Diplo – Deep Diver

Credit: Maria José Govea

Sich im dichten Dschungel des Musikbusiness profilieren zu können, ist die eine Sache. Dies jedoch gleich in verschiedenen Genres zu tun, bedarf einer außerordentlichen Respektbekundung. Thomas Wesley Prentz, besser bekannt als Diplo, hat genau dies geschafft. Der US-Amerikaner schuf sich in den vergangenen 18 Jahren peu à peu ein Denkmal in der globalen Tonkunst, das er mit zahlreichen Kooperationen und Projekten zementierte. So gilt er als Mastermind von Major Lazer, gründete mit Sia und Labrinth die erfolgreiche psychedelische Supergroup LSD und schlug Wellen mit Mark Ronson als Silk City. Ach, und als Produzent für Superstars wie Beyoncé oder Madonna arbeitete er ja auch noch. Da kann man schon mal schnell vergessen, dass der 43-Jährige auch als Solokünstler aktiv ist. Sein bis dato letztes Album mit rein elektronischer Musik hatte Diplo im Jahre 2004 mit „Florida“ releast. Jetzt, fast 20 Jahre später, schlägt der Tausendsassa wieder zu und tischt uns sein selbstbetiteltes Werk „Diplo“ auf – gespickt mit housigen Vibes und astreinen Features aus dem modernen elektronischen Zeitgeist, zu denen beispielsweise Andhim und Paul Woolford zählen.

Wohin führt uns „Diplo“ also, das das Resultat eines dreijährigen Deep-Dives in die House-Musik ist, jenes Genre, in dem Prentz die ersten Sprossen seiner kilometerlangen Karriereleiter erklomm? Einen beträchtlichen Teil der 14 Tracks durften wir bereits im Vorfeld genießen, wie etwa das Grammy-nominierte „On My Mind“ mit SIDEPIECE, „Promises“ mit dem eingangs erwähnten Paul Woolford und der gefeierten US-Sängerin Kareen Lomax oder „One By One“ mit Elderbrook und Andhim. Dazu gesellen sich Kollaborationen mit Aluna, TSHA, Seth Troxler, Busta Rhymes und weiteren Acts, die uns mit der Zunge schnalzen lassen.

Aufgrund von Diplos musikalischer Entwicklung und den Feature-Acts aus dem nicht-elektronischen Bereich lag bei der neuen LP zunächst der Verdacht nahe, dass Prentz abermals einen seiner vielzähligen Frontalangriffe auf die Poplandschaft startet, die ja bekanntlich in der Vergangenheit in aller Regelmäßigkeit von überwältigenden Erfolgen geprägt waren. Doch der im Süden der USA aufgewachsene Star weiß zu überraschen und präsentiert uns tatsächlich ein Album mit klassischen House-Tracks, die direkt ins Blut schießen und diesen Sommer mit Sicherheit die Dancefloors dieser Welt zum Beben bringen werden. Doch „Diplo“ ist nicht nur Party und Ekstase, denn der Mad-Decent-Labelgründer schafft es, einen gesunden Ausgleich zwischen entfesselnden und atmosphärisch-loungigen Stücken zu schaffen, zu denen man auch mal entspannt die Füße hochlegen kann. „Immer wenn ich aus dem Fenster schaue, befinde ich mich in einer anderen Stadt. Und diese Songs zeichnen das entsprechende Bild dazu“, sagte Diplo in Anspielung auf die Varietät des Albums gegenüber INPUT.

Auch wenn der neue Langspieler ganz im Zeichen seiner House-Wurzeln steht, so konnte es der dreifache Vater dennoch nicht lassen, seine Hip-Hop-Historie irgendwie miteinzugliedern. Mit Bravour gelungen ist ihm dies mit „Right 2 Left“, ein recht experimenteller Track, auf dem Rap-Größe Busta Rhymes zu hören ist und mit „Humble“, ein Feature mit dem aufstrebenden Rapper Lil Yachti. Zusammen haben die beiden bereits an Lil Yachtis Album „Teenage Emotions“ und Diplos EP „California“ gearbeitet. Herausgekommen ist bei der dritten Kollab nun ein knackiger Tech-House-Kracher mit fetten Drums und einer saftigen Bassline. Schmeckt. Zehnmal wurde Diplo schon für einen Grammy nominiert, den er zumindest als Hälfte von Silk City (für die Produktion von Dua Lipas Hit „Electricity“) und im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Skrillex mehrmals gewinnen konnte. Mit dem neuen Album könnte es jetzt auch endlich mit dem Solo-Grammy klappen. Verdient wäre er allemal.

„Diplo“ ist am 4. März via Higher Ground erschienen.

Aus dem FAZEmag 122/04.22
Text: Milan Trame
Credit: Maria José Govea
www.diplo.com