Novys Welt – Der Musikwunsch ist schuld!

Eigentlich wollte ich mich ja als Autor und Kolumnist zur Ruhe setzen. Zu viel Hass im Netz. Aber was soll man machen, die Umstände zwingen mich wieder an die Tastatur und heute wird abgerechnet.

Bereits seit einer ganzen Weile habe ich das Gefühl, die Musik leide an einer Krankheit. Es geht ihr schlecht. Sie wird ersetzt von Bildern und Videos, von Algorithmen und von Ignoranz. Immer öfter kommen Gäste auf Partys oder in Clubs zu mir und halten mir ihr Handy ins Gesicht, begleitet von einem Musikwunsch. Manche sind ganz okay, aber es sind auch völlig unterirdische dabei. Britney Spears auf einer House-Party? Come on, was läuft bei dir falsch? Das Schlimme ist: Der Gast wird fordernd. Neulich meinten zwei Girls ernsthaft, mit mir diskutieren zu müssen, wieso ich ihr Lied nicht spiele. Sie würden doch auch eine Story machen, posten und mich verlinken. Auf meine Frage, ob sie die bekannten „Wünschluencer“ seien, eskalierte es dann mit wilden Drohungen. Sie würden mir eine schlechte Google-Bewertung verpassen. Wirklich hart. Gleichzeitig erklären mir Situationen wie diese aber auch das rätselhafte Verhalten vieler Kollegen in jüngster Zeit: Marco Carola spielt Shapeshifters „Lolas Theme“, Keinemusik lässt Jenifer Lopez’ „Waiting For Tonight“ ertönen, Black Coffee gibt „Billie Jean“ zum Besten und Mind Against spielt Daft Punks Hit „Get Lucky“. Hier haben offenbar die Drohungen und Erpressungen der Mädels Wirkung gezeigt. Der Druck, der hier auf manchen lastet, muss immens sein. David Guetta, unser Trendsetter Nummer eins, machte unlängst sogar eigene Versionen von Eiffel-65-Tracks und Haddaways „What Is Love“. Er dachte sich wohl, dass man aus den schlechten Musikwünschen doch noch irgendetwas Brauchbares zaubern könne.

Naja, was soll’s? Musikwünscher*innen sind der Endgegner, und in Zeiten wie diesen, wo jeder ums Überleben im Netz kämpft und um Likes, Posts und Follower*innen bettelt, herrscht eben Krieg da draußen.  Wir DJs sind dieser militanten Spezies mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Wahrscheinlich wäre es das Beste, sich widerstandlos unterzuordnen. Zu viele schlechte Bewertungen könnten schließlich das Aus für die Karriere bedeuten.

Die Musik kränkelt. Es wird trivial und stumpfsinnig. Die 90er-Sau wird aktuell ein weiteres Mal durchs Dorf getrieben. Die Retro-Welle ist auf ihrem Höhepunkt und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis „Coachella – The Greatest Hits“ kommt.
Am Ende ist es letztlich wieder ein Ego-Problem, warum es der Musik so schlecht geht. Jeder denkt, er sei heute ein „Wünschluencer“ – der Tschabo mit dem ultimativen Musikgeschmack. Seine Playlist und sonst keine. Wie könnt ihr glauben, dass es hilfreich ist, mit euren Handys in den Club zu gehen und dem DJ eure Playlist ins Gesicht zu halten? Was genau bitte soll das? Könnt ihr die Scheiße bitte lassen? Eure Story, wie ihr mit euren Freunden oder Freundinnen auf dem Dancefloor abspackt – #somuchfun, #partyhardy, #bbf – guckt deswegen auch keiner. Der DJ macht die Musik, nicht ihr! Musik wird auch nicht diskutiert, sondern gehört und gefühlt. Nur dann geht es der Musik gut. Musik ist auch keine Nebensache oder Untermalung für eure ganzen bescheuerten Posts und Storys.  Musik passt in keinen Algorithmus und wird auch nicht besser, je mehr Likes sie bekommt. Musik kann heilen, trösten, verbinden, dich zum Lachen und Tanzen bringen. Sie lässt dich deine Sorgen leichter ertragen, sie macht dich glücklich und sie ist die einzige Sprache auf der Welt, die alle Menschen verstehen. Sie kann deine Seele berühren, wenn du zuhörst.  Sie ist eine machtvolle Verbündete in Tagen wie diesen. Vergesst das niemals und behandelt sie mit dem Respekt, der ihr gebührt. Das richtet sich an alle von euch!

Bis zum nächsten Mal.

Euer Tom Novy

Aus dem FAZEmag 135/05.2023
www.tomnovy.com