Komfortrauschen – Live ist Life

Credit: Caren Pauli

Die gefeierte Live-Techno-Band Komfortrauschen – das sind Laurenz Karsten, Phillip Oertel und Tim Sarhan – setzt auf einen kompromisslosen Sound, der treibende Drums mit knallharten Basslines und feurigen Gitarren-Riffs kombiniert. Die seit 2014 existierende Gruppierung spielt regelmäßig in angesehenen Berliner Kult-Venues, wie dem Sisyphos, der Kantine am Berghain und dem Kater Blau, sowie in Europa und der gesamten Welt. Dass die Jungs bereit für die ganz große Bühne sind, stellen sie jetzt mit ihrem dynamischen Debütalbum „K“ unter Beweis, das ihr eindrucksvolles Verständnis von instrumenteller und analoger elektronischer Musik zu einem herausragenden Langspieler formt. Wir durften in den lebendigen Kosmos des Berliner Dreiergespanns eintauchen und haben mit Laurenz Karsten über die Komfortrauschen-Philosophie und „K“ gesprochen.

Moin, Männer. Wie sieht die Lage derzeit bei euch aus? Ihr habt hoffentlich die Corona-Schockstarre verlassen und seid mit Frühlingsgefühlen (Frühlingsrollen wären auch nicht schlecht) im Gepäck in Richtung Sommer unterwegs? Was waren eure ersten Highlights nach den Lockerungen?

Haha, wir haben auf Tour oft Eier im Gepäck, die kann man easy vom Hotelbuffet einsacken und sie bereiten viel Freude im Tourbus. Aber im Ernst, uns geht es sehr gut: Wir haben gleich im März ein paar coole Wochenenden gehabt und die Konzerte in München und Bayreuth waren sogar ausverkauft. Das war ein megacooler Start in die Saison und im Sisyphos bzw. in Barcelona ging es direkt nahtlos weiter. Wir freuen uns sehr auf den Sommer, es stehen einige großartige Festivalbookings an.

Corona ist schon längst nicht mehr in aller Munde und dennoch bietet es sich an, darüber zu sprechen. Wie habt ihr die Pandemie erlebt? Eher durchweg lähmend, oder konnte zumindest eure künstlerische Aktivität profitieren? Das Album ist ja sicher zu einem (großen) Teil auch während des Lockdowns entstanden, oder?

Am Anfang war es schon krass. Wir hatten einige Dates im Ausland und natürlich wurde das alles abgesagt. Es fühlte sich dadurch erstmal wie ein Schritt zurück an: In den nächsten vier Monaten kein einziger Gig? Hatten wir Ewigkeiten nicht, dann wurde es plötzlich Alltag. Aber wir konnten uns zum Glück schnell anpassen und haben viele Streamings gespielt. Das ist zwar etwas völlig anderes als Livekonzerte, aber dadurch konnten wir aktiv bleiben und weiterhin zusammen an einem Strang ziehen. Ab dem Herbst 2020 hatten wir dann genügend Ideen und Skizzen zusammen, um wirklich in Richtung Album gehen zu können, und da war es dann natürlich richtig geil, sich im Studio ausbreiten zu können und nicht ständig am Live-Setup arbeiten zu müssen oder sich permanent die Frage zu stellen: „Geht das live? Wie setzen wir das auf der Bühne um?“ Da hat uns die Live-Pause tatsächlich geholfen, kreativ zu sein.

Erzählt uns ein bisschen etwas über eure Historie. Was waren die Anfänge von Komfortrauschen? Woher kennt ihr euch und wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Den Namen haben wir beim Blättern in einem „Conrad Elektronik“-Katalog gefunden: Wir wollten einen technisch klingenden deutschen Namen.

Wir haben uns alle als Musikstudenten kennengelernt und hatten dieselbe Idee, professionelle Musiker werden zu wollen. Da wir gerne in Technoclubs gegangen sind, stand irgendwann der Plan im Raum, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Wir sind alle keine DJs und hatten damals keinen Plan von Drumcomputern oder Synths. Daher haben wir es einfach an unseren Instrumenten ausprobiert. Das klang ganz am Anfang wahrscheinlich noch recht krautig, aber die Vision war von Anfang an da. Und das hypnotische Gefühl entstand auch total schnell. Egal, mit welchen Instrumenten man spielt, wenn man die Motive permanent wiederholt, passiert irgendetwas Besonderes.

Ihr beschreibt euch selbst als „drei von Präzision besessene Kontrollfreaks“. Klar, das ist natürlich primär auf eure Liebe zur Musik bezogen, aber kann das nicht trotzdem manchmal zu Differenzen führen? Wie geht ihr dann mit solchen Situationen um?

Bisher gab es in dieser Hinsicht noch keine Probleme. Wie ihr schon sagtet, das bezieht sich ausschließlich auf die Liebe zur Musik. Wenn ein Bassist zu einem Gitarristen sagt: „Bei deinen resonanteren Sounds ist mir bei 80 Hertz noch zu viel los, kannst du die Frequenzen rausfiltern, wenn du die Resonanz aufdrehst?“ kann man das schon so bezeichnen. In einer „normalen“ Band würde der Gitarrist wahrscheinlich einfach nicht wissen, wovon der Bassist da redet (lacht).

Die Tatsache, dass wir Gitarren, Bässe und Drums sozusagen zweckentfremden, ist natürlich nur möglich, indem wir das Klangverhalten kontrollieren und verändern. Es ist also auch Teil des Jobs, ein Kontrollfreak zu sein.

Live wollen wir unser Bestes geben und da müssen dementsprechend bestimmte Anforderungen erfüllt werden, das ist klar. Wenn irgendetwas dann doch mal nicht passt, versuchen wir aber, den Kontrollfreak in uns zu bändigen und uns anzupassen.

Wie sieht die allgemeine Rollenverteilung beim Musizieren bei euch aus?

Wir arbeiten als Band. Die meisten Ideen, die wir in fertige Tracks verwandeln, entstehen aus Jams, in denen wir uns zu gleichen Teilen kreativ einbringen. Da gibt es also keine Rollenverteilung, da alle eine gleich wichtige Rolle spielen.

Kommen wir zum Musikalischen. Eure Musik setzt auf hedonistischen analogen Live-Techno mit traditionellen Instrumenten und Pedals/Effekten. Was gehört alles zu eurem Gear? Sind die einzelnen Komponenten nach und nach dazu gekommen oder hattet ihr schon zu Beginn eine klare Vision von eurem Sound?

Unser Setup besteht auf den ersten Blick zunächst aus Drumset, E-Gitarre und E-Bass. Dazu kommen aber viele weitere Komponenten, die man nicht unmittelbar wahrnimmt: ein Drum-Trigger, mit dem wir zum Beispiel die Kickdrum-Samples auslösen, wenn Tim auf die Kickdrum tritt. Außerdem ein Roland Samplepad für alle weiteren Samples. Die Pedalboards lassen das Signal von Gitarre und Bass dann wie Synthesizer klingen. Damit alles funktioniert und wir ein Click im Ohr hören, gibt es aber noch einen extrem wichtigen Baustein: den Octatrack von Elektron. Das ist quasi das Hirn, das alle Time-basierten Effekte und auch die Sequencer, mit denen wir unsere Sounds bearbeiten, mit dem Click synchronisiert.

Wir haben dieses Setup über die Jahre kontinuierlich geändert und angepasst. Früher hatten wir Unmengen an Pedals, das war allerdings eher suboptimal und zu komplex für all die Shows, zu denen wir fliegen mussten. Daher haben wir uns immer wieder damit auseinandergesetzt, unsere Setups smarter und leichter zu gestalten.

Habt ihr für „K“ neue Sachen ausprobiert oder auf Altbewährtes gesetzt?

Wir haben viele neue Dinge ausprobiert. Zusammen mit Leonard De Leonard, der mit uns die Aufnahmen gemixt hat, haben wir zum Beispiel die Guitar-Acid-Line von „Reload“ nochmal durch sein Modularsystem gejagt, um es krasser klingen zu lassen. Fast jeder Track enthält Dubs, die wir durch sein Vintage-Space-Echo geschickt haben, um den Klangcharakter dreckiger und energetischer zu formen. Auch inhaltlich haben wir uns zum Beispiel mit „Kapital“ etwas Neues getraut: Es ist der erste Track von uns, der auch einen Breakbeat-Part enthält.

Hat das Album eine Art Herzstück oder einen Höhepunkt? Sind die Tracks strukturell angeordnet? Falls ja, welchen Ansatz habt ihr hierfür gewählt?

Wir haben die Tracks so angeordnet, dass jede Seite der Platte einen guten Flow hat. Wir fangen jede Seite mit einem housy Track an, ehe es dann nach und nach mehr zur Sache geht. „Reload“ ist definitiv ein Höhepunkt für uns, wir sind stolz darauf, wie brachial es am Ende geworden ist.

Ihr kommt aus Berlin und geht auch privat gerne zu Techno feiern. In welchen Clubs treibt ihr euch dort vornehmlich rum und wie erlebt ihr den subkulturellen Wandel der Stadt?

Wir feiern gern im Sisyphos. Wir mögen den Club, weil er ehrlich ist und trotzdem viel zulässt. Man kann in bunten Klamotten draußen House hören und ein paar Meter weiter geht es in der legendären Hammahalle dunkel und hart zu. Ein sehr schönes Kontrastprogramm.

Toll ist, dass in Berlin neuerdings mehr draußen los ist. An dieser Stelle haben die Corona-Förderungen tatsächlich mal Wirkung gezeigt. Damit werden natürlich die Clubschließungen nicht kompensiert, aber es gibt neue Möglichkeiten. Ein geiler temporärer Club war zum Beispiel das Cura. Die Crew wird auch weiterhin Outdoor- und Indoor-Events kuratieren.

Dieses Jahr habt ihr unter anderem schon in Berlin, München und Barcelona gespielt. Wie sieht euer Terminkalender für den Sommer aus? Arbeitet ihr parallel schon an neuen Projekten oder gilt es jetzt erst einmal, das Album sacken bzw. wirken zu lassen?

Der Terminkalender füllt sich stetig. Es gibt bis Ende August kaum noch freie Wochenenden und wir arbeiten daher im Moment daran, die Live-Show und Performance noch fetter zu machen.

Wir haben nach dem Album-Release noch ein Single-Release bei Second State und im Spätsommer kommt auch schon wieder eine neue EP. Außerdem haben wir ein paar Tracks mit befreundeten DJs aufgenommen, die auch noch raus müssen. Es ist also einiges in der Pipeline.

„K“ ist am 27. Mai via Springstoff auf Vinyl und in digitaler Fassung erschienen.

Aus dem FAZEmag 124/06.2022
Text: Hugo Slawien
Foto: Caren Pauli
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