Dapayk – Reset

Foto: Patrice Brylla

Die erste Katalognummer veröffentlichte Mo’s Ferry Prod. im Jahre 2000: eine Compilation mit dem Titel „Offen Fuer Noise!?“ mit insgesamt 14 Titeln. Im Laufe der Jahre avancierte das Label zu einem Nährboden für bahnbrechende Künstler*innen sowie innovative Projekte in der Szene und präsentierte in zwei Jahrzehnten immer einen relevanten Zeitgeist. Ob als Dapayk Solo, gemeinsam mit Partnerin Eva Padberg als Dapayk & Padberg oder mit weiteren Aliassen wie zum Beispiel Marek Bois lancierte Niklas Worgt seit den Nullerjahren immer wieder von Kritiker*innen gefeierte Singles und zahlreiche Alben. Nun ist Mo’s Ferry Prod. Geschichte, sein Katalog sowie weitere bemerkenswerte Releases wanderten in das neu gegründete „The Ferry Archive“, das, wie der Name schon sagt, als Archiv gilt. Über diese schwierige Entscheidung sowie neue Projekte, darunter ein neues Dapayk & Padberg-Album im kommenden Frühjahr sowie vieles mehr haben wir mit Niklas Worgt im Interview gesprochen.

Niklas, wie war das Jahr 2023 für dich?

Sehr lehrreich. Gigmäßig so ruhig wie noch nie, aber von Labelseite auch so geschäftig wie noch nie.

Mo’s Ferry Prod. und die Sublabel wurden nach über zwei Jahrzehnten eingestellt. Wie kam es dazu?

Ich führte das Label 20 Jahre mit meinem Partner und Schulfreund. Er war für die Finanzen und das Office zuständig, ich für das Kreative und das Studio. Diese Arbeitsteilung hatte viele Jahre sehr gut geklappt. Ab 2012 gab mein Partner allerdings sukzessive Aufgabengebiete an eine Mitarbeiterin ab und zog sich aus dem Label-Geschäft heraus – ohne mein Wissen. Ich saß im Studio, der Rest im Office. Bis 2018 wurden viele finanzielle Entscheidungen komplett ohne mein Wissen gefällt und aus Unvermögen oder Unwissen landeten wir an einem Punkt, wo wir unsere Künstler*innen nicht mehr auszahlen konnten. Ich war absolut schockiert. Wir hatten das Label immer als „Family“ gesehen und es ging uns nie um das große Geld. Ich hatte die Missstände viel zu spät mitbekommen und übernahm dann sofort die Kontrolle der Finanzen. Allerdings dauerte  es zwei bis drei Jahre, bis alle Künstler ihr Geld bekamen. Da es keinerlei Vertrauensbasis mehr unter uns gab, stellten wir das Label ein. Eine sehr bittere Entscheidung. Ich hatte mit Mo’s Ferry in meinem Kinderzimmer weit vor der Labelgründung angefangen und über 20 Jahre meines Lebens damit verbracht. Aber jedes Ende ist auch ein Anfang.

Eine erstaunliche Situation. Deinen eigenen Katalog führst du nun unter „The Ferry Archive“ weiter. Erzähle uns mehr darüber.

Das stimmt, ja. Eine der Bedingungen meines Partners bei der Schließung von Mo’s Ferry war, dass ich die bestehenden Labelnamen nicht weiterführe. Das war rechtlich zwar anfechtbar, aber ich wollte irgendwann einen Schlussstrich ziehen und gab nach. Ich konnte so meinen Katalog von immerhin 400 eigenen Titeln und einen Großteil der anderen Label-Acts zu meinem neuen Label mitnehmen. „The Ferry Archive“ ist also eher ein Verwertungslabel, ein Archiv. Es werden hier nur die Klassiker weiter angeboten und keine neuen Acts aufgenommen.

Mit Sonderling Records hast du aber in der letzten Zeit eine ganze Holding an Labeln gegründet, die sehr interessant aufgeteilt ist. Kannst du uns durch die verschiedenen Brands und die jeweiligen Ideen führen?

Ich führe die Aufteilung von Mo’s Ferry quasi in upgedateter Version weiter. „Sonderling Records“ ist das Mutterschiff, „Sonderling Berlin“ das Label für Melodic Techno & Deep House, „Rohling“ die Plattform für Techno und mein Projekt Marek Bois. „Fruehling“ ist die Base für Electronica-Experimente und Breaks in allen Formen, hier erschien auch unsere aktuelle Dapayk & Padberg-Single. Auf dem Sublabel „Frickel“ veröffentliche ich als Dapayk reduzierten Tech-House. Dann gibt es ganz neu „RRYTUS“ für Minimal-Techno und Experimental und „Licht“ für Piano-Ambient-Chillout, also beatlose Musik.

Sieben Label, wow. Aktuell sind diese Projekte alle eine „One Man Show“ – von A&R bis hin zu Produktion und Mastering kümmerst du dich um alles. Wie bekommst du dies neben all deinen anderen Sachen hin?

Ich musste meine Tätigkeiten als Produzent etwas runterfahren. 2022 hatte ich jeden Monat jeweils ein Release als Dapayk Solo, Marek Bois und Niklas Worgt, also 36 Veröffentlichungen in einem Jahr. Das wäre 2023 nicht denkbar gewesen. Ich versuche, sehr strukturiert zu arbeiten und gebe mir „Maximalzeiten“ für bestimmte Aufgaben. Das ist wahrscheinlich noch aus meiner Zeit als Restaurator übrig, ein handwerkliches Einteilen.

Selbst die Schallplatten schneidest du selbst. Die Auflagen bewegen sich meist zwischen 20 und 30 Stück, alles sehr limitiert. Welche Idee und Vision verfolgst du dahinter? Das klingt sehr nach „Back to the roots“.

Generell ist alles sehr beliebig geworden, wie ich finde. Jede Musik ist überall, immer verfügbar. Die Algorithmen bestimmen, welche Titel nach oben kommen und dort bleiben. Die Produzenten richten sich danach und somit entsteht etwas sehr Künstliches, aber auch sehr Durchschnittliches. Schon mit der Digitalisierung, weg vom Vinyl im Club, trat dieser Trend sehr stark ein und die Musik wurde „ähnlicher“, vielleicht „beliebiger“. Ich habe Musik nie als ein Massenprodukt gesehen und finde den Gedanken schön, dass es etwas nicht unbegrenzt gibt. Ich habe mit dem Verkauf selbstaufgenommener Kassetten Mitte der 90er-Jahre angefangen und fand es cool, wenn Leute diese sammelten. Als ich die Gelegenheit bekam, meine Platten selbst herzustellen, war das für mich der absolute Gamechanger. Insofern ist das absolut „Back to the roots“. Ich gestalte und bastle nahezu alles selbst, ich hatte also jede einzelne Platte in den Händen. Wenn die dann ausverkauft sind, gibt es sie nicht mehr. No repress. Es ist ein sehr erfüllendes Gefühl, Musik auf eine Platte zu schneiden, diese kreativ zu verpacken und dann auch noch zu wissen, wohin diese verkauft wird. Es gibt Käufer, die wirklich jede Scheibe in meinem kleinen Onlineshop gekauft haben.

Im Mai 2024 soll auch – nach sieben Jahren – ein neues Album von Dapayk & Padberg erscheinen, was können wir erwarten?

Wir wollten ursprünglich nur eine kurze Babypause einlegen, aber am Ende ist durch die Pandemie ein größerer Abstand entstanden. Wir sitzen schon eine Weile an den neuen Tracks und werden weitestgehend am letzten Album anknüpfen. Die erste Single „It’s All Yours“ ist bereits erschienen und gibt die Richtung vor. Wir spielen mit unseren Breakbeat- Roots aus den 90ern und dem Deephouse der 10er-Jahre. Vielleicht kann man das Ganze als experimentellen Pop bezeichnen.

Unser letztes Interview 2017 trug den Titel „Angekommen“. Dort habt ihr über eure erste Zeit in der Uckermark berichtet und über eine Art Entschleunigug. Wie habt ihr die letzten Jahre, auch inklusive der Pandemie, in dieser Umgebung, fernab vom Berlin-Trubel, erlebt?

Ich würde sagen, die Pandemie hat uns, wie so viele, weiter entschleunigt. Wir haben Berlin mittlerweile komplett verlassen und sind nur noch gelegentlich zu Besuch dort. Bei der Einfahrt in die Stadt sieht man dann zumeist an der ersten Bushaltestelle mehr Menschen als in einer Woche in der Uckermark. Während der Pandemie war das Fluch und Segen zugleich. Einerseits bekam man wenig mit, andererseits konnte es schnell einsam werden. Ich persönlich habe versucht, mich mit Projekten am Haus abzulenken. Ich war die letzten 20 Jahre jedes Wochenende unterwegs und zu Beginn war es schwierig, die Situation zu akzeptieren. Um nicht durchzudrehen, habe ich dann unseren alten Hühnerstall in ein kleines Studio umgebaut. So ließ es sich dann durchaus aushalten.

Was hast du bzw. habt ihr für 2024 geplant?

Wir stecken gerade inmitten der Planung einer kleinen Tour mit Dapayk & Padberg im Sommer mit ausgewählten Gigs in passenden Locations. Nebenbei bin ich noch solo in den Clubs unterwegs und werde zusätzlich, in Zusammenarbeit mit Groove Symphony, am 25. Februar im Deutschen Nationaltheater mit der Staatskapelle Weimar auftreten. Im Herbst geht es dann in diesem Rahmen mit dem Babelsberger Filmorchester im Potsdamer Nikolaisaal weiter.

Aus dem FAZEmag 143/01.2024
Text: Triple P
Foto: Patrice Brylla
www.instagram.com/dapayksolo