Gehört Techno ins Museum?

Der britische Kulturjournalist Simon Reynolds, der sich vor allem auf Popmusik spezialisiert hat, äußerte sich nun kontrovers zum Thema, dass elektronische Musik immer mehr nach neuen Aufführungskontexten sucht. Auf dem Online-Musikportal Pitchfork kritisierte er in seinem Text „Der Aufstieg von Concetpronica“, dass die Intention und das eigentliche Ziel der Musikentstehung und -konsumierung immer mehr einem Konzept nachjagen würde, sich in anderen Rahmen zu präsentieren. Er geht der Frage nach, warum plötzlich die elektronische Musikszene im 21. Jahrhundert das Gefühl hat, in Museen, anstatt in Clubs zu gehören.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, wann ich zum ersten Mal bemerkt habe, dass die konzeptionelle Neigung der elektronischen Musik in einen Overdrive geraten ist. Aber irgendwann in den 2010er Jahren schien es, als ob ein stetiger Strom von Pressemitteilungen in meinem Posteingang ankam, die sich wie der Text am Eingang einer Museumsausstellung lasen. Ich bemerkte auch, dass die Art und Weise, wie ich mich mit diesen Veröffentlichungen beschäftigen würde, tatsächlich einem Besuch in einem Museum oder einer Galerie glich.“ so Reynolds in seinem Conceptronica-Aufsatz auf Pitchfork.

Reynolds hat Standardwerke über Post-Punk, Glam Rock und Rave-Musik verfasst. Er ist vor allem für sein Buch „Retromania“ bekannt, hat sich aber eben auch viele Gedanken über die elektronische Musik gemacht, die an der Schwelle einer neuen problematischen Phase steht. Er nennt es das „Zeitalter der Conceptronica“. Es gehe nicht mehr allein nur um die Musik an sich und das In-sich-Gehen dabei, sondern viel mehr um das Generieren hoher Publikumszahlen, Klickzahlen und Aus-der-Masse-Stechen. Reynold sieht das Gefährliche in dieser Evententwicklung, dass Techno vordergründlich nicht mehr für sein eigentliches Paradesetting (also dem Dancefloor) produziert wird, sondern für Museen und andere audiovisuelle Zirkusstätten. Die Zeit Online veröffentlichte daraufhin einen Artikel „Früher war mehr los im Club“, in dem der Autor Daniel Gerhardt Reynolds Meinung ganz und gar nicht zustimmt. Er kritisiert Reynolds konservativen Kommentar und sieht ihn nicht den heutigen Umständen entsprechend erdacht. „Der freie Fall und die unbekümmerte Sound-Verliebtheit, die Reynolds an seinen persönlichen Rave-Erweckungen schätzte, waren nicht zuletzt Produkte vergleichsweise sicherer Zeiten und Arbeitsbedingungen“, so der Zeit-Autor.

Warum bitte lehnt der britische Musikjournalist eine Revolution in der Musikszene des 21. Jahrhunderts ab, zu der er glaubt, nicht tanzen zu können?

Hier der Link zum Zeit Online Artikel und dem Originaltext auf Pitchfork von Simon Reynolds.

 

 

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Beitragsbild: Michael Mayer – flickr.com