Das Release seines letzten Longplayers „Relatively Definitely“, erschienen auf dem eigenen Label SOSO, liegt gut drei Monate zurück. Gefragt ist der gebürtige Bremer Oliver Schories jedoch mehr denn je und so tourt er mit seinem Sound im Gepäck durch die ganze Welt. Zwischendurch fand der geschäftige DJ und Live-Act, Produzent und Labelbetreiber Zeit für einen Plausch über seine Arbeit, seine Leidenschaft und die Mühen des Anfängers.
„I never learned to play an instrument. I never had a musical education. I don’t know much about how to make music. And I don’t know which genre my music belongs to, but I always had a big passion for music. And it still grows.“ – Deine Worte, Oliver, und schöne Worte außerdem. Leidenschaft ist etwas sehr Wichtiges in diesem Beruf, denn er bedeutet neben Gigs, dem Reisen und – im besten Fall – einer Menge Anerkennung auch unzählige Stunden Arbeit. Blut, Tränen und Schweiß, wie man so schön sagt. Viele jedoch wissen gar nicht, was es tatsächlich bedeutet, DJ und Musikproduzent zu sein. Gerade am Anfang sieht man sich hier mit einer Vielzahl an technischen wie musikalischen Problemen konfrontiert. Wie erging es dir in dieser Zeit?
Wer will, sucht Wege, wer nicht will, Gründe. Ich wollte immer lernen, (elektronische) Musik zu machen, und habe mich dementsprechend in alles von Null an hineingefuchst. In meiner Kindheit hatte ich leider nie die Muße, ein Instrument zu lernen – und meine Eltern nicht die Ausdauer, mich zum Gitarrenunterricht zu schleppen. Das wäre, rückwirkend betrachtet, schon eine sehr gute Sache gewesen. So lachen mich heute der Quintenzirkel und die Technik natürlich in regelmäßigen Abständen aus, aber das ist nun mal Teil des Lernprozesses bei jeder kreativen Arbeit. Dazu gehört als Anfänger – und eigentlich auch später –, alles auszuprobieren, um dann langsam die optimalen Instrumente und Wege zu finden, seinen individuellen Stil zu schaffen und weiterzuentwickeln. Ein wenig Ausdauer schadet ebenso wenig wie Disziplin. Wenn etwas nicht auf Anhieb gelingt, nicht gleich aufgeben. Ich kann das sagen, denn bei mir gelang nie etwas auf Anhieb (lacht). Scheitern ist völlig in Ordnung!
Es gibt auch einige, die sich nicht die Mühe machen wollen, zu lernen, und sich stattdessen an einen sogenannten Ghostproducer wenden. Wie ist deine Meinung zu dieser Herangehensweise?
In der kommerziellen Popmusik ist das seit Jahrzehnten Standard, in anderen Genres führt das noch immer zu Empörung. Jeder sollte selbst seinen Weg finden und entscheiden, wie er leben und arbeiten möchte. Jeder Mensch hat andere Prinzipien, Schwerpunkte und Wertvorstellungen. Für den einen ist man Musiker, wenn man ein Instrument beherrscht, für den anderen ist das Fertiggericht praktischer als das Selbstgemachte. Die wichtigste Frage für mich ist immer: Schade ich jemandem mit dem, was ich tue? Es gibt Produzenten, die einen so großen Output haben, dass sie gar nicht alles allein verwerten können. Die machen dann schon 2–3 verschiedene Projekte und haben trotzdem 20 Tracks pro Jahr, die übrig bleiben. Ebenso gibt es viele Rampensäue, die ständig auf Tour sind, gut auflegen, aber nicht produzieren können und/oder wollen. Dass die sich dann pro Jahr eine oder zwei EPs produzieren lassen, um etwas „vorweisen“ zu können, finde ich schon nachvollziehbar, ohne es aber gutzuheißen. Für mich wäre und ist Ghostproducing nie eine Option gewesen, denn ich habe Ideen und will diese im Studio umsetzen. Das macht mir viel Spaß und bestimmt einen großen Teil meines Lebens. Das jemand anderem zu überlassen, würde mich wohl eher anöden und der Sinn der Sache wäre für mich auch dahin.
Würde es dich denn mittlerweile reizen, auch klassische Instrumente zu spielen?
Das weiß ich gar nicht genau. Wenn es mich reizen würde, würde ich wahrscheinlich schon eines erlernen. Vielleicht kommt das noch mit dem Alter, genauso wie Bücher lesen, mehr Sport, weniger Essen, handwerkliches Geschick, ach ja …
Im April erschien dein letzter Longplayer „Relatively Definitely“. Was hältst du von der Idee eines Remix-Albums?
Ich war längere Zeit hin- und hergerissen, ob ich Remixe anfertigen lasse oder nicht, aber irgendwie habe ich mich schlussendlich dagegen entschieden. Das neue Album steht ganz gut allein da und dabei belasse ich es nun auch.
Deine beiden letzten Alben liegen nur ein Jahr auseinander. Wie viel „Pause“ gönnst du dir diesmal vom Studio? Oder arbeitest du etwa schon an neuen Ideen für das nächste Album?
Ich habe eigentlich nie Pause, was ich aber auch nicht schlimm finde. Ich glaube, das ist ganz normal, wenn man etwas gerne macht. Meine Arbeit setzt sich ja aus drei Teilen zusammen: Produzieren, Spielen und Labelarbeit. Da gibt es immer etwas zu tun. Außerdem würde ich diese Album-Sache auch nicht so ernst nehmen. Grundsätzlich könnte man sagen, dass zwei Alben mit einem Jahr Abstand viel erscheinen, bei etwas genauerem Hinschauen stellt man aber fest, dass ich so gut wie keine EPs und nur wenige, sehr ausgewählte Remixe mache. Von daher ist das Album, so wie die anderen eigentlich auch, fast das gesamte Arbeitsresultat eines ganzen Jahres. Macht also bei zwölf Tracks auf dem Album einen pro Monat. So gesehen ist es dann gar nicht mehr so viel.
Auf der Bühne und im Rampenlicht sehen wir nur dich, im Studio jedoch arbeitest du mit Manuel, einem Freund und Kollegen, zusammen. Wie kam es überhaupt zu dieser Zusammenarbeit und weshalb steht ihr nicht auch zu zweit auf der Bühne?
Ich habe Manu vor zwölf Jahren kennengelernt. Ich legte auf, er drückte mir eine CD in die Hand und zu Hause war ich mehr als beeindruckt von seinen Produktionen.
Wir trafen uns ein paar Mal und fingen an, zusammen zu produzieren. Das klappte erstaunlich gut. Er ist ein wahrer Technik-Nerd, schraubt, bastelt und verkabelt permanent im und am Studio. Manus Musik war und ist aber ganz anders als die meine und schon allein deshalb kam ein gemeinsames Auftreten auf der Bühne für uns beide nie wirklich in Frage. Wir sind der Meinung, dass man sich nicht verstellen sollte. Um jedoch auf einen gemeinsamen Sound-Nenner zu kommen und zusammen auf der Bühne stehen zu können, wäre das nötig. Nichtsdestotrotz sind wir Freunde, Geschäftspartner und unsere größten Kritiker. Im Studio harmonieren wir auf eine einzigartige Weise, die es uns ermöglicht, Sounds zu produzieren, die wir allein nicht hinbekämen. Diese Zusammenarbeit hat uns schlussendlich zu denen gemacht, die wir heute sind, und uns dorthin gebracht, wo wir nun stehen. Und darauf sind wir schon ein bisschen – auch wenn ich das Wort ganz furchtbar finde – stolz.
Wie du vorher schon kurz angeschnitten hast, besteht deine Arbeit aus drei Teilen. Du führst mittlerweile zwei Labels, produzierst und veröffentlichst selbst regelmäßig Musik, außerdem spielst du zahlreiche Shows als DJ und Live-Act. Wie können wir uns deinen Arbeitsalltag vorstellen? Wie sieht es mit Schlaf aus und gehst du auch privat noch feiern?
Ich schlafe überall, wo ich schlafen kann, und privat gehe ich nur selten feiern, allerdings ist das beruflich bedingt. Die meisten Partys sind ja nun mal am Wochenende und da lege ich in der Regel auf. Unter der Woche produziere ich und kümmere mich um die Labels. Es ist also nie nichts zu tun, aber das ist auch gut so. Mir macht meine Arbeit Spaß und sie ist ein großer Teil von mir. Außerdem sind die Übergänge zwischen Privatem und Beruflichem oft fließend. So empfinde ich zum Beispiel das Anhören von Promos oder Demos nicht als Arbeit, im Gegenteil. Ich finde es total spannend, neue Musik zu durchstöbern – das habe ich auch schon als Jugendlicher gerne gemacht, als ich noch gar nicht aufgelegt habe.
Hast du manchmal das Bedürfnis, alles, was mit elektronischer Musik und der ganzen „Szene“ zu tun hat, vor die Tür zu setzen? Was machst du, um von deinem Alltag abzuschalten?
Wenn ich schlafe, schalte ich ab. Mir reicht das. Vielleicht ist das irgendwann mal anders, aber momentan ist das genau so. Ich bin kein wirklich aktiver Facebook-Nutzer und auch auf sonstigen Social-Media-Plattformen wenig unterwegs, von daher bekomme ich von der „Szene“ auch gar nicht so viel mit.
Was können wir in diesem Jahr noch von dir und deinen Labels erwarten? Stehen weitere Releases und Labelnächte fest, auf die sich deine Fans freuen können?
Releasemäßig sind wir gerade in der Sommerpause, ab Ende August jedoch geht es wieder los. Es wird ein toller Herbst mit Releases von Djuma Soundsystem, Miyagi, Dan Caster, Moosefly, Ken Hayakawa, Rico Puestel und, und, und … Außerdem kann ich jetzt schon sagen, dass ich am 12.11. wieder all night long in Hamburg spielen werde, das habe ich letztes Jahr zum ersten Mal gemacht und es war echt eine gute und tolle Erfahrung für alle Beteiligten.
Bis Mitte November ist es ja zum Glück noch ein Weilchen hin. Welche Highlights erwarten dich im August? Worauf freust du dich besonders? In einem früheren Gespräch sagtest du, dass es für dich nichts Schöneres gibt, als im Sommer Festivals und Open Airs zu bespielen. Ist das nach wie vor so?
Ja, Open Airs liebe ich nach wie vor. Im August stehen zum Beispiel das Sonne Mond Sterne, das Dag Dromen Festival in Amsterdam, das Echelon in Bad Aibling und das große Stil vor Talent Open Air in Berlin an. Auf alle freue ich mich! Draußen, Sonne, leicht einen sitzen, ganz ehrlich – wer mag das nicht? / Gutkind
Aus dem FAZEmag 054
FAZEmag DJ-Set #52: Oliver Schories – exklusiv bei iTunes
Oliver Schories veröffentlicht neues Album „Relatively Definitely“