Pioneer DJ DJM-A9 – Fortsetzung und Neubeginn

500, 600, 700, 800, 900, 2000, Nexus, Nexus2: Der legendäre 4-Kanal-Clubmixer von Pioneer hat seit seiner Ersteinführung 1996 viele Generationen und Verwandlungen durchlaufen. Allein auf die Pultversion bezogen, sind es je nach Zählweise 15 gewesen. Mit der aktuellen Fortsetzung und Ablösung des 900NXS2 hat der Hersteller den gewohnten Pfad der Nummerierung verlassen. Kurz und knapp A9 heißt das neue DJM-Ding. So, wie bereits ein 672 PS starkes Audi-Luxus-Coupé. Oder so, wie die 9 in der Numerologie für Vollkommenheit steht. Schaun wir mal, ob eine vergleichbare Geisteshaltung bei Leistung und Exklusivität erkennen lässt.

Pump it up
Bei fast allen DJ-Tools ist es tatsächlich ähnlich wie mit Autos: Mit jeder neuen Generation setzt ein Wachstumsschub ein. So überragt der A9 den NXS2 in der Fläche deutlich: Gerundet in der Breite um 7 Zentimeter und in der Tiefe um 4 Zentimeter. So gibt der Bolide mit seinen 40,7 x 45,8 x 10,8 Zentimeter jetzt ein annähernd quadratisches Bild ab. Auch beim Gewicht hat er von 8 auf 10,2 Kilogramm nochmal ordentlich zugelegt. Da er aber ohnehin als Premium-Tool für die Clubinstallation oder die heimische Edelkanzel konzipiert ist, dürfte die Extension keine große Rolle spielen. Stattdessen freut man sich über den hinzugewonnenen Handlungsspielraum, den einige neue Funktionen und Sektionen allerdings auch erfordern. Wichtig: Die Höhe ist mit knapp 11 Zentimeter gleichgeblieben, so sie mit CDJ-Playern oder auch Plattenspielern eine plane Arbeitsebene bilden.

Mikrofon mit Phantom
Rückseitig fährt der A9 ein beachtliches Arsenal auf: vier Phono-, vier Line- und vier koaxiale Digital-Anschlüsse bilden die Eingangssektion. Über einen Master sowohl im XRL- als auch Cinch-Format, einen Booth als Klinke-, einen Record als Cinch- sowie einen Coaxial-Out für SPDIF wird der Klang ausgeleitet. Ebenfalls vorhanden ist ein Send-Return-Weg für externe Effektgeräte (oder auch Sampler) sowie ein Netzwerkkabel-Anschluss, um per LAN-Kabel entweder einen Multiplayer oder aber PC/Mac anzukoppeln. Wer einen 100BASE-TX-kompatiblen Switch zwischenschaltet, kann bis zu zwei Rechner oder vier aktuelle Pioneer-CDJ/XDJ-Units vernetzen. Die Mikrofonsektion hat der Hersteller von einem guten Beiwerk zur Hauptattraktion hochgerüstet. Denn sie besitzt für einen der beiden symmetrischen Anschlüsse eine zuschaltbare Phantomspeisung, so dass sich auch empfindliche Kondensatoren-Mikes für studiotaugliche Aufnahmen anschließen lassen – ein Novum im DJ-Mixer-Bereich. Damit dennoch nicht nur halbgarer Voice-Klang  hinten rauskommt, wurde der DJM-Jüngling in allen klangrelevanten Bauteilen optimiert. So verfügen beispielsweise sowohl alle Kanaleingänge als auch Ausgänge bis hin zum 2-Band-EQ-regelbaren Booth über dieselben 32-Bit-A/D bzw. D/A-Wandler von ESS Technology.

Back2Back ohne Kompromiss

Ebenfalls ein Upgrade, das sich der DJ gerne gefallen lässt, offenbart die duale Vorhör-Sektion. Die Klinke- und Miniklinke-Slots befinden sich für den Kopfhörer A auf der Faceplate links und für den Kopfhörer B rechts auf der Stirnseite. Ihnen zugewiesen sind neben den vier Hauptkanalzügen separate Strips, die u. a. über eigene Lautstärke- und Mix-Balance-Regler verfügen. Die Headphones werden also erstmals durchgängig und vollständig separat behandelt. Und zwar bis in jeden einzelnen Kanalzug hinein, der für Headphone A und B separate Vorhör-Buttons aufweist. DJ-Übergaben und Back2Back-Gigs lassen sich also erstmals ohne jeden Cueing-Kompromiss elegant bewerkstelligen. Dass der A9 unverändert eine duale Hochleistungs-Soundkarte im Herzen trägt, ist selbstverständlich. Um zwei Laptops anzuschließen, muss man nicht den langen Weg über den rückseitigen LAN-Port mit Switch zu gehen. Wie schon beim Nexus2 befinden sich oberseitig die zwei USB-Eingänge für den unkomplizierten PC- oder Mac-Anschluss. Und zwar nicht länger nur im typischen Typ-B-Format, sondern auch als kleiner Typ C.

Erhöhtes Sendungsbewusstsein

Auf der gegenüberliegenden, also rechten oberen Mixerflanke, befindet sich schließlich noch ein dritter USB-Anschluss vom Typ A. Dieser ist weiterhin für die Einbindung eines Mobilgerätes vorgesehen, um beispielsweise Effekt-Apps einzuschleifen. Es ist sinnvollerweise eingebettet in ein Multi-I/O-Sektion, die die einstige Send/Return-Abteilung ersetzt. Die hochtrabende Neubezeichnung ist durchaus berechtigt. Denn im Vorteil zum letzten 900er wirken extern zugeführte Effekte über den Send-Return-Weg nicht länger global, sondern können mittels Auswahlregler isoliert auf jeden gewünschten Einzelkanal, die Crossfader-Seiten, das Mike oder eben Master geroutet werden. Mit anderen Worten: Der Send ist jetzt ein echter Send.

Frische Takteffekte mit Farbdisplay

Wo wir grad auf der Effektseite sind: Hier spielt Pioneer seine hinzugewonnene Touch-Display-Erfahrung aus und rückt ein großes, hochauflösendes Farbdisplay ins Zentrum. In diesem sind auch die Beat-FX-Parameter integriert, die zuvor in einem getrennten Display zu finden waren. Das X-Pad selbst ist jetzt nur mehr ein schmaler Touch-Strip, der mit der Displaydarstellung interagiert. So sind nicht nur mehr, sondern auch übersichtlichere Einstellungen möglich. Die Beat-Effekte selbst lassen sich als Singles in gewohnter Manier per Drehschalter abrufen, in den hohen, mittleren und tiefen Frequenzen bearbeiten und in Tempo sowie Intensität einstellen. Die Kanalzuteilung jedoch erfolgt nicht mehr über ein weiteres, kleines Poti. Stattdessen wurde ein großzügiges, beleuchtetes Button-Board untergebracht, so dass Fehlzuweisungen, wie sie früher im Mixing-Eifer immer wieder passierten, absolut ausgeschlossen sind. Als neue Typen sind bei den insgesamt 14 Beat FX der Möbius, Triplet Filter und Triplet Roll hinzugekommen. Herausgefallen sind der Vinyl Brake und Slip Roll.

Dezidierte Mic-Effekte und CFX Center Lock
Wer zudem den Pitch-Effekt vermisst: Er ist hinüber in den Mikrofon-Kanal gewandert. Auch diesem wird jetzt eine eigene, in den Höhen, Tiefen und Level regelbare Effektgruppe zuteil, die praktisch die gesamte linke Geräteflanke einnimmt. Neben dem Pitch lassen sich ein Echo oder Megafon-Algorithmus anwählen, ergänzt um ein gesondert zuschalt- und regelbares Reverb. Mit einer Verbesserung wartet ferner die Sound Color-FX-Sektion auf. Gar nicht bezogen auf die Effekttypen. Hier sind die bewährten, parameterregelbaren Crush, Dub-Echo, Filter, Noise, Sweep und Space weiter gesetzt. Jedoch wurde bei den Bearbeitungs-Reglern pro Kanal einen Center Lock eingeführt. Er verhindert, dass man beispielsweise beim Filtereffekt während einer heftigen Potidrehung ab der Mittelposition z. B. vom Lowpass direkt in den Highpass rutscht. Der Center Lock lässt sich per Switch jederzeit ausschalten, so dass der mildere Center Klick wie beim Nexus2 wieder wirksam wird.

Völlig losgelöst
An seinen fünf Finger abzählen konnte man sich, dass ein neuer DJM kabellose Übertragungsfunktionen mitbringen wird. So lassen sich Audiofiles dank Bluetooth®-Eingang vom Smartphone oder Tablet ins Mixinggeschehen einbeziehen und ganz normal mit sämtlichen Mixerfunktionen bearbeiten. Dazu muss man den A9-Eingangswahlschalter einfach auf das hinzugefügte Blauzahn-Symbol stellen und den Zuspieler mit der ebenfalls frisch ergänzten Pairing-Taste koppeln. Die Einbindung von Playern oder Endgeräten per Wi-Fi ist ebenfalls möglich. Um der klassischen Schwachstelle einer instabilen Funkverbindung entgegenzutreten, lässt sich an der hinteren, linken Rückseite mit wenigen Handgriffen eine Antenne montieren. Vollständig MIDI-fiziert ist der Club ebenfalls weiterhin. Die Datenübertragung wird mittels entsprechendem Button ausgelöst, sogar eine gesonderte Start/Stopp-Taste ist jetzt vorhanden, um externe Hard- oder Software wie Ableton Live taktgenau zu starten. Wer mit älterem MIDI-Equipment operieren will, benötigt allerdings ein USB-Interface, da der „Neuner“ keine fünfpolige DIN-MIDI-Buche mitbringt.

Was sonst?
Wenden wir uns abschließend noch einigen kleinen Detailverbesserungen und Spezialfunktionen zu. Pioneer hat seinem DJM spürbar hochwertigere Kanalfader spendiert. Deren Köpfe sind schmaler und ihr Laufverhalten fühlt sich zugleich strammer, aber auch flüssiger an. Manchmal braucht es eben nur wenig, um die Schwelle von „nützlich“ zu „edel“ zu überschreiten und ein Tool insgesamt aufzuwerten. Der Crosser ist die neuste Generation des hauseigenen Magvel, überzeugt durch seinen gewohnt kontaktlosen Leichtlauf. Die Anschlussbuche für das Kaltgerätekabel besitzt nun einen Arretierungsmechanismus, um ein versehentliches oder mutwilliges Abziehen zu verhindern. Und wer sich zu den Clubtontechnikern zählt, erhält dank der Wireless-Möglichkeiten Fernzugriff auf zahlreiche Mixerparameter, um aus der Distanz den Soundcheck durchführen. Für diesen Zweck stellt Pioneer die kostenlose iPad-App „PRO DJ Link Remote Management“ bereit.

Mehr Arbeitsfreiraum bei gleichzeitig intelligenter Ausdifferenzierung der bekannten Funktionen plus dem abermals optimierten Klangverhalten: Durch zahlreiche Detailverfeinerungen ist es den Japanern abermals gelungen, ihren kultigen DJM verbessert in eine neue Generation zu entlassen. Mag man in der Vergangenheit hier und dort immer wieder kleine Unzulänglichkeiten entdeckt haben, so kann man den DJM-A9 drehen und wenden wie man will, ohne wirkliche Kritikpunkte zu finden. Der technische Abstand zum hauseigenen Club-Flaggschiff VM10 ist, abgesehen von den vier statt sechs Kanälen, auf in Minimum geschrumpft. Leider damit auch der Preis: 2.799 EUR muss man für den Neuner anlegen.

Aus dem FAZEmag 136/06.2023
www.pioneerdj.com