Enfant Sauvage – Das Licht des Spätsommers

Credit: Sofiane Boualia

Die beiden Cousins Guillaume und Jonathan Alric veröffentlichten unter dem Namen The Blaze 2016 ihre erste gemeinsame Single „Virile“, auf die 2017 die gefeierte EP „Territory“ folgte, inklusive zweier Videoclips, die sie selbst produzierten und für die sie sehr gute Kritiken erhielten. Der Clip zum Titeltrack erhielt bis heute über 70 Millionen Klicks auf YouTube und wurde zudem ausgezeichnet. 2018 folgte das Debütalbum „Dancehall“ und im letzten Jahr lieferten sie ein atemberaubendes Cercle-Set auf dem Aiguille du Midi in Chamonix ab. Es waren sehr aufregende Jahre für die beiden, die daraufhin beschlossen, eine kleine Blaze-Auszeit zu nehmen, um sich ihren Soloprojekten zu widmen. Als Enfant Sauvage veröffentlicht nun Guillaume sein Solo-Debütalbum „Petrichor“, das begleitet wird von einer Videotrilogie zu den Tracks „Silent Love“, „Time To Fall“ und „Force Field“ sowie von einer Fotoausstellung.

Fotografie studierte Guillaume nach dem Abitur und so plante er ursprünglich, die Blaze-Auszeit für ein Fotobuch zu nutzen, das sich seiner Jugend in der Heimat widmen sollte. Fotos, die zeigen, wie wir als Teenager in einer Provinzstadt lebten, bevor es das Internet gab. Dann wollte ich weitergehen, mit einem Album und Clips, um das Thema tiefer zu erforschen“, erklärt er. So wuchs das Projekt zu seiner jetzigen Größe, zu dem auch eine Liveshow gehört, die noch folgen wird. Clamecy ist besagte Provinzstadt, in der Giullaume aufwuchs, eine kleine Industriestadt im Burgund. „Ich hänge sehr an diesem Ort, weil er ein bisschen weit weg von allem ist, von den Lichtern und der Aufmerksamkeit. Ein ruhiger Ort, an dem ich mich in der Nähe meiner Familie ausruhen kann. Ich lebe jetzt in Paris, aber ich fahre so oft ich kann nach Clamecy.“

Die erwähnten Fotos aus seiner Jugend dienen als emotionales Moodboard für das Projekt „Petrichor“ und bilden auch die Grundlage für bestimmte Szenen der Videos, die die Geschichte eines Teenager-Pärchens in der Provinz erzählen. Der Sound dazu ist sphärisch und oft melancholisch, zwischen Electronica, Ambient und House und schickt einen in den Spätsommer. Eine Stimmung, die Guillaume sehr schätzt. „Ich mag das Ende des Sommers sehr, da kommt dieses Gefühl der Nostalgie auf, besonders wenn man ein Teenager ist. Es ist das Ende der Ferien, das Ende der heißen Tage und das Ende der ersten Liebe. Es ist der Moment, in dem man merkt, dass man ein paar Wochen lang vielleicht intensiver oder freier gelebt hat. Alle drei meiner Videos spielen in dieser Zeit, und ich denke, die Emotionen der Musik gehen in diese Richtung. Und dann, wenn die Erde trocken ist, nimmt die Natur sandige Farben an, es herrscht eine staubige Luft. Diese Lichter haben mir fotografisch sehr gut gefallen.“

Zwar habe ihm der der Erfolg von The Blaze auf technischer und kreativer Ebene viele Türen geöffnet, aber in seinem Privatleben habe sich nichts verändert, ist sich Guillaume sicher. „Ich lebe recht einfach und bin den Menschen in meinem Umfeld gegenüber sehr loyal.“ An „Petrichor“ hat Guillaume komplett alleine gearbeitet, da es ein sehr intimes Projekt ist. Und das tat ihm auch sehr gut, wie er schildert, sich vieler Dinge bewusst zu werden, auf „Anfang“ zu gehen: „Um zu wissen, wohin du gehst, musst du dich daran erinnern, woher du kommst.“ Petrichor wird der Geruch von Regen auf trockener, staubiger Erde genannt. Diesen Geruch, vor allem am Ende des Sommers, kennen wir alle und verbinden ihn mit Erinnerungen und Gefühlen.

Aus dem FAZEmag 118/12.21
Text: Tassilo Dicke
Credit: Sofiane Boualia
www.enfantsauvagemusic.com