Jo Beyer – Im Film

Jo Beyer ist ein echter Tausendsassa. Der in Köln lebende Schlagzeuger, Producer und Komponist ist nicht nur Gründer des Quartetts JO und Mitglied der Band Malstrom, sondern seit Kurzem auch als Solokünstler in Form seines Projekts Mic In The Face Is Not On Purpose tätig, dessen Katalog er nun mit einem gleichnamigen Album eröffnet. Auf der LP kombiniert Beyer, der an der Hochschule Osnabrück sowie an der Royal Academy of Music in Aarhus studierte, seine Begeisterung für das akustische Live-Schlagzeug mit elektronischer Tanzmusik und präsentiert eine stimmige, nuancenreiche Platte abseits des üblichen Four-To-The-Floor-Beats. Woher Beyer seine Inspirationen nimmt und welche Rolle Filmmusik einnimmt, erklärte er uns in einem Gespräch.

Noch bis vor wenigen Jahren hat sich Beyer ausschließlich für Jazz interessiert. „Irgendwann gab es diesen Moment, wo ich merkte, dass mein Interesse viel weiter geht. Ich glaube, einer der Auslöser war ein Konzert von Akua Naru in Köln, das mich unglaublich geflasht hat und nach dem ich plötzlich ein großes Bedürfnis verspürt habe, neben Jazz zusätzlich wieder Musik mit eingängigeren Grooves und großen Bassdrums zu machen, die die Leute zum Tanzen bringt“, so Beyer. Es folgten Jahre des Jammens und des Experimentierens sowie Versuche, Bands zu organisieren, die Electro und Schlagzeug kombinieren. Da es jedoch nur bei Versuchen blieb, entschied er, sein Bedürfnis nach einem Electro-Projekt auf eigene Faust zu realisieren, und begann, Producing, Recording und Schlagzeugspielen im elektronischen Kontext miteinander zu verbinden. „Eigentlich wollte ich erstmal ganz entspannt anfangen und eine kleine EP mit drei, vier Demo-Songs veröffentlichen. Nach einem Jahr hatte ich aber schon enorm viel Material angesammelt und das Gefühl, dass das Projekt richtig toll wird. Plötzlich hatte ich den Drang, ein richtiges Album zu machen“, resümiert er.

Hervorgebracht hat diese Episode des kreativen Sturm und Drangs nun das Album „Mic In The Face Is Not On Purpose“, dessen Titel auf ein kleines Malheur des Musikers zurückgeht: „Beim ersten Try-out-Video, das ich vor Jahren mal bei YouTube hochgeladen habe, hat ein Overhead-Mikro versehentlich mein Gesicht verdeckt – daher der Titel.“ Im Innenleben der LP steckt derweil eine bunte Melange aus synthetischen und organischen Klängen, die Beyer zu einer homogenen Einheit formt. „Ich finde es interessant, verschiedene Ebenen miteinander zu kombinieren: Sequenzer und Synthesizer, wo alles mathematisch quantisiert ist, kombiniert mit lebendigen Drums aus echtem Holz“, schwärmt er. Der Sound von „Mic In The Face Is Not On Purpose“ weist nicht nur einen Clubbing-Charakter auf, sondern auch eine stark von der Kinolandschaft geprägte Komponente. Inspiration hat Beyer hier insbesondere durch die Musik von Nils Frahm erhalten, als ein Freund ihm das Album „Felt“ zeigte: „Eine Zeit lang habe ich es jeden Tag rauf und runter gehört. Ich kann gar nicht genau beschreiben, was mich an dieser Musik so fasziniert – es hat wohl etwas damit zu tun, dass es gewisse Filmmusik-Elemente gibt, die mich in eine ganz bestimmte Stimmung versetzen. Erst viel später habe ich erfahren, dass Nils Frahm auch den Score für den Film ‚Victoria‘ gemacht hat und da ist mir so einiges klar geworden. Von da an habe ich beim Schauen von Filmen und Serien immer öfter auf die Musik geachtet und gemerkt, dass es ein Bereich ist, das mich sehr interessiert.“

Episch-cineastische Atmosphären, elektronische Club-Beats, akustische Live-Drums und gesampelte Spoken Words: Mit „Mic In The Face Is Not On Purpose“ fügt Jo Beyer seine zahlreichen Einflüsse mosaikartig zu einem stimmigen Musikerlebnis zusammen, das zum bewussten Zuhören, aber auch zum Fallenlassen und Laufenlassen einlädt. Zu sehen ist die Live-Performance des Albums erstmals am 3. November in Köln. In Zukunft sind weitere Partys und Eventreihen geplant.

„Mic In The Face Is Not On Purpose“ erscheint am 3. November via Farbton Records.

Aus dem FAZEmag 141/11.2023
www.jobeyer.com
Text: M.T.