DJing deluxe – Pioneer DJ Opus-Quad

„Wir können auch Luxus!“, schien man in der Entwicklungsabteilung von Pioneer DJ trotzig gedacht zu haben, um es all jenen zu zeigen, die an der Produktqualität immer noch irgendetwas zu mosern hatten. Opus-Quad heißt das Ergebnis – ein mobiles All-in-one-Gerät, mit dem die Japaner „all in“ gehen. Vor allem beim Design. Aber auch bei den Funktionen gibt es interessante Neuerungen.

Der Opus-Quad gehört zu den Tools, die einen Postboten an den Rand der Kündigung bringen. Geliefert wird ein gigantischer Karton mit 13,2 kg Inhalt, den eine Person kaum greifen kann. Nach dem Entpacken ist man dann zunächst einmal baff. Denn beim Design entfernt sich Pioneer mit dem Opus-Quad von seinen bisherigen Tools. Die funktionale Kantigkeit wurde von einer organischen Formensprache ersetzt. Die Stirnseite zeigt sich flügelgleich geschwungen und die mattschwarze, schraubenfreie Faceplate rund über die Vorderkante gezogen. Zusammen mit den sich nach hinten verjüngenden Seiten ergibt sich eine trapezförmige Grundfläche, die den Opus-Quad zu einem schmucken Interieur fürs Wohnzimmer werden lassen. Zumal sein geriffelter Kunststoffrahmen aus der Distanz den Eindruck erweckt, als bestehe er aus geschichtetem Holz. DJ-Grandpas mag das unterschwellig an Stereoanlagen aus den 1970ern erinnern, doch das Gerät vermeidet dabei jede Retromuffigkeit. Bis hin zu vereinzelt kupferfarbenen Drehreglern und dem farbwarmen Leuchtkonzept ergänzt sich alles auf moderne Weise harmonisch – wie aus einem Guss.  Beim Bedienlayout und den Basisfunktionen hat sich dagegen gar nicht viel geändert. Zwei Playereinheiten schließen einen  Vierkanalmixer ein, sodass auf bis zu vier Tracks (plus Mikrofon) zugegriffen werden kann – und das standalone.

Screen-Dreigestirn: Der große im Zentrum
Damit die Bedienung komfortabel funktioniert, hat Pioneer DJ seinem Prunkstück erstmals drei Screens spendiert. Herzstück ist ein Touchscreen im 10,1“-Format, also mit 25,6 cm Bildschirmdiagonale. E ist eingebettet in einen angewinkelten Aufbau, der neben den randseitigen Buttons zum Umschalten zwischen den Anzeigen für Playlist, Waveform  usw. einen neuartigen Encoder aufweist. Dieser „Smart Rotary Selector“ lässt sich nicht nur drehen und drücken, sondern als vierdirektionaler Joystick bewegen: Nnach oben und unten, um komplette Playlist-Seiten umzublättern. Und nach rechts oder links, um den Anfang und das Ende eines Titels vorzuhören. Beides funktioniert sehr viel schneller als das endlose Browserrad-Gedrehe oder der Fingertouch in der Vorhörwellenform, wobei die klassischen Bedienschritte ebenfalls weiterhin möglich sind. Neben den bekannten Vorschau- und Hauptwellenformen befindet sich am unteren Rand der Hauptansicht zudem ein Informationsstreifen für wichtige Mixerfunktionen. Allen voran Touch-Felder, um für die Decks 3 und 4 die Eingangsquellen auszuwählen und die restlichen anzuzeigen. Ebenso ist es an dieser Stelle möglich, die einzelnen Kanäle einer Crossfader-Seite zuzuweisen. Sobald ein Kanal geöffnet ist, erscheint im jeweiligen Touchfeld schließlich der leuchtend rote Hinweis „On Air“ – sehr cool.

Einstellungssache
Der Riesen-Screen birgt aber noch andere Optionen. So gelangt man über den linksseitigen Shortcut-Button direkt in zwei übersichtlich gestaltete Ansichten für Grundeinstellungen. In der ersten lassen sich u.a. die pro Deck zuweisbaren LED-Farben, die Wellenform-Coloration oder die Beat-Quantisierung anpassen. In der zweiten kann man z.B. die Funktionen für die Mixereinheit wechseln oder auf die EQs herkömmlich oder als Isolatoren zugreifen oder regeln, wie die Fader-Kurven für die Kanäle und den Crosser verlaufen oder in welchem Modus die Headphone- und Zone-Sektionen arbeiten. Und da sich mit dem Opus-Quad auch die DJ-Sets mitschneiden lassen, kann hier das Aufnahmemedium (USB 1 bis 3) festgelegt und der Recordingprozess ausgelöst werden.

Effektansichten
Eine der wohl meistgenutzten Ansichten öffnet sich aber, wenn man den neuen Beat FX-Button im linken Bildschirmrahmen drückt. Denn Pioneer DJ hat sich dazu entschieden, in der Mixereinheit auf den beschrifteten Drehselektor für die Beat-Effektauswahl zu verzichten. Die 14 Effekttypen werden zwar immer noch per Hardware-Drehregler ausgewählt, deren Anzeige jedoch erfolgt virtuell in der Screen-Ansicht. Dort lassen sich bis zu vier Effekte in einer Bank zusammenfassen und einzeln aktivieren, ebenso erfolgt die Kanalzuweisung per Touch. Das Highlight jedoch ist ein großes X/Y-Pad, um den angewählten Beat-FX stufenlos in der Effektzeit sowie mit einem Lowpass-Highpass-Filter zu bearbeiten. Neben dem Pad stehen dann noch ein Touch-Button für „Hold“ sowie ein virtueller Quantize-Switch bereit, um den Effekt am zugrunde gelegten Taktraster auszurichten. Die Taktanpassung funktioniert natürlich weiterhin nur, wenn die Tracks vorher mit der rekordbox- oder Serato-DJ-Software analysiert wurden. Ganz gestrichen haben die Opus-Quad-Entwickler*innen die harten Beat-FX-Regler übrigens dankenswerterweise nicht. An der rechten Mixerflanke ebenfalls einstellen lassen sich je nach FX-Wahl die Effekt-Tiefe, die Effektzeit und Beat-Fraktionierung.

Weiche Echokammer
Unabhängig von den Beat FX gibt es schließlich noch einen zusätzlichen Typen, den es zuvor bei keinem Pioneer-DJ-Tool gegeben hat: das Smooth Echo. Es wird gleichfalls am linken Touchscreen-Rahmen aktiviert und sorgt dafür, dass ein Echo-Effekt erklingt, sobald ein bestimmter Regler bewegt wird. Als Trigger kommen u.a. der Cross- und Kanalfader, die Cue- und Hot-Cue-Buttons oder die Pause-Taste infrage. Auch dem Smooth Echo wurde eine Ansicht im Touchscreen zugedacht. Es öffnet sich, sobald man den „On“-Button länger als eine Sekunde drückt. In der großzügigen Ansicht lassen sich dann per Touch der Trigger und die Anzahl der Beats für das Echo von 1/16 bis 2 festlegen. Hat man sich für den Crosser als Auslöser entschieden, kann man zudem auswählen, wie viele Beats zuvor gespielt sein müssen, damit das Echo erschallt. Schnelle CF-Moves können so vom Echo-Effekt ausgeschlossen werden. Die Effektlautstärke wird dann mittels haptischem Poti eingestellt. Wer Titel mit stark abweichenden Geschwindigkeiten oder Taktungen einigermaßen elegant aneinandersetzen möchte, wird mit dem Echoeffekt auf jeden Fall seinen Freund finden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Opus-Quad darüber hinaus die Pioneer-typischen Sound-Color-Effekte à la DJM-A9 an der linken Mixerflanke bereithält. Sie werden ohne jede Neuerung in der bekannten Weise aktiviert und mittels der Low-High-Potis pro Kanalzug eingestellt, weshalb wir darauf nicht erneut eingehen.

Screen-Dreigestirn: Die Deck-Displays
Spannender ist dagegen, was sich in den Player-Einheiten getan hat. Am auffälligsten sind die kleinen Vollfarbdisplays pro Deck. Sie sind zwar nicht touchfähig, aber ohnehin nur für die Anzeige der Basisinformationen des aktiven Tracks vorgesehen. Von der Spielzeit, dem BPM-Tempo und dem Pitchwert bis hin zum Artwork, der Tonart und Quantisierung wird kein Parameter ausgelassen. Sogar eine Gesamtwellenform-Darstellung inklusive Markierung aller abgesetzten Cue-Punkte und Loops wurde aufgenommen. Das ist im quadratischen Format allemal mehr und übersichtlicher, als es in den runden In-Jog-Displays möglich ist. Und der zentrale Screen wäre maßlos überfrachtet, müssten sie die Deckinformationen auch noch visualisieren. Sehr schön: Neben den Player-Displays befinden sich je zwei dedizierte Deck-Buttons, um sofort zwischen den gelayerten Tracks 1 und 3 sowie 2 und 4 umschalten zu können. Die individuell einstellbare LED-Farbcodierung für die vier Decks strahlt einem bei allen wichtigen Bedienelementen mit Leuchtfunktion entgegen – und passt sich ad hoc an, sobald man wechselt. Am augenfälligsten wird das bei den Leuchtringen um die Full-Size-Jogwheels. Die Jogs habe ihre Display-Funktionalität übrigens nicht vollständig eingebüßt. Vielmehr beschränkt sich die Rundanzeige nun wieder auf segmentierte Streifen, um in rotierender Weise die Nadelposition sowie die angelegten Cue- und Loop-Punkte anzuzeigen. Was sich noch geändert hat: Die gemuldeten Jogweel-Ränder sind umlaufenden Spirallinien gewichen, wie man sie eher beim Mitbewerber mit dem Swirl-Logo vermutet hätte. Der Grip ist damit weicher und den Fingern fehlt ein Haltepunkt – mutmaßlich einfach eine Frage der Gewöhnung.

Flexibel und supersimpel: (Hot-)Cues und Loops
Ansonsten bringt das Jogwheel alle Premium-Funktionen des CDJ-3000 inklusive Einstellung des Drehwiderstands, Vinyl-Mode, Slip-Mode usw. mit. Ebenfalls eingerichtet wurden die 8 strichbeleuchteten Performance-Taster zwischen Jogwheel und Display. Dort lassen sich weiterhin Hot-Cues und Loops farbcodiert ablegen, auslösen und auch extern speichern. Wer mag, kann in den Voreinstellungen einen Overwrite-Modus einstellen, sodass die Hot-Cues grundsätzlich als Haupt-Cue auf den großen Rundbutton gelegt werden. Das erspart den bekannten Affengriff, der ebenfalls weiterhin funktioniert. Die Loop-Funktion wurde ebenfalls erweitert und für ein Plus an Performance vereinfacht. Anstelle der Loop-In- und -Out-Knöpfe kann nun auch (oder ergänzend) der kupferfarbene Loop-Encoder eingesetzt werden. Er besitzt eine Push-Funktion, um den Start- und Endpunkt festzulegen. Per Encoder-Dreh lässt sich die Looplänge dann jederzeit variieren, optisch mittels Rahmen in der Displaywellenform nachzuverfolgen.

Das Auge mixt schließlich mit
Der Opus-Quad macht zwar in privaten Luxus-Lofts eine hervorragende Figur, ist aufgrund seines All-In-One-Konzepts aber wohl eher für den mobilen DJ konzipiert. Und zwar überall dort, wo das Auge mitmixt. Zum Beispiel auf Hochzeiten, in Designer-Bars oder auf Fashion-Shows. Auch in Fernsehstudios und bei TV-Live-Übertragungen wird der Nobelhobel mal im Rampenlicht stehen. Damit drängt Pioneer DJ auf ein Aktionsfeld, das traditionell von Denon DJ z.B. mit dem Prime 4 Plus besetzt war. Zumal auch sein Klang, resultierend aus hochwertigen 32 Bit D/A-Wandlern mit ESS-Technologie, edel mitspielt. Beim Preis zeigt sich die festlich dekorierte Tafel mit 3.299 Euro leider ebenfalls ziemlich königlich.

Aus dem FAZEmag 139/09.2023
www.pioneerdj.com