DJ Emerson – Die Geschichte weitererzählen

Credit: Vanessa Ossino

Er gehört zu Deutschlands bekanntesten und engagiertesten DJs im Bereich Techno, ist seit über 20 Jahren aktiv als DJ, Producer und Labelbetreiber (Kiddaz.fm & Micro.fon), hat unzählige Clubs zwischen Tokio, Miami und Ibiza bespielt – und hat nun ein neues Album am Start. Sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass Simon Emerson Kidder sein letztes Album „Repetitive Music“ veröffentlicht hat. Nun ist es endlich so weit, der Nachfolger steht in den Startlöchern – und erzählt die Geschichte weiter: „Repetitive Music 2“. Im Interview erzählt uns der Berliner, wie die Fortsetzung entstanden ist und berichtet auch über weitere Label-Neuigkeiten. 

Hallo, Simon, wie geht es dir, was machst du gerade? Was gibt es momentan für Musik, die dich begeistert?

Hey, Tassilo, ich genieße die ersten Sonnenstrahlen und bin dabei, ein Release für Regals Involve-Label fertigzustellen. Ansonsten erhole ich mich von einer großartigen Party am Wochenende hier im OST Club. Musikalisch finde ich gerade so viel neue Musik wie selten zuvor. In Berlin hat sich wirklich einiges entwickelt mit unfassbar vielen neuen talentierten Produzent*innen wie auch DJs. Future 666 ist so ein DJ, den ich sehr gut finde, aber auch Chlär, D.Dan oder Frederic von Selected. Crews wie BCCO, SYXT u.v.a bringen hier gerade einen richtig frischen Wind rein. DJ Gigola, Narciss, Julian Muller oder DJ Heartstring – das sind alles super Produzent*innen, die wirklich tollen Sound machen, und das macht mich extrem glücklich. Außerdem kommt dieser loopige schnelle Sound gerade wieder in Mode, mit dem ich bekannt geworden bin und den wir damals auf Kiddaz veröffentlicht haben. Zu der ganzen tollen neuen Musik kann ich nun heutzutage auch die alten Produktionen von Labels wie Player, User und Killa Bite spielen, die ich schon vor 20 Jahren gefeiert habe, die ich schon vor 20 Jahren gefeiert habe. Da schließt sich gerade auf ganz wunderbare Weise ein Kreis. Außerdem kaufe ich unglaublich gerne bei Bandcamp ein und finde dort wirklich tolle Schätze.

Wie der Titel es schon erahnen lässt: Dein neues Album ist eine Art  Fortsetzung des Vorgängeralbums. Warum wolltest du diese Geschichte weitererzählen?

Ja, ich war irgendwie noch nicht durch mit dem Thema. Es passt halt auch einfach zu meinem Sound. Ich bin ja nicht gerade Spezialist für Melodien. Ich könnte problemlos ein Album nur mit einem Drumcomputer und einem Sampler produzieren. Ich finde, dass Wiederholung im Techno sehr wichtig ist, um in diesen Trance-ähnlichen Zustand beim Tanzen zu kommen.

Die Arbeit am Album hast du schon 2019 begonnen, bist dann aber in einer Sackgasse gelandet, die du währen der Pandemie verlassen konntest. War in dem Fall also die Pandemie mehr Segen als Fluch – überspitzt ausgedrückt?

Naja, diese Pandemie in irgendeiner Form als Segen zu sehen, fällt mir sehr, sehr schwer. Ich dachte zuerst: Jetzt habe ich endlich Zeit, all das im Studio zu machen, was ich schon immer ausprobieren oder fertigstellen wollte, aber recht schnell kam ich an einen Punkt, wo ich mir dachte „Ok, ich mache ja im Prinzip DJ-Musik ausschließlich für die düsteren Keller dieser Welt, und wenn die alle geschlossen haben und DJs nicht arbeiten dürfen – wofür mache ich das dann überhaupt, …“. Dann habe ich erst einmal angefangen, im Impfzentrum zu arbeiten, zusammen mit zig anderen DJs, Booker*innen, Securitys und Barleuten.

Wo wir gerade beim Thema Fluch sind. Was gibt es, was für dich wie ein Fluch wirkt?

Für mich ist generell die Schnelllebigkeit dieser Zeit ein Fluch. Ich mag Alben, die man öfter hören muss, um sich in sie zu verlieben. Ich erwarte auch von meinen Fans eine gewisse Hörbereitschaft. Ich möchte nicht, dass mein Album im Fünf-Sekunden-Takt durchgeskippt wird. In der heutigen Zeit ist ja alles darauf ausgerichtet, möglichst schnell die Hörer*innen zu catchen, sich dann 25 Sekunden damit zu beschäftigen und es dann wegzuschmeißen, …. und Spotify möchte am liebsten Drei-Minuten-Mixe all meiner Stücke. Aber meine Musik funktioniert so nicht. Ich liebe es, mit bestimmten Spannungsbögen zu arbeiten und mit der Erwartungshaltung der Leute zu spielen.

Du hast für „Repetitive Music 2“ auf altes Material aus dem Jahrtausendwechsel zurückgegriffen. Wie kam dir der Gedanke dazu und wie war es, sozusagen „alte Bekannte“ wiederzutreffen?

Oh, das war toll und hat mir auch gezeigt, dass ich damals mit meinem Ansatz von Techno auch heute noch ziemlich richtig liege, was natürlich schön ist. Im Grunde war das aber ein Kompromiss, denn wie gesagt hat mir einfach die Inspiration gefehlt, um neue Dancefloor-Musik zu produzieren. Deshalb kam ich irgendwann auf die Idee, alte Sachen fertigzumachen. Wozu mir damals schlicht die Skills gefehlt haben. Da ich da noch alles mit meinem Mentor Circuit Breaker produziert habe und nur die Mixdowns und Arrangements machen konnte. Außerdem ist der Sound der heutigen Zeit noch nahe an dem, was ich damals produziert habe. Loopiger monotoner Techno um die 140 bpm ist wieder mehr als salonfähig und begeistert mich auch wieder in einer Weise, die ich nie für möglich gehalten hätte.

Dein Album wird wie der Vorgänger auf Micro.fon erscheinen, aber auch auf deinem anderen Label Kiddaz.fm wird es nach langer Pause wieder neue Musik geben, oder?

Ja, angefangen hat alles damit, dass Regal ständig alte Kiddaz-Veröffentlichungen gedroppt hat und es auf einmal eine Nachfrage für die Sachen auch im digitalen Format gab. Im Moment wird ja Hard Techno quasi salonfähig und viele Sachen, die wir damals auf Kiddaz gemacht haben, waren schon sehr schnell und hart, aber hatten eben immer diesen gewissen Funk oder Groove, der sie nicht zu industriell und experimentell gemacht hat. Dieser Sound und generell Sachen um die 140 bpm sind ja gerade wieder schwer im Trend. Da würde ich natürlich auch gerne meinen Senf dazugeben – und da macht es natürlich Sinn, dies auf Kiddaz zu machen. Das ist ja auch irgendwie das Mutterschiff all meiner Labels.

Wie kann man sich deinen Workflow, deinen Studiotag vorstellen, auch konkret zum Album? Wie entwickelst du deinen Sound (weiter)?

Generell geht es mir am leichtesten von der Hand, ein neues Stück anzufangen, wenn ich einen guten DJ-Gig hatte und den Flow des Sets der letzen Nacht noch im Blut habe. Jeder Track fängt bei mir mit einer Bassdrum und einer Bassline an, alles andere ergibt sich dann im Kontext. In letzter Zeit habe ich auch viel mit meinen eigenen Vocals experimentiert. Ich befasse mich auch viel mit Mastering und Sounddesign im Allgemeinen, studiere alle möglichen Tutorials, die mich natürlich alle irgendwie beeinflussen. Aber manchmal mache ich auch einfach das Gegenteil von allem, was ich neu gelernt habe. Das ist für mich halt auch Techno – ähnlich wie Punk. Fuck the rules. Hauptsache, die Bassdrum knallt und der perkussive Loop schleift ordentlich.

„Repetitive Music 2“ wird digital erscheinen. Wird es denn auch ein Vinyl-Release im Albumkontext geben? Und wie sieht es mit einer Remix-EP aus? Kannst du schon dazu etwas sagen?

Vinyl mache ich diesmal gar nicht. Das ist ein harter Schritt, aber diesmal setze ich andere Prioritäten – und das sind v.a. Spotify, Bandcamp und Beatport. Da möchte ich mit dem Album gut performen. Remixe wird es von Markus Suckut, Ackermann und Raphael Dincsoy geben und vielleicht kann ich ja noch einige Youngbloods für einen Album-Remix gewinnen. Lasst euch überraschen. 🙂

Was können wir außerdem noch auf Micro.fon demnächst erwarten? Und was hast du dieses Jahr geplant?

Aktuell arbeite ich an einer Kollab-EP mit Patrick Mila und Thomas Hoffknecht. Ein neues Release ist auch echt überfällig. Außerdem würde ich gerne ein Techno-Release mit Andy Catana machen. Nach dem Album konzentriere ich mich aber erst einmal auf neue Kiddaz.fm-Ware. Und natürlich meine DJ-Gigs. Und ich muss ungefähr noch 100 Loop-Techno-Hits von damals digitalisieren, die es nur auf Vinyl gibt …

Aus dem FAZEmag 123/05.2022
Text: Tassilo Dicke
Foto: Vanessa Ossino
www.instagram.com/djemerson_music