Interview-Special am Sonntag: Mouse On Mars

Tauron-thumbMouse On Mars sind eine der am längsten aktiven Bands im elektronischen Musikkosmos. Seit 1993 produzieren Jan St. Werner und Andi Toma ihre absolut eigenständige Definition elektronischer Klangforschung unter Zuhilfenahme von Acid, Bleeps, Clonks, Distortion, Eklektizismus, Funk, Grunge, House, Industrial, Jungle und so weiter und so fort. Ich habe mich sehr gefreut, das Köln-Düsseldorfer Duo im Rahmen des atemberaubenden Tauron Festivals in Kattowitz / Polen zu treffen.

 

Mouse On Mars @Tauron Nowa Muzyka

 

Die Atmosphäre dieses Festivals ist einmalig. Die Mischung aus industriellem Charme, historischen Gebäuden und State-Of-The-Art-Sounds muss keinen Vergleich mit anderen Festivals auf dem Planeten scheuen. Am Freitag traten unter anderem Theo Parrish, The Field, Clark, Neneh Cherry, Sonar Soul, Ben Ufo, WhoMadeWho und eben Mouse On Mars auf und am heutigen Samstag spielen Künstler wie Kode9, Terranova, Gui Boratto, Cooly G, Mooryc, Kelis oder Dixon. Die Begeisterung des hauptsächlich polnischen Publikums ist jederzeit greifbar. Sehr wenige Promotion-Stände von Sponsoren wie T-Mobile oder GoPro fügen sich harmonisch in das Festivalbild ein, der Kindergarten (Smaland auf Polnisch) gibt den Eltern Gelegenheit, zu coolen Sounds zu tanzen, während die Kids betreut werden und sogar die Getränkestände und Imbiss-Buden erinnern eher an das Ambiente eines Weihnachtsmarktes denn an ein kommerzielles Festival. Einzig das Anstehen an den Coupon-Häuschen nervt ein wenig, aber als ich dann Dank Presse-Fee Katie mein erstes Bier in der Hand halte, ist alles perfekt. Auf geht es in den Presse-Bereich, in dem Mouse On Mars gerade noch ein Interview für das polnische Fernsehen geben. Das ist dann auch beendet und auch wenn ich, wie fälschlicherweise behauptet, weder Kölsch noch Alt dabei habe, gehen wir sofort in die Vollen. In der Folge des Gesprächs ist es vor allem Jan St. Werner, der das Gespräch auf sympathische Weise an sich reißt und auch gleich beginnt.

Jan: „1992 haben wir schon angefangen, Musik zu machen, aber seit 1993 gibt es uns als Band. 1994 haben wir uns dann den Namen gegeben und unser erstes Album veröffentlicht. Trotzdem feiern wir in diesem Jahr uns 21-jähriges, weil wir nicht vom ersten Album sondern vom Start an gezählt haben.

FAZEmag: In diesen 21 Jahren hat sich eine ganze Menge getan. Nicht nur die Auswertung von Musik an sich sondern auch die Wahrnehmung von Musik, und hier im Besonderen von elektronischer Musik hat sich gewandelt. Wenn ihr jetzt auf eure bislang 21 Jahre dauernde Karriere zurückblickt, was hat euch in der Rückblende am meisten beeindruckt und vielleicht auch beeinflusst?

Jan:Als wir das erste Mal nach England gekommen sind, hat uns Jungle sehr beeindruckt. Deutschland war für uns musikalisch nicht so richtig spannend. Auch wenn zu dieser Zeit ‚Amusik‘ begann und viel Experimentelles aufkam. Gesamtpolitisch war uns Deutschland immer ein wenig zu öde.
Andi:Uniformiert.
Jan:Genau. Wenn es komisch war, musste es Ambient sein, und wenn es zum Tanzen war, dann musste es Techno sein.
Andi:Darum war es auch unmöglich für uns, in Deutschland ein Label zu finden.
Jan:Und als wir dann in England bei Too Pure unter Vertrag waren, hielten wir uns auch öfter in England auf und befanden uns fast wie in einem Rauschzustand durch diese vielen Piraten-Sender, die die ganze Zeit Jungle rausgehämmert haben.
Andi:Das hat uns schon geflasht.

FAZEmag: Wenn ihr euch in England und bei dem englischen Label Too Pure so wohl gefühlt habt, wieso gab es dann 1997 die Gründung eures eigenen Labels Soniq?

Jan:Soniq haben wir gegründet, als es mit Too Pure Schwierigkeiten gab. Primär ging es dabei um einen Film-Soundtrack, der über uns direkt laufen sollte und den das Label an sich gerissen hat. Später mussten wir dann feststellen, dass Lizenzabrechnungen überhaupt nicht gestimmt haben. In Japan hatten wir laut Label nur eine Handvoll Platten verkauft. Dann bekamen wir aber durch einen glücklichen Zufall die Original-Abrechnung aus Japan in die Hände und sahen, dass wir das Hundertfache verkauft hatten. Dann grätschte der Vertrieb von Too Pure dazwischen und half uns, unser eigenes Label auf die Beine zu stellen.
Andi:Da waren aber auch noch andere Dinge, die uns bei Too Pure gestört haben. Sie wollten zum Beispiel kein Vinyl mehr machen, was uns nicht gefiel.

FAZEmag: Wie sieht es denn mit dem Film über Mouse On Mars aus?

Jan:Den Film wird es jetzt erst einmal nicht geben. Wir wollten ihn ja durch Crowdfunding finanzieren, aber das hat nicht ganz so hingehauen bislang. Es gibt diverse Personen, die sich damit beschäftigen, und der Film wird auch kommen, aber es wird ein wenig länger dauern. Trotzdem wird dieses Jahr viel passieren. Wir haben viele Monate an unserer Special-Box zu arbeiten. Darin gibt es ein Buch über die Band mit vielen Photos, einiges an Archiv-Kram, ausgewählte Interviews, eine CD mit unveröffentlichten Sachen aus den 1990er Jahren bis in die Nuller Jahre hinein. Unser Orchester-Stück ist dabei, das wir bislang nie aufgenommen sondern immer nur live aufgeführt haben. Dann befinden sich unsere John Peel Sessions in dieser Box, die bislang auch noch nicht veröffentlicht wurden. Und zum Abschluss eine Doppel-CD mit 21 neuen Stücken. Hierbei handelt es sich um Kollaborationen mit befreundeten Sängern und Musikern, die wir über die vergangenen Jahre schätzen gelernt haben, mit denen wir aber zum Großteil bislang noch nicht zusammengearbeitet hatten.

FAZEmag: Beispiele?

Jan:Matthew Herbert ist dabei, Tortoise, Stereolab, Schlammpeitzinger, Junior Boys. Es sind poppigere Stücke und experimentellere Nummern enthalten.

FAZEmag: Was wird die Box kosten?

Andi:Die Box wird teuer, aber die Doppel-CD wird erschwinglich.
Jan:Die Box wird schon teuer sein, aber trotzdem wahrscheinlich kein Geld einspielen. Hoffentlich wird sie sich amortisieren. Mit der Doppel-CD soll das Label auch ein wenig Geld verdienen. Aber die Box brauchen wir alle. Unser Label, wir, unsere Mentoren.

FAZEmag: Und die Nachwelt.

Jan:Ja, die Nachbarn auch.

FAZEmag: Einer eurer musikalischen Nachbarn bringt in diesem Jahr nach langer Zeit auch mal wieder etwas heraus: Aphex Twin „Syro“. Habt ihr einen Bezug zu Richard D James?

Jan:Wir haben ihn einmal in Japan unterm Tisch getroffen. Mit einer Flasche Wodka. Auf der Bühne. Wir waren unter dem Tisch, um unser Equipment aufzubauen und er hat sich zu uns gesellt. Er hatte an diesem Abend eins seiner DJ-Mix-Live-Act-Dingsbums-Sets gespielt. Wir mögen seine Musik recht gerne. Aus dieser ‚Intelligent Techno‘-Blase fanden wir ihn immer am interessantesten. Luke Vibert mochten wir noch sehr gerne, aber alles andere war für uns immer der Abklatsch von irgendetwas.“

FAZEmag: Squarepusher auch?

Jan:Wir hatten immer das Gefühl, dass dieser oft nur die besten Momente von Luke Vibert kopiert und perfektioniert hat. Er macht tolles Zeugs, aber Luke Vibert war für uns der Erste, der dieses Jungle-Ding auf eine spielerisch-abstrakte Art und Weise weiter entwickelt hat.“
Andi: „Squarepusher war immer so ein Streber, der alles besser machen wollte. Ein wenig nervig. Aphex Twin ist schon entspannter.

FAZEmag: Ich bin schon gespannt, wie sein Album sein wird.

Jan:Na ja, es wird halt so sein, wie es immer so ist. Breakbeats und dann kommt ein Bruch und eine komische Aufnahme und so. Er wird sicherlich kein House-Album machen.

FAZEmag: Ich denke, da können wir uns sicher sein, ja. Ich habe im Vorfeld des Gesprächs mit euch mit ein paar britischen Kollegen gesprochen und sie meinten zu mir. German electronic music pioneers: Kraftwerk and Mouse On Mars. Ist das die Außenwahrnehmung, die euch entgegen schlägt? Vor allem im Ausland?

Jan:Manchmal denke ich, alles war wir machen ist total irrelevant. Aber dann gibt es Momenten, in denen man merkt, dass das war wir machen, Substanz haben muss (grinst). Was wir immer geil fanden war, wenn Leute aus ganz anderen musikalischen Gebieten unsere Musik mochten. Dass Leute aus der elektronischen Musik mitbekommen, dass es von uns etwas Neues gibt, ist nicht so abwegig. Genauso bekommt man mit, wenn es einen neuen Synthie gibt. Aber dass man aus diesem Zirkel hinaus lugt, ist für uns interessanter. Als wir ein Konzert in den USA gegeben hatten und Andre3000 von Outkast zu uns kam und sich als Fan geoutet hat, das hat uns schon gefreut.

Andi:Es erschreckt mich oft, wenn ich mit jemanden spreche und er mir dann sagt: ‚I’ve been listening to your music since 20 years.‘ Dann denke ich mir, was ist die Zeit schnell vergangen.

Vielleicht freut es die Band noch, wenn ich erwähne, dass der Auftritt der beiden ein Erlebnis mit den tiefsten Bässen der Musikgeschichte gewesen ist.

Gubis eher nicht so dolle DJ-Karikaturen: Mouse On Mars
Mouse On Mars sind wieder 21

www.mouseonmars.com

Autor: Sven Schäfer