks, die es auf jeden Fall verdient haben erwähnt zu werden.

Delirium – Silence

Energy 52 – Café del Mar / three‘n one remix

Tori Amos – Professional Widow

Three Drives on a Vinyl – Greece 2000

Lambda – Hold on tight / Nalin & Kane Remix

Tom Wilson – Techno Cat

Atmos – klein aber Doktor

Sasha – Expander

Carl Craig presents Paperclip People – throw

Joe T. Vannelli feat. Csilla – Play with the Voice in Germany

Und hier könnt ihr reinhören:

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