Eulbergs heimische Gefilde: Raben – gefiederte Schlaumeier

Als Todes- und Unheilsbote war er verrufen, sein Erscheinen galt als böses Omen. Flog er dreimal übers Dach würde jemand sterben. Sein krächzendes Rufen war die Stimme des Satans, der die Seele der Menschen rief. Er war ein fliegender Dämon. Wenn eine Rabenschar übers Feld flog, legten die Bauern ihre Arbeit nieder und gingen schleunigst nach Hause, denn was sie pflanzen oder ernten wollten, war für diesen Tag verdorben und verflucht. Er flog den Hexen voraus und brachte ihnen Nachrichten. Doch nicht nur zu früheren Zeiten, sondern auch heute noch sorgen ihr pechschwarzes Gefieder, ihre krächzenden Stimmen und ihr scharenhaftes Auftreten dafür, dass viele Menschen ein schlechtes Bild von ihnen haben. Dieses negative Image spiegelt sich auch in alltäglichen Redewendungen wie „rabenschwarz“, „Rabeneltern“ oder „Unglücksrabe“ wieder.

Doch Rabenvögel sind in Wirklichkeit hochintelligente, sehr gesellige und sozial lebende Tiere: Sie können Werkzeuge zum Nahrungserwerb nutzen, sind bemerkenswerte Flugkünstler und beherrschen neben ihren eigen Rufen auffallend viele „Fremdsprachen“. Raben gehören zwar zu den Singvögeln, singen allerdings nicht, können aber andere Tierstimmen verblüffend echt nachahmen. So kann man etwa Kolkraben hören die Hundegebell, Schweinegrunzen oder Pferdewiehern nachahmen oder menschliche Laute wie Rülpsen oder Schnalzen. Damit täuschen sie andere Tiere. Auch führen sie sich untereinander gerne „am Schnabel herum“. Wenn es zum Beispiel um das Horten von Nahrung geht, legen sie Scheinverstecke an, um nicht von einem Nachbarn beraubt zu werden. Raben sind gar in der Lage ihre Artgenossen anzuschwindeln. Findet ein pfiffiger Rabe etwa ein Stück Aas, so gaukelt dieser seinen Artgenossen vor, dass dieses verdorben sei und er daran jämmerlich krepiere. Verlassen die abgeschreckten Artgenossen die Futterstelle, kommt es zu einer schlagartigen Spontanheilung des Verkösters und er macht sich munter weiter ans Fressen. Geht es aber wie bei den Dohlen oder Saatkrähen um das Wohl der gesamten Kolonie, halten die Vögel fest zusammen. Feinde werden gemeinsam vertrieben, Jungtiere oder kranke Vögel von der gesamten Sippschaft versorgt.

Nebel- und Rabenkrähen werfen Nüsse auf die Fahrbahn, um sie durch Autoreifen knacken zu lassen. Dabei nutzen manche sogar Kreuzungen mit Ampeln, um die Nüsse bequem in den Rotphasen aufsammeln zu können. Kolkraben sind die größten Singvögel der Welt. Sie sind mit einer Flügelspannweite von über 1,30 Meter sogar größer als der Mäusebussard. Ertönt ein Schuss im Wald, so fliehen alle Vögel, nur der Kolkrabe fliegt in Richtung der Schussquelle. Er hat gelernt, dass bei einem Schuss meist ein Jäger ein Tier erlegt hat und das eine mögliche Futterquelle darstellt. Häufig sieht man sie auch als Begleiter von Wölfen oder anderen Raubtieren, um diesen dann, mit ihrer berüchtigten Frechheit, in Gruppen die erlegte Beute abzujagen. Elstern erkennen sich im Spiegel, was eine Voraussetzung für viele komplexe Denkvorgänge ist. Nur Menschenaffen und Hunde erreichen ebenfalls diese Stufe. Saatkrähen warfen in einem Experiment so lange Steine in ein Wasserglas, bis sie an einen sonst unerreichbaren Wurm gelangten. Dohlen, der Vogel des Jahres 2012, haben ein hochentwickeltes Familien- und Gesellschaftsleben. Sie können die Ranghöhe jedes einzelnen Mitglieds ihrer Kolonie einschätzen. Tannenhäher legen tausende Verstecke mit Wintervorräten an, die sie selbst durch tiefe Schneedecken erfolgreich wieder ausgraben. Eine enorme Gedächtnisleistung. Eichelhäher lassen sich in Ameisenhaufen nieder, um sich mit ätzender Ameisensäure besprühen zu lassen. Ein effektives Mittel gegen Parasiten.

Im Londoner Tower lebt seit jeher eine Kolonie von Kolkraben. Ein Volksglaube besagt, dass das englische Empire untergehen würde, wenn die Tower-Raben nicht mehr das Gebäude beschützen. Auf Grund dessen werden die Raben gefüttert und sogar durch einen eigens dafür zuständigen „Ravenmaster“ beschützt.

Rabenvögel, Meisterwerke der Natur, kein Hexenwerk.

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