
Es klingt fast schon ironisch: Derzeit mahnen eine Berliner Kanzlei und eine Frankfurter Rechteagentur die Nutzung von Musik-Tracks über Social-Media-Plattformen ab, die genau über diese Plattformen ihre Popularität und Bekanntheit erhalten haben. Die User, die die Tracks verwendet haben, sollen hohe Summen zahlen. Der Grund: Urheberrechtsverletzungen.
Da dürften einige Inhaber von Social-Media-Accounts auf TikTok und ähnlichen Plattformen momentan nicht schlecht staunen, da sie Zahlungsaufforderungen aufgrund der Verwendung von auf TikTok und ähnlichen Plattformen beliebter Tracks in ihren Beiträgen, erhalten haben. Die Abmahner: das Unternehmen SoundGuardian aus Frankfurt am Main und IPPC Law, eine Kanzlei aus Berlin. Betroffen sind beliebte Hype-Tracks wie „3 Haselnüsse“ (Felix Harrer x Jaques Raupé), „Pedro“ (Jaxomy x Agatino Romero x Raffaella Carrà) oder auch „Mein kleines Herz (Bam Bam)“ (Darius & Finly & MartinBepunkt & Shaun Baker), die genau durch diese Plattformen paradoxerweise ihren Erfolg maßgeblich erzielt haben.
Die Abmahner sehen jedoch Urheberrechtsverletzungen in der Verbreitung dieser Inhalte. SoundGardian und IPPC Law fordern deswegen in ihren Abmahnungen Beträge in vierstelliger Höhe.
IPPC Law vertritt etwa den Track „Pedro“ im Auftrag des Rechteinhabers B1 Recordings GmbH, fordert dafür mehrere Tausend Euro sowie eine Unterlassungserklärung – bei der Benutzung der Musikstücke für eine längere Zeit, können diese Beträge auch schnell fünfstellig ausfallen.
SoundGuardian mahnt Tracks wie „Mein Kleines Herz (Bam Bam)“ und fordert dafür etwa 16.400 Euro, zu denen noch eine Umsatzsteuer von sieben Prozent obendrauf kommt. Der tatsächliche Betrag richtet sich dabei nach mehreren Faktoren, wie der Beliebtheit der Musikstücke, der Dauer der Benutzung der Stücke, die Art der Verwendung, den Klickzahlen, das Produktionsbudget oder die Viralität der Clips, in denen die entsprechenden Tracks vorkommen. Soundgardian erklärt, exklusiver Inhaber von „Mein kleines Herz (Bam Bam)“ zu sein, da sie diesen über ein Video auf TikTok als erste öffentlich gemacht hätten.
Privatnutzer dürfen jedoch aufatmen. Die Fälle betreffen gewerbliche Seiten auf Social Media. Einer der Betroffenen meldete sich jetzt als Privatperson über ein TikTok-Reel zu Wort. Der Antdealer Ameisenshop aus Erfurt, geführt von Silvio Kolbe, betreibt eine Seite auf TikTok, um dort auf seinen Shop aufmerksam zu machen.
In einer knapp vierminütigen Ansprache meldet sich der Kopf dahinter an seine Follower und beschreibt den Fall. Er habe den viralen Track „3 Haselnüsse“, ein Hypertechno-Track, der letzten Winter überall zu hören war, insbesondere auf TikTok, in einem zehnkündigen Video verwendet, in welchem eine Ameise mit dem Kopf nickt. Allerdings sei das Video „damals ein Privatvideo“ gewesen. Er prüfe auch noch, ob sein Account damals privat oder öffentlich gewesen sei. Er habe es einfach cool gefunden, „dass man die Ameise mit dem Kopf nicken lassen kann“. Werbeinnahmen habe er dadurch allerdings nicht erzielt. Nichtsdestotrotz fordere SoundGuardian von ihm einen hohen Betrag. Er richtet den eindringlichen Appell an andere User, sie sollten Videos, die den Track verwendeten, löschen, um einer Abmahnung vorzubeugen. Zudem habe er Felix Harrer und Jaques Raupé, die Produzenten des Cover-Tracks, der ursprünglich aus dem beliebten Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ stammt, angeschrieben, um den Fall zu klären. Eine Antwort steht anscheinend noch aus. In einem anderem Video blendet der Antdealer Ameisenshop das Logo der beliebten Ibiza-Party ANTS in abgewandelter Form mit der Silhouette einer Ameise ein.
Hier könnt ihr euch das entsprechende Video anschauen:
@antdealerameisenshop Urheberrechtsverletzung 3 Haselnüsse von Jaques Raupe und Felix Harrer #schadensersatz #nachlizenzierung #strafe #3haselnüsse #soundGuardian #anwalt @DJ.Felix_Harrer @Jaques Raupé @Herr Anwalt
Unterdessen beschäftigt sich eine Kölner Kanzlei mit den Fällen und fordert Betroffene auf, die Schreiben ernst zu nehmen. Allerdings solle man auf keinen Fall eine Einverständniserklärung abgeben, da man dann das Geld tatsächlich zahlen müsse. SoundGuardian setzt eine Frist von etwa zehn Tagen, in denen Abgemahnte deren Angebot annehmen können. Stattdessen solle man sich Rechtshilfe holen.
Diese Welle der Abmahnungen wirft neue Fragen um Urheberrechte rund um Musikinhalte aus und auch zu viralen Hypes um Tracks, die selbst von den Plattformen profitieren, aber auch andere Nutzer, die nicht die rechtmäßigen Eigentümer der Musikstücke sind, davon profitieren lassen. Weitergehend eröffnen die Fälle Diskussionen darüber, wie in der heutigen Zeit Musik konsumiert, weiterverbreitet und rezipiert wird.
Quellen: Website der Kanzlei WBS.LEGAL, TikTok-Account des Antdealer Ameisenshop
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