Juliet Fox – Art & Sound

 

Im australischen Adelaide geboren und nun in Berlin residierend, entwickelte sich Juliet Fox in den vergangenen Monaten zu den Shootingstars im Techno. Und das auf recht rasante Art und Weise. Sie veröffentlichte Platten auf Labels wie Drumcode, Filth On Acid oder Kraftek, tourte mehrfach um den gesamten Erdball, um sowohl Festivals als auch Clubs als Headliner zu füllen – und als dies Pandemie-bedingt nicht möglich war, lieferte sie mehrfach Livestreams im World Wide Web ab. Kurz vor Jahresende präsentierte sie mit TREGAMBE ihr eigenes Label, bei dem sie nicht nur für Katalognummer 001 mit dem Titel „Time Doesn’t Exist“ verantwortlich zeichnet, sondern fortan auch für jedes Artwork. Der Name steht dabei für ihren richtigen Familiennamen, dessen Wurzeln nach Italien reichen. Auf dem Brand möchte Juliet ihrer Passion für visuelle Kunst und Sound nachgehen und beide Welten fusionieren.

 

Juliet, Glückwunsch zu deinem Label. Wie geht es dir?

Dankeschön, ich fühle mich superenergiegeladen, wenn ich an das neue Jahr denke – es fühlt sich gut an, 2020 hinter sich gelassen zu haben. Und obwohl die Dinge immer noch nicht wieder normal sind, habe ich die Zeit zum Nachdenken genossen, die das letzte Jahr gebracht hat. Am Anfang fühlte ich mich, wie wohl alle, ein wenig verloren und wusste nicht so recht, wie es weitergeht. Aber mit der Zeit fand ich meinen Weg und arbeitete hart an der Entwicklung von TREGAMBE und meiner ersten Veröffentlichung für das Label. Glücklicherweise habe ich seit April mein eigenes Studio in Berlin, so dass ich dankbar bin, diesen kreativen Space gehabt zu haben, von dem aus sich alles entwickelte.

Lass uns von vorne beginnen, wie war dein Weg bislang?

Geboren und aufgewachsen bin ich in Adelaide, Australien, dabei habe ich aber italienische sowie englische Wurzeln. Ich verließ Australien vor etwa zehn Jahren, um den Rest der Welt und die Musikszene außerhalb der großen Insel zu erkunden. Also machte ich mich auf den Weg nach Großbritannien und Europa, wo ich schon immer leben und Erfahrungen sammeln wollte. Als ich mich zunächst in London niederließ, wuchs meine Leidenschaft für die Musik und ich bekam mehrere Möglichkeiten, mich in der Szene zu involvieren. Vor fünf Jahren entschied ich mich, mich voll und ganz auf die Musik zu konzentrieren und bin dann nach Berlin gezogen. Hier hatte ich das Gefühl, dass ich quasi von neu anfangen und meinen Sound von der Pike auf entwickeln konnte.

Welche Ziele hast du dabei konkret verfolgt?

Ich wusste, wo ich hinwollte, also habe ich so hart wie möglich gearbeitet, um dorthin zu kommen. In den letzten drei Jahren war ich in der Lage, meine Kreativität voll und ganz in die Künstlerin „Juliet Fox“ zu stecken. Ich habe Platten veröffentlicht bei Drumcode, Filth On Acid und Kraftek und spielte unzählige Shows und Touren auf der ganzen Welt. Es war total skurril teilweise, wie schnell alles ging! Im Herzen bin ich eine Raverin und mein Lieblingsplatz war schon immer die Tanzfläche, seitdem ich ein junger Teenager war. Aufgrund dessen war irgendwie schon lange klar, wohin die Reise gehen soll und was ich der Welt dort draußen präsentieren möchte.

Was hat dich in dieser Zeit am meisten beeinflusst?

Die Techno-Szene ist eine der vielfältigsten und interessantesten Szenen überhaupt – es ist schwer, sich nicht von all dem inspirieren zu lassen, was man dort sieht oder von den Errungenschaften so vieler spannender Akteure. Ich habe glücklicherweise einige erstaunliche Beziehungen innerhalb der Musikindustrie geknüpft und dadurch auch eine Menge gelernt. Ich bin dankbar für die Promoter, die Labels und jeden, der mir auf meinem Weg bisher geholfen hat, mich zu der Person zu entwickeln, die ich heute bin. Ich würde jedoch sagen, mein größter Einfluss sind meine Fans und die Leute, die sich die Zeit nehmen, mit mir zu interagieren. Zu sehen, wie meine Tracks die Leute dazu bringen, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu fühlen oder zu verhalten, ist wohl die größte Inspiration, die ich brauche. Das Feedback beeinflusst meine Musik sehr.

Wie würdest du die Unterschiede zwischen Adelaide und Berlin beschreiben?

Adelaide ist meine Heimatstadt, meine Familie lebt immer noch dort und viele meiner Freunde aus der Kindheit. In Melbourne lebt die Familie meines Vaters. Es ist wirklich eine wunderschöne Gegend und ich vermisse sie jeden Tag – das wird sich wohl auch nie ändern. Aber ich habe auch das Glück, Berlin mein Zuhause nennen zu können. Es ist eine erstaunliche Stadt, die jeden mit offenen Armen aufnimmt. Es gibt hier weder Vorurteile noch irgendwelche Barrieren, es ist so etwas wie ein Künstlerparadies mit Inspiration an jeder Ecke. Als Heimat des Techno in Europa, wenn nicht sogar der Welt, gibt es so viele Dinge, die mich hier beeinflussen. Sei es musikalisch, spirituell und auch mental. Es ist sehr schwer, die beiden Orte zu vergleichen, beide haben einen großen Platz in meinem Herzen.

Das letzte Jahr war hart, besonders für den Musik- und Kunstsektor. Wie hast du 2020 erlebt, sowohl beruflich als auch privat?

2020 hat eigentlich großartig angefangen. Ich habe das Jahr in Oslo gestartet, bevor ich nach Las Vegas geflogen bin, um dort an Neujahr zu spielen, gefolgt von einem Festival in Kolumbien. Als ich kurz darauf nach Europa zurückkehrte, hatte ich noch ein paar weitere Shows, ehe es zu über zehn Dates nach Australien, Neuseeland, Indonesien und auf den Philippinen ging. Die Tour endete Mitte März und ich kehrte über London zurück, wo ich mitten in den Lockdown geraten bin. Über Nacht war das restliche Jahr quasi ausgelöscht. Es hat ganz schön lange gedauert, das zu verarbeiten. Besonders, weil zu diesem Zeitpunkt keiner so richtig einschätzen konnte, was da gerade passiert bzw. wie lange das ganze Thema andauert. Also blieb mir nichts anderes übrig, als einen ganzen Monat in London zu verbringen, ehe es möglich war, zurück nach Berlin zu kommen. Hier habe ich dann eine Routine aufgebaut, um trotz allem produktiv zu bleiben – Sport treiben, gut essen, für mich bislang unentdeckte Seiten von Berlin genießen und viel mehr mit meiner Familie und meinen Freunden telefonieren. All das führte schließlich dazu, dass mein kreativer Funke zurückkehrte und mein Atelier zu meinem absoluten Rückzugsort wurde. Von hier aus habe ich das Label gegründet, zwei Tracks produziert, auf die ich unglaublich stolz bin, und noch einige weitere Tracks für das neue Jahr vorbereitet.

Erzähl uns von der Idee hinter TREGAMBE.

Während des Lockdowns fühlte ich mich ein wenig abgekoppelt von einigen Labels, auf denen ich zuvor veröffentlicht hatte. Abgekoppelt vom Leben im Allgemeinen irgendwie. Es war mehr eine Erkenntnis. Mein eigenes Label zu gründen, war etwas, das ich schon seit einiger Zeit machen wollte. Ich hatte Lust darauf, mein eigenes Brand zu kreieren und zu entwickeln. Auch hatte ich das Gefühl, dass meine Musik plötzlich nicht so wirklich irgendwo hinpasste zu 100 Prozent. Also habe ich die Idee in die Tat umgesetzt und das Label mit meinem richtigen Familiennamen versehen. Dort habe ich die Möglichkeit, meinen quirky Signature-Sound zu veröffentlichen und mit meiner visuellen Kunst zu verbinden.

… du bist nämlich auch als Künstlerin tätig, korrekt?

Ja, genau. Kunst hat schon immer eine große Rolle für mich gespielt. Ohne die Schönheit in Sound und Anblick bin ich mir wirklich nicht sicher, ob irgendetwas anderes den Rest unserer Sinne verbinden könnte. Kreativ sein in allen Aspekten, ist Kunst, es ist eine Verbindung zu unserer Seele. Ich habe mich schon von klein auf für Musik und Visual Arts begeistert. Mit der Zeit habe ich aber die Connection zwischen beiden Welten verloren. Vor ein paar Jahren dann habe ich nach langer Zeit wieder angefangen zu malen. Die Art und Weise, wie ich mich auf einer Leinwand ausdrücken konnte, war dieselbe wie in einem Track. Musik zu hören, während ich malte, empfand ich als so einen enormen Einfluss, dass ich das unbedingt fortführen wollte. Bei jeder meiner Veröffentlichungen male ich also das Artwork, während ich die Tracks dazu höre. Im Falle meiner ersten Veröffentlichung verlief es allerdings genau anders herum. Ich habe die Tracks inspiriert von dem Gemälde gemacht, das ich bereits fertig hatte.

Die erste Katalognummer deines Labels – „Time Doesn’t Exist“ – ist eine Art Hommage an die Welt des Stillstandes, aber auch an Südamerika.

Ich war im November 2019 in den USA auf Tour und bin dann nach Südamerika gereist, wo ich eine Tour in Argentinien und Uruguay gespielt habe. In Argentinien habe ich eine Menge Geräusche aus der Natur sowie einheimische Gesänge aufgenommen, die ich in meinem Track „Beyond Physicality“ verwendet habe, da ich versuchen wollte, das Gefühl und die Erfahrung, die ich in Südamerika erlebt hatte, einzufangen und wiederzugeben.

Du bist auch sehr im Thema Nachhaltigkeit aktiv. Was denkst du, wie können wir dieses Thema innerhalb der Szene fördern?

Der erste Schritt ist in meinen Augen Bildung. Ich glaube, eben diese ist entscheidend für den Erfolg, Nachhaltigkeit auch innerhalb unserer Szene zu schaffen. Wir haben eine echte Chance, unsere eigenen Plattformen sowie viele der Marken und Veranstaltungen, an denen wir teilnehmen, dafür zu nutzen. Gemeinsam haben wir die Macht, große Veränderungen herbeizuführen. Aber auch unsere individuellen Handlungen, also das, was wir sagen und tun, egal wie klein, haben einen Einfluss. Das Thema sollten wir, so gut es geht, verfolgen – besser heute als morgen.

Sowohl Fitness als auch mentale Gesundheit sind für dich wichtige Parameter.

Ich habe immer versucht, ein gutes Gleichgewicht zwischen den meisten Aspekten des Lebens zu halten. Besonders wenn es um die Arbeit in der Musikindustrie geht, wo es eine ziemliche Herausforderung sein kann – mit nächtlichen Gigs, den ganzen Touren und so weiter – gesund zu bleiben. Aber auch in den letzten Monaten des Lockdowns – ohne einen geregelten Alltag – war es besonders herausfordernd, in einer gewissen Routine zu bleiben. Anstatt nur spätabends ins Studio zu gehen, habe ich versucht, an den meisten Tagen früh aufzustehen und mit irgendeiner Form von Bewegung zu beginnen, wie z.B. einem Lauf, einem Spaziergang, Yoga, Meditation oder aber einfach nur in der Stille irgendwo in der Natur zu sein. Beginnt man den Tag auf diese Weise und hat zeitgleich einen Angriffsplan, erreicht man definitiv viele, wenn nicht sogar alle gesteckten Ziele (lacht).

Wie sieht dein Angriffsplan für 2021 aus, sowohl privat als natürlich auch beruflich?

Ich freue mich wahnsinnig auf das Arbeiten am Label und darauf, visuelle Kunst und Klangfrequenzen zu erforschen. Ich habe darüber hinaus noch ein sehr spannendes Projekt, an dem ich aktuell arbeite. Sobald das Konzept steht, werde ich es sofort in die Welt hinausschreien. In diesen Zeiten geht es in meinen Augen darum, zu lernen und sich anzupassen, und im Rahmen der Umstände, so gut es geht, zu wachsen. Ich werde in der nahen Zukunft in Berlin bleiben, mich geistig stark und gesund halten und in meinem Studio arbeiten, um so viel wie möglich zu entwickeln und zu produzieren und alles, was in diesem neuen Jahr auf uns zukommt, mit einem frischen Ansatz zu begrüßen. Euch allen ein frohes neues Jahr!

 

Aus dem FAZEmag 107/01.2021
Text: Triple P
Foto: Sherif Tarhini
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