Kasbo hat sich mit seinem emotionalen, transformativen Sound einen festen Platz in der elektronischen Musikszene erobert. Am 7. Juni erscheint sein neuestes Album „The Learning of Urgency“, mit dem er diesen Status sicherlich untermauern wird. Die Isolation der letzten Jahre verwandelte sich für ihn in eine Phase der Neugier und Selbstreflexion, in der sich Kasbo intensiv der Musik widmete. Mit fast 500 Millionen Streams und Auszeichnungen wie dem P3 Gold Award als „Dance Artist of the Year“ hat Carl Garsbo, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, weltweit Anerkennung erlangt. Seine einzigartige Mischung aus euphorischer Clubmusik und hypnotischem Trip-Hop berührt seine Fans tief und macht ihn zu einem wegweisenden Künstler.
Das neueste Werk ist dabei stark von dem Gefühl inspiriert, im Wasser zu versinken: „Ich glaube, ich brauche immer einen Rahmen, um Musik zu machen, eine Szene, die ich mir vorstellen kann und die mir hilft, Musik zu steuern. Unter Wasser gibt es dieses interessante Nebeneinander von Stille und Intensität. Die Welt schwebt und bewegt sich langsam, aber es hat auch etwas Intensives, im Unbekannten zu sein und nicht atmen zu können. Ich glaube, dieses Gefühl hat die Musik unbewusst beeinflusst. Die beiden wichtigsten musikalischen Einflüsse waren für mich Ambient- und House-Musik, die in gewisser Weise mit der Welt unter Wasser zu tun haben.“
Durch akuten Druck erlitt Kasbo in den letzten Jahren einen stressbedingten Hörverlust – eine ebenfalls intensive Zeit für ihn: „Ich denke, dieser Umstand hat mich gelehrt, zu akzeptieren, dass es manchmal so ist, wie es ist. Es macht keinen Sinn, sich über Dinge aufzuregen, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen. Das hatte man mir natürlich schon vorher gesagt, aber ich habe es nie wirklich verstanden, bis ich erkannte, dass ich meinen schwankenden Hörverlust nur durch die Akzeptanz seiner Folgen loswerden konnte. Seitdem versuche ich, meine mentale Gesundheit in den Vordergrund zu stellen. Wenn wir im Leben nicht glücklich sind, verpassen wir den Sinn des Ganzen: Leistung und Erfolg bedeuten nichts, wenn du nicht glücklich bist. Und oft kann der Druck, sein eigenes Potenzial ausschöpfen zu müssen, diese Unzufriedenheit verursachen. Das wurde dann praktisch zum Thema des Albums.“
Inmitten der Corona-Pandemie hatte er laut eigener Aussage einige der experimentellsten Songs seiner Karriere produziert: „Es hat sehr viel Spaß gemacht, in dieser Zeit Musik zu machen. Ich habe mich in dem Studio, in dem ich damals arbeitete, in ein großes Kaninchenloch aus Sounddesign und der Aufnahme von seltsamen Instrumenten gestürzt. Das hat auch meinen Geschmack stark beeinflusst. Kurz bevor alles geschlossen wurde, ging ich direkt in den nächsten Musikladen und kaufte mir ein Paar CDJs. Ich wusste vorher nicht, wie man auflegt, aber als ich lernte, damit umzugehen und anfing, viel Clubmusik zu hören, wurden wiederum meine kommende Musik und mein Album beeinflusst. Ich lud meinen besten Freund in meine Wohnung ein, und wir spielten stundenlang Musik. Da wir beide so neu darin waren, hatten wir unendlich viel Spaß und waren euphorisch, wenn wir einen Übergang schafften. Ich glaube, diese Nächte halfen uns, alles zu vergessen, was draußen vor sich ging. Ich glaube, ich bekam unbewusst immer mehr Lust, Musik zu machen, die in diesem Format funktioniert, denn obwohl sie sehr chillig und sehr von Ambient inspiriert ist, gibt es doch immer einen House-Beat im Hintergrund.“
Der Titel des Albums, „The Learning of Urgency“, deutet auf eine Reise der Selbstentdeckung und des persönlichen Wachstums hin: „Für mich ist es meine Methode, langsamer und bedachter zu werden. Die Welt bewegt sich heutzutage in einem so schnellen Tempo, und man verfängt sich leicht in dem ständigen Wunsch, immer mehr zu tun. Es ist, als würde man ständig unter seinem eigenen Potenzial leben, nach dem Motto ,Wenn ich nur härter arbeiten würde, könnte ich das schaffen und glücklich sein‘. Ich war schon immer ein Fan des ,kleinen Lebens‘, also nicht unbedingt nach den Sternen zu greifen und mit dem zufrieden zu sein, was man hat, oder sein Glück in kleinen Dingen zu finden. Es gibt ein Gedicht von Donna Ashworth mit dem Titel ,Joy comes back‘, das diesen Gedanken auf sehr schöne Weise zum Ausdruck bringt. Das Album wurde sozusagen mein Werkzeug, um diesen Ort zu erreichen. Anstatt Musik zu machen, um erfolgreich zu sein, habe ich etwas geschaffen, das mich in dem Moment begeistert hat, auch wenn es manchmal ein bisschen konventionell sein könnte. Aber ich habe das Gefühl, dass es ok ist, etwas für sich selbst zu machen, auch wenn es manchmal nicht den Kriterien entspricht, nach denen die Leute konsumieren wollen. Ich denke, dass sich dieses Album auch klanglich viel mehr Zeit nimmt als meine vorherige Musik, ich lasse Momente atmen und nehme ein paar weitere Wendungen. Ich hoffe, dass diese Freiräume und Pausen die Hörerinnen und Hörer dazu bringen, ebenfalls zu entschleunigen.“
Nachdem er sein letztes Album veröffentlicht hatte, hat Kasbo fast zwei Jahre lang mit der Frage gerungen, wie er seine Musik weiterentwickeln könnte. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass der gemeinsame Nenner all seiner Musik immer das Gefühl des Reisens oder des Abenteuers und des Glücks war, neue, beeindruckende Orte zu sehen: „Ich hatte das Gefühl, dass, solange ich dieses Gefühl beibehalte, es sich nach mir anhört.“
Aus dem FAZEmag 148/06.2024
Text: Triple P
Foto: Olof Grind
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