Feiertag – Die Goldene Mitte

Der aus Utrecht stammende Producer und Schlagzeuger mit dem wohlig klingenden Künstler- und Nachnamen „Feiertag“ ist zurück mit seinem dritten Studioalbum namens „Roots“. Releast wird der Langspieler ein weiteres Mal auf dem deutschen Label Sonar Kollektiv, wo Joris Feiertag bereits seine Vorgänger-LPs „Time To Recover“ und „Dive“ veröffentlicht hatte. Nachdem „Time To Recover“ stark von sensiblen, Song-orientieren Einflüssen geprägt war und „Dive“ primär elektronische Facetten aufwies, wählte der Niederländer für „Roots“ nun die goldene Mitte und präsentiert eine eklektische Mischung aus Electronica und Soul, Organik und Synthetik sowie zahlreichen Kollabo-Acts aus aller Welt. Wir haben Joris Feiertag zum Interview getroffen.

Hi, Joris. Zuletzt haben wir uns im Juli 2021 unterhalten, direkt nach dem Release deines Debütalbums „Time To Recover“. Was ist seither passiert?

Eigentlich eine ganze Menge! Zunächst einmal wurde das Album gut aufgenommen, wofür ich sehr dankbar bin. Mein Track „Trepidation“ wurde im Game FIFA22 gefeaturet und die LP selbst wird immer noch sehr häufig gespielt. Leider konnte ich das Album damals aufgrund der Pandemie nicht auf der Bühne testen. Das fand ich sehr schade und entschied deshalb, ein zweites (Mini-)Album namens „Dive“ hinterherzuschieben, das mehr von Breakbeats geprägt war. Mit „Roots“ folgt nun der dritte Langspieler – ich bin also seit einiger Zeit im Studio „eingesperrt“.

Du hast es bereits angesprochen: Dein Debütalbum nicht live performen zu können, muss frustrierend gewesen sein. Wie hast du nach dem Ende der Pandemie die ersten Gigs „in Freiheit“ erlebt?

Ja, das war keine schöne Sache. Andererseits war der Lockdown sehr förderlich für meine Entwicklung als Künstler und Produzent. Ich glaube, dass mein Live-Set jetzt besser ist als je zuvor. Ich mache aktuell viele Edits von Tracks, damit sie nicht nur zu Hause gut klingen, sondern auch auf der Bühne tanzbar und energetisch wirken.

Erzähl uns etwas über deine Anfänge. Wie bist du zur elektronischen Musik gekommen? Was waren deine ersten Einflüsse und Inspirationen?

Ich wollte als Kind viele Instrumente spielen, entschied mich letztlich aber für das Schlagzeug, da es im Hinblick auf meine Persönlichkeit am meisten Sinn machte. Ich bin sehr energiegeladen und kann manchmal etwas chaotisch sein. Durch das Schlagzeug konnte ich etwas von dieser Energie kanalisieren und zudem meine Konzentration fördern. Je älter ich wurde, desto mehr interessierte ich mich auch für Hip-Hop und elektronische Musik: A Tribe Called Quest, Underworld, Massive Attack, Faithless, Daft Punk, Aphex Twin und Kruder & Dorfmeister, um mal einige Interpret*innen zu nennen.

Während meines Schlagzeugstudiums an der Musikhochschule wurde ich von meinem Lehrer schließlich auf das Produzieren aufmerksam gemacht. Ihm gefielen meine Tracks und er zwang mich dazu, mich in der elektronischen Szene umzuschauen. Acts wie James Blake, Four Tet, Flying Lotus, Bonobo, Mount Kimbie und Caribou haben mich mit ihren Heimstudio-Aufnahmen sehr inspiriert. Sie arbeiten nur mit einem Laptop, nehmen Samples mit einem iPhone um die Ecke auf, ohne viel Geld für Equipment ausgeben zu müssen … Diese Jungs haben mir wirklich die Augen geöffnet.

Deine Studioarbeit sieht also ähnlich aus? Gib uns ein paar Einblicke.

Ich arbeite viel „in the box“. Zu meinen Lieblings-Plug-ins gehören Diva, Soundtoys, Serato, Valhalla, Omnisphere und Rob Papen’s SubBoomBass. Daneben habe ich mein Vintage-Schlagzeug aufgebaut, das sozusagen zu meinem Markenzeichen geworden ist. Mein Workflow hängt von meiner Stimmung ab. Ich variiere meinen Workflow gerne ein wenig, um meinen Prozess frisch zu halten. Ich stöbere gerne nach seltenen und einzigartigen Samples, zerhacke sie meist so, dass man sie nicht wiedererkennt und versuche, ein Instrumental zu kreieren, das für meine Ohren innovativ klingt. Die Kollaborationen kommen immer erst später dazu.

Ein gutes Stichwort. Auch dieses Mal hast du wieder tolle Gäste dabei.

Nachdem ich „Dive“ fast zu 100 Prozent alleine gemacht hatte, wollte ich dieses Mal wieder mehr externe Artists miteinbeziehen. Es sind Künstler*innen aus der ganzen Welt dabei: das Hip-Hop-Duo OSHUN aus Washington D.C., Noah Slee aus Neuseeland, die aufstrebende Sängerin Falle Nioke aus Guinea, der Newcomer Leonard Luka aus den Niederlanden und viele mehr. Auf dem Album gibt es zwar viel Soul, ich denke aber dennoch, dass es ein sehr eklektischer Mix aus verschiedensten Genres ist.

Es ist bemerkenswert, dass „Roots“ nicht nur persönliche Geschichten und Erfahrungen von dir selbst, sondern auch von deinen Kollaborationspartner*innen erzählt. Wir würden gerne mehr darüber hören.

Ich lasse den Artists gerne viel Freiheit, wenn ich mit ihnen zusammenarbeite. Ich möchte, dass sie das Gefühl haben, dass es auch ihr Stück ist. Wenn ich ihnen Einschränkungen oder Referenzen vorgeben würde, hätten sie nicht die Freiheit, sich selbst auszudrücken. Deshalb versuche ich, so offen wie möglich zu sein und ihnen den Raum zu geben, den sie brauchen. Ich bin dankbar, wenn sich die Tracks auch für sie persönlich anfühlen.

Das Album ist eine Mischung aus der songorientierten Sensibilität von „Time To Recover“ und den elektronischen Ausflügen von „Dive“. Wie hast du diese Komponenten zusammengeführt?

Ich habe eine Menge Demos für dieses Album gemacht und es hat länger gedauert als je zuvor. Ich war sehr kritisch mit mir selbst und hatte das Gefühl, dass ich mit den ersten beiden Alben bereits ein Statement abgegeben habe, also war diese LP definitiv die schwierigste. Andererseits bin ich ziemlich intuitiv, also habe ich einfach weitergemacht und weitere Demos erstellt. Einige meiner Lieblingsstücke haben es leider nicht aufs Album geschafft, aber mit dem Ergebnis bin ich trotzdem sehr zufrieden. Meiner Meinung nach gibt es keine Füller, es fühlt sich wie ein einziges eklektisches Stück an.

Ein paar Worte zum Titel der LP? Willst du mit dem Album zu deinen Wurzeln zurückkehren oder bezieht sich der Titel auf etwas anderes?

Ja, ich denke schon. Ich habe mich für den Titel aus mehreren Gründen entschieden. Das Album ist sehr rhythmisch geprägt, was auf meinen Background als Schlagzeuger zurückgeht. Als Jugendlicher hatte ich einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack; ich habe alles von Latin bis Stoner Rock und Electronica gespielt/gehört. Das ist – in gewisser Weise – auch auf meinem neuen Album zu hören, es ist sehr eklektisch.

Welche Projekte stehen als nächstes an und wie sieht dein Tourkalender aus?

Ich arbeite gerade an meinem Live-Set für meine Album-Release-Show im The Melkweg in Amsterdam. Das wird etwas ganz Besonderes werden, mit Gästen wie Robin Kester und Leonard Luka, die auch auf dem Album zu hören sind. Wir haben bereits begonnen, einige Festivals und Touren für das nächste Jahr zu planen, und mit Veröffentlichungen auf Anjunadeep, DGTL und R&S Records stehen für 2024 schon mehrere Releases in den Startlöchern. Ich kann es kaum erwarten, bleibt dran!

„Roots“ ist am 20. Oktober via Sonar Kollektiv erschienen.

Aus dem FAZEmag 141/11.2023
Text: M.T.
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