Fort Romeau – Zwischen Traum und Realität

Es ist zehn Jahre her, dass Michael Greene alias Fort Romeau mit seinem Debütalbum „Kingdoms“ auf dem Label 100% Silk sein erstes musikalisches Ausrufezeichen setzte und damit eine imposante Karriere startete, in deren Verlauf er bisher auf Labels wie Live At Robert Johnson, Correspondant, Running Back, Permanent Vacation, Phantasy Sound, DGTL Records, seinem eigenen Imprint Cin Cin und letztlich Ghostly International veröffentlichte; die Augen auf den Dancefloor gerichtet, aber stets daran interessiert, Abzweigungen oder Umwege zu erforschen. „Beings Of Light“ heißt sein dritter Longplayer, der gerade auf Ghostly, seinem Stammlabel, erschienen ist und an dessen Produktionsstart vor allem eins vorhanden war: Zeit.

Während zwischen Album eins und zwei nur drei Jahre lagen, sind es zwischen zwei und drei immerhin sieben Jahre – was vor allem der fehlenden Zeit geschuldet war. Die Pläne lagen zwar schon länger in der Schublade, aber vor allem das Touren hat seinen Produktionsrhythmus verändert – zahlreiche EPs erschienen seit „Insides“, dem zweiten Album. „Wenn man weniger Zeit hat und jedes Wochenende auf Tour ist, ist es einfacher, eine EP zusammenzustellen als ein Album. Außerdem mag ich es bei EPs oft, verschiedene Klänge zu erforschen und neue Ideen auszuprobieren – so als würde ich verschiedene Hüte oder Kostüme anprobieren, um zu sehen, wie es aussieht – während ich mich bei LPs viel mehr darauf konzentriere, eine ganze Klangwelt aufzubauen und zu entwickeln, die auf meinen vorherigen Platten aufbaut. Dabei lasse ich mich von meinem eigenen Instinkt und den Kombinationen von Klängen und Stimmungen leiten, die mich am meisten ansprechen.“ Doch dann kam die Pandemie und Fort Romeau hatte nichts anderes als Zeit. „Es gab also endlich keine Ausreden mehr, um es aufzuschieben!“

Zu den Hauptinspirationsquellen des bisherigen Greenschen Schaffens gehören Bilder, und auch „Beings Of Light“ zieht daraus seine Existenz. Als der Brite an den ersten Demos für das Album arbeitete, hatte er das Werk „Power of Grace“ von Steven Arnold, einem ehemaligen Dalí-Schüler, wiederentdeckt. Eine der Kernideen, die Fort Romeau für das Album hatte, war die Frage, „wie unsere Fähigkeit, uns etwas vorzustellen und zu träumen, es uns ermöglicht, andere Wege zu gehen und in der realen Welt zu leben, die Macht der Träume und der Vorstellungskraft, um Veränderungen zu bewirken.“ Und mit der Arbeit Stevens, die eine Spannung zwischen der physischen Form und der metaphysischen Traumsymbolik beinhaltet, konnte er eine Synergie schaffen, die real und direkt ist, sich aber auch wie ein Traum anfühlt – mit Einflüssen aus House, Techno, Ambient und experimenteller Musik.

Wie die meisten DJs vermisst Fort Romeau die Gigs, die bisher in der Pandemie äußert rar gesät waren. Bis auf ein paar Termine in London in der Fabric bei Night Tales blieb da kaum etwas, auch deshalb weil er besonders vorsichtig mit Auftritten und Reisen war. Eine herausfordernde Zeit, die er vor allem deshalb überstehen könne, weil er sich auf die kleinen Dinge konzentriere, die man kontrollieren kann und sich nicht zu viele Gedanken über die größeren Probleme mache, an denen man nichts ändern kann. Der Albumprozess ist mit der Veröffentlichung abgeschlossen, der Blick ist nach vorne gerichtet auf die Dinge, die hoffentlich (bald) kommen: „Wenn sich die Dinge mit Covid hoffentlich etwas verbessern, dann würde ich dieses Jahr gerne wieder mehr spielen und reisen, denn das ist momentan wirklich ein fehlendes Puzzlestück für mich. Produzieren und DJing sind zwei Seiten derselben Medaille, und ohne beides fühlt es sich für mich unausgeglichen an. Es wird auf jeden Fall mehr Musik von mir geben und Cin Cin wird mit Musik von einigen neuen und etablierten Namen weitermachen, es gibt also eine Menge, auf das man sich freuen und konzentrieren kann.“

 

Aus dem FAZEmag 121/03.2022
Text: Tassilo Dicke