20 Jahre Defected – It’s all about House music

Auf dem gesamten Globus steht wohl kein anderes Label so sehr für House-Musik wie das britische Label Defected. Und so gleicht die Erfolgsgeschichte von Simon Dunmore – dem Schöpfer von Defected – in vielen Teilen der Geschichte der elektronischen Szene selbst. Gegründet wurde das Label 1999, damals war Dunmore noch A&R bei AM:PM und Cooltempo. Ursprünglich finanziert vom Londoner Nachtclub und Label Ministry of Sound, präsentierte das Imprint mit „Can’t Get Enough“ von Soulseacher seine erste Katalognummer. Der Titel erreichte Platz 5 der Single-Charts in UK und setzte den Grundstein für zwei Jahrzehnte voller Hits, die die elektronische Szene maßgebend prägten. So erkennt man Tracks wie „To Be In Love“, „At Night“, „Finally“ und „Another Chance“ bereits am Titel.

Mittlerweile ist Defected aber weitaus mehr als ein gewöhnliches Musiklabel: Label, Agentur, Management, Radio-Show, Festival und Event-Reihe in einem. Darüber hinaus beherbergt man zahlreiche Sub-Labels wie DFTD, Soulfuric, 4 To The Floor, Classic Music Company oder Glitterbox, das gerade in den letzten Wochen und Monaten immer mehr von sich reden macht und in diesem Jahr über 20 Events auf Ibiza veranstaltet. Zwei der Hauptprotagonisten – Purple Disco Machine und Mousse T. – stammen dabei aus deutschen Gefilden. 2016 veröffentlichte Defected seine 500. Katalognummer. So viele Releases kann wohl kaum ein anderes Label vorweisen. Darunter zahlreiche Welt-Hits von Künstlern wie Bob Sinclar, Kings of Tomorrow, Masters At Work, Inner City, Dennis Ferrer, Lenny Fontana, DJ Gregory, Mr. G, Marc Kinchen (MK) oder auch von der jüngeren Generation, wie Franky Rizardo, Purple Disco Machine, Amine Edge & DANCE, Peggy Gou und vielen mehr. 2017 erschien mit „Cola“ von CamelPhat & Elderbrook der Sommerhit der Saison, der in mehreren Ländern Platin erreichte und sogar für einen Grammy in der Kategorie „Best Dance Recording“ nominiert wurde.

Was Defected schon immer ausgemacht hat, war die Fähigkeit, sich stilistisch nur schwer bis gar nicht kategorisieren zu lassen, ohne jedoch dabei an Ethos oder eine musikalischen Kernidentität zu verlieren. So vielfältig sich das Label in diesen 20 Jahren immer wieder präsentiert hat, genauso unabhängig sind sie geblieben. Sie zeugten immer wieder von Pioniergeist mit gewagten Veröffentlichungen entgegen jeden stilistischen Hypes, die in der Szene oft den Takt anzugeben scheinen. Und so oft diese kamen und gingen, so gilt Defected nach wie vor als feste Konstante. 2016 wurde, nach 13 Jahren voller Residencies auf Ibiza, die erste Ausgabe des „Defected Croatia“-Festivals gefeiert. Über sechs Tage hinweg kamen mehr als 4000 Besucher aus Ländern wie Großbritannien, Australien, USA, Südafrika und allen Teilen Europas zusammen, um mit mehr als 80 Künstlern aus der Defected-Familie zu feiern. Diesen Monat geht das Festival in seine vierte Runde, die Tickets dafür sind jedoch bereits ausverkauft.

Am 4. Januar 2019 übertrug BBC Radio 1 den ersten Essential-Mix des Jahres. In diesem speziellen „Influences Essential Mix“ gewährte Simon Dunmore „einen Einblick in die Musik, die ich liebe und die weiterhin alles beeinflusst, was wir bei Defected Records erreichen wollen und in zwei Jahrzehnten erreicht haben“. Außerdem relaunchten sie www.defected.com und schufen damit eine neue Online-Plattform inklusive eines Shops für sämtliche Releases, Magazine, Tickets und Merchandise inklusive der Jubiläums-Kollaboration „Defected 20“ mit Alpha Industries. Erst vor wenigen Tagen gaben die Verantwortlichen auch die erste Edition des Defected London FSTVL bekannt, das am 14. September im Dragenham Central Park in London auf fünf Bühnen stattfinden wird. Jede Stage ist dabei einem anderen Label gewidmet, und so präsentieren sich an diesem Tag neben Defected Records auch Glitterbox, Classic Music Company, 4 To The Floor Records und DVINE Sounds. Die Kapazitäten des Geländes bieten Platz für mehr als 10 000 Besucher und es ist als durchaus realistisch anzusehen, dass es ausverkauft sein wird – wie regelmäßig große Erfolge auf englischem Boden beweisen, mit teils ausverkauften Events binnen 30 Minuten.

Als weiteres großes Highlight der Engländer wird The Vision gehandelt, eine Kollaboration aus Ben Westbeech und KON. Ben, ein sehr beliebter Multi-Instrumentalist, Produzent und Sänger. Kon, ebenfalls mit großer Fanbase, überzeugte bis dato als Disco-Edit-King und als Mitglied von BBE Records. Ihre neue Single, bestehend aus den beiden Tracks “Heaven” und “Home” läuft bereits bei vielen Radiostationen auf Hot Rotation. Remixe für die beiden Titel liefern Nightmares On Wax sowie Mousse T. Kennengelernt hat sich das Duo, dass bei Defected Croatia seine Debüt-Show spielen wird und aktuell an einem Album sitzt, beim Southport Weekender, erzählt Westbeech: “Ich stand auf der Bühne und habe mit Jazzanova gesungen. KON stand in einer Ecke zusammen mit Moodyman und Gilles Peterson und hat Fish & Chips gegessen.”

In Sachen Label stehen die Zeichen auf mehr als positiv, dass Roberto Suraces „Jocye“ einen ähnlichen Erfolg feiert wie „Cola“ vor zwei Jahren. Schon jetzt gilt der Titel als Ibiza-Hymne der diesjährigen Saison. Darüber hinaus steht weiteres Material von Jamie Jones & Darius Syrossian, Jack Back, Ferreck Dawn, Horse Meat Disco, Detroit Swindle, Todd Edwards, Purple Disco Machine, Honey Dijon, Low Steppa und mehr in den Startlöchern.

 

Die erfolgreichsten Tracks aus der Defected-Label-Familie

 

Soulsearcher – Can’t Get Enough (1999)
„Ein echter Dancefloor-Klassiker, als wir diesen heißen Import von Miamis Soulfuric-Label auftnahmen, hätten wir nie gedacht, dass es zwanzig Jahre später immer noch rockende Dancefloors sein würden.“ Simon Dunmore glaubt: „Die Tatsache, dass er 20 Jahre alt ist, zeigt nur, dass er den Sound des Labels auf eine wirklich, wirklich gute Weise geprägt und geebnet hat.“

ATFC – Bad Habit (2000)
Ein Track, der das Genre „Vocal-House“ absolut verkörpert, mit ATFC als Produzenten, während Lisa Millet die Vocals liefert und dabei scheinbar das größte Lungenvolumen der britischen House-Geschichte zu haben scheint. „Bad Habit“ zeigte außerdem, dass ATFC nicht als „One-hit-wonder“ in die Geschichte eingehen, denn es folgten noch zahlreiche Hits mehr. Von DJs wie Steve Angello oder DJ Spen als einer ihrer Alltime-Favorites genannt.

Kings Of Tomorrow – Finally (2001)
Julie McKnights Gesang auf „Finally“ ist einer dieser seltenen souligen Vocals, die weit über die Grenzen aller Dancefloors auf diesem Planeten geht. Ein Song, der viele prägte. Mit Kings Of Tomorrow, die hier einen eingehenden Groove über ihre Vocals legen, die die Themen Liebe und Herzschmerz thematisieren. Simon bereichnet die Lyrics als „absolut hervorragend“ bezeichnet. Sicherlich ein ikonisches Stück House-Musik.

Roger Sanchez – Another Chance (2001)
Die erste Defected #1 in den UK Singles-Charts und vielleicht eines der bekanntesten Tracks der Dance-Szene der letzten zwei Jahrzehnte. Ein Stück Musik, das Simon sehr am Herzen liegt, und von einem Produzenten, der zweifelsfrei einen Legendenstatus in dieser Szene trägt. Diese Vocals kennt jeder.

Shakedown – At Night/Mousse T. Remix (2002)
Ein weiteres unverwechselbares Vocal, das unter Garantie noch jedes Wochenende in den Clubs dieser Welt zu hören ist. Die Interpretation von Mousse T. ist deutlich energiegeladener und Club-tauglicher als das Original, aber genau das begeisterte Simon Dunmore: „Von dem Moment an, als ich diese Nummer zum ersten Mal gehört habe, dachte ich: Ich kann es kaum erwarten, dieses Ding am Samstagabend zu spielen.“

DJ Gregory – Elle (2003)
DJ Gregory beschrieb Simon als „einen erstaunlichen Charakter, der erstaunliche Platten macht“. Mit „Elle“ lieferte dieser einen hypnotisierenden und leidenschaftlichen musikalischen Titel, bestehend aus brasilianischen und afrikanischen Sounds aus seinem Faya Combo-Archiv.

Soul Central – Strings Of Life (Stronger On My Own)/Danny Krivit Re-Edit (2005)
„Wirklich großartige Musik ist zeitlos, und wirklich großartige Musik ist universell“, sagt Simon über diese Platte. Ganze 15 Jahre nach Derrick Mays Transmat Original, begeisterte dieser Re-Edit von Danny Krivit eine ganze Generation von Clubbern. Und der Hype hält noch immer an.

Bob Sinclair – Love Generation (2005)
Vielleicht die ultimative Wohlfühl-Hymne, die in zwei Ländern Platinstatus und in drei weiteren Ländern Gold erreichte. Unvergessen auch der Status, den dieser Track bei der Weltmeisterschaft in 2006 erreichte.

Copyright – He Is/Ferrer & Sydenham Remix (2006)
Als wahrer Ibiza-Klassiker der Mitte der 2000er Jahre spielte Carl Cox diese Platte in seinem allerletzten Set im Space auf Ibiza und liftete das Stück damit in die Hall of fame der berühmtesten House-Tracks der Geschichte.

Julian Jabre – Swimming Places (2006)
Wohl kein anderer Track wurde so oft am Ende eines Sets gespielt wie dieser. Mit seinem eingängigen Klavier sorgt dieser Titel von Julian Jabre immer wieder für verträumte Dancefloors voller Gänsehaut.

Blaze – Lovelee Dae (2009)
Wer liebt diesen Track eigentlich nicht? Eine absolute Sommer-Hymne. Von seinem unverwechselbaren Intro bis hin zum repetitiven Gesang ist „Lovelee Dae“ einer der beliebtesten Songs der letzten zwanzig Jahre. Auf Classic Music Company erschienen, dem „widerspenstigen, schlecht erzogenen kleinen Bruder von Defected“, so wie Simon das Brand bezeichnet, inspirierte dieser Song zahlreiche Acts für einen Remix. Darunter u.a. Isolée, Bicep und Amine Edge & Dance.

Dennis Ferrer – Hey Hey/DF’s Attention Vocal Mix (2010)
Als Defected DJs nach ihrer Lieblingsplatte des Labels fragten, war „Hey Hey Hey“ die Antwort, die sie am meisten bekamen. Von Sam Divine über David Guetta bis Osunlade und Kevin Saunderson, alle nannten scheinbar dieses Stück. „Für House-Produzenten gibt es nur wenige Möglichkeiten, mit einer Underground-Platte die großen Massen zu berühren, aber als Dennis Ferrer mit der Produktion von ‚Hey Hey Hey‘ begann, produzierte er eine der größten Crossover-Platten des Jahrzehnts, und einen Track, der bis heute deutlich nachklingt“, so Simon Dunmore.

Tensnake – Coma Cat (2010)
Bezeichnend durch die große Synthie-Bassline, die oldschooligen Piano-Stabs und eine überwältigend fröhliche Hook. Als Marco Niemerski in sein Tensnake-Kostüm schlüpfte, um „Coma Cat“ zu kreieren, erschuf er einen Track, der wie nur wenige zum Sommer passt.

Kevin Saunderson – Future feat. Inner City/Kenny Larkin Remix (2011)
Als die Gründungsmitglieder von Inner City zusammenkamen, um „Future“ zu produzieren, war es das erste Mal, dass sie seit ihrer Trennung im Jahr 2001 Musik produzierten. „Ich hörte mir den Kenny Larkin-Remix an, der einfach so verdreht war, und ich dachte, das würde in einem Club absolut verrückt klingen“, sagte Simon. Mit zwei der einflussreichsten Künstler der Tanzmusik auf dem Markt, Saunderson und Larkin, sind hier zwei Legenden vereint: „Wir ernten immer noch die Früchte dessen, was diese Innovatoren und DJs in all den Jahren getan haben“, sagt Simon.

Noir & Haze – Around/Solomun Vox (2012)
Als Solomun an der Reihe war, diese Ibiza-Hymne neu zu interpretieren, war sie nach Release überall zu hören. Von alten Lagerhallen in Hackney bis hin zum Pacha Ibiza, und sie wurde zu einem der größten Titel des Jahres. „Remixing ist ein wichtiges Thema innerhalb der Dance-Szene, es kann die Attraktivität einer Veröffentlichung erhöhen und bedeuten, dass Tracks von verschiedenen DJs für ein gänzlich Publikum zugänglich gemacht wird“, sagte Simon, „der Solomun-Remix ist wohl eines seiner besten Werke“.

Osunlade – Envision/Yoruba Soul Mix (2012)
Als jemand, mit dem Defected im Laufe der Jahre viel zusammengearbeitet haben, zeigt dieser Track von Osunlade die Vielfalt des Katalogs. Sein Label Yoruba besticht durch einen weltmusikalischen Ansatz, der Tanzmusik auf gewisse Weise erforscht. „Musikalisch ist das Label sehr vielfältig, aber in allem, was er tut, steckt echte Tiefe und Spiritualität, ob es nun darum geht, Musik zu produzieren, aufzulegen oder einfach nur er selbst zu sein“, sagte Simon. „Er ist ein erstaunliche, einnehmende, interessante und magnetische Person, und ich denke, diese ganzen Paramter kommen in seiner Musik wirklich stark zur Geltung.“

FCL – It’s You/San Soda Panorama Mix (2013)
Ein Track, der die Deep-House-Szene maßgeblich in 2013 inspirierte. Das Vinyl des Acapella-Originals wurde bei Discogs für über 500 Pfund verkauft. „Deep House war eine Reaktion auf EDM, House Music wollte irgendwie neu anfangen, und sie tat dies durch Techno und Deep ´-House“, sagt Simon, „diese Platte war ein wichtiger Bestandteil dieser Neugeburt. Und ich bin happy, ein Teil davon gewesen zu sein.“

Oliver $ & Jimi Jules – Pushing On (2014)
Mit seinem ansteckenden perkussiven Medley aus tropischen Triangeln und melodiösen 808-ähnlichen Cowbells, sowie die von Frankie Knuckles inspirierte Basslinie und Klavierakkorde, ist es nicht verwunderlich, das „Pushing On 2014“ zu einem der definierenden Veröffentlichungen mit einem großen Cross-Over-Erfolg für Defected wurde.

Hercules & Love Affair – Do You Feel The Same? (2014)
Gefühlt jedes Jahr produzieren Hercules & Love Affair eine einprägsame Hymne zum mitsingen. Hercules & Love Affairs Acid-Pop-Meisterwerk ‚Do You Feel The Same‘ war der Verkaufsschlager in 2014. Von Sam Divine als „eine emotionale Platte, die sich dem Genre entzieht“ beschrieben, verliebte sich Simon in den Track, als er die unverwechselbare Bassline hörte. „Obwohl es auf Defected erschien, wäre der Track aus all den kontextuellen Gründen, die Hercules & Love Affair betreffen, eine Glitterbox-Hymne gewesen“, sagte Simon.

Fallout – The Morning After/Purple Disco Machine Remix (2016)
Ursprünglich 1987 auf dem legendären Label 4thFloor Records veröffentlicht, hat sich Purple Disco Machine mit Leichtigkeit diesem Remix verschrieben, indem er den Klassiker mit viel Liebe und Passion neu auflegte und ihm gleichzeitig auch komplett neues Leben einhauchte.

Lee Walker vs DJ Deeon – Freak Like Me/Armand Van Helden Remix (2016)
Sam Divine erinnert sich: „Meine erste Erinnerung an diesen Track war, dass Marco Carola ihn bei Music On spielte, und dann war mein gesamter Feed am nächsten Tag voller Videos davon.“ Tatsächlich waren es diese Videos, die dazu führten, dass Defected die Platte signte, „es zeigte, wie schnell eine Platte auf Social Media explodieren kann, nur indem ein DJ sie spielte und jemand auf dem Dancefloor sie filmte, wurde sie viral“, erklärt Simon. Dieser Remix markierte auch den Beginn der Zusammenarbeit von Defected und Armand Van Helden, „der Typ ist eine Hitmaschine“, sagt Simon.

Midland – Final Credits (2016)
Seit der Produktion im tiefsten Winter bis zur Vinyl-Veröffentlichung im Juni hatte ‚Final Credits‘ Plays im unzähligen Bereich. Von der Panroama Bar in Berlin bis zum DC10 auf Ibiza, die Dancefloors standen Kopf. Erschienen auf Classic Music Company.

CamelPhat & Elderbrook – Cola (2017)
„Cola“ war kaum veröffentlicht, schon avancierte das Stück zu einem Mega-Mega-Hit. „Wir waren im A&R-Meeting, und nach einer Demo-Listening-Session wusste ich, dass wir diese Platte machen mussten“, erinnert sich Simon, „aber wir hätten uns nicht vorstellen können, dass es in sechs Ländern Platin erreicht“. Der Track wurde auch für einen Grammy nominiert und ist damit einer der größten Hits von Defected überhaupt.

Fatboy Slim – Praise You/Purple Disco Machine Remix (2018)
Zwanzig Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung auf Skint Records, wurde dieser eh schon erfolgreiche Titel von Defected lizensiert. Purple Disco Machine gab dem Original einen unverwechselbaren Nu-Disco-Twist.
Aus dem FAZEmag 090/08.2019
Text: Triple P
Fotos: Defected