Pioneer DJ XDJ-RX3 – Dream-Screen

Vier Jahre nach Erscheinen des beliebten All-in-One-DJ-Systems XDJ-RX2 schickt Pioneer die Ablösung RX3 ins Rennen. Darin nimmt der Hersteller, wie schon bei seinen vorausgegangenen Allroundern, einen großen Teil jener Neufunktionen auf, die zuvor bei den Einzeltools eine neue Generation einläuteten. Allen voran sind das der CDJ-3000 Player und DJM-900NXS Clubmixer.

So wirkt auch der XDJ-RX3 wie eine Symbiose der genannten Flaggschiffe, um selbst ein neues Flaggschiff zu bilden. Das passiert in gewohnt großformatiger Weise, denn die Miniaturisierung der Arbeitsfläche und Bedienelemente war noch nie des Herstellers Ding. Zum Glück, auch wenn man dadurch wieder mit einer fast 73 x 47 cm großen Scholle in der 9-kg-Gewichtsklasse wuchten muss.

Haken wir zunächst die Anschlusssektion ab: Rückseitig stehen zum einen zwei Line- und Phono-Eingänge im Cinch-Format bereit, um die Signale auf die beiden vollausgestatteten Hauptkanäle zu leiten. Hinzu kommt ein weiterer Line-in (Cinch) oder alternativ switchbarer Portable-in (Miniklinke) für mobile Endgeräte. Als Aux-Kanal lässt sich dieser lediglich oberseitig in der Eingangslautstärke trimmen. Wer den XDJ-Neuling als Controller nutzen möchte, dem steht über die rückseitige USB-Buchse auch diese Welt weiterhin offen. Prädestiniert ist das Gerät für die Steuerung der Pioneer-eigenen Recordbox-Software. In diesem Fall fungiert es als Unlock-Gerät, das für die Software alle Organisations- und DJ-Funktionen kostenlos freischaltet – es muss also kein gesondertes Abo abgeschlossen werden.

Wer Serato DJ bevorzugt, muss nicht nach einem anderen Tool suchen. Denn auch dafür wird das System in Kürze in angepasster Weise seine Dienste tun. Fehlen rückseitig noch die beiden Mikrofon-Eingänge als kombinierte XLR-/Klinke-Ports. Ihnen ist auf der Faceplate ganz oben links ein eigener Kanalzug zugedacht, indem sich die Lautstärken getrennt sowie die Low- und Hi-Frequenzen gemeinsam manipulieren lassen. Als Ausgänge warten ein XLR- und Cinch-Master, ein getrennt regelbarer Stereo-Klinke-Booth sowie frontseitig Klinke- und Miniklinke-Headphone auf Anschluss. Nicht unterschlagen wollen wir die beiden USB-Ports im rechten oberen Eck, um Tracks von Sticks und anderen Massenspeichern einzubeziehen. Dem USB-2-Anschluss ist ein Record-Button zugeordnet, über den sich das Master-Signal direkt aufzeichnen lässt.

Screen-Gigantomanie
Dass diese im Vergleich zum Vorgänger drei Zentimeter nach hinten rausgewachsen ist, liegt im gigantischen Display begründet, das in der diagonalen nun 10,1 Zoll (25,65 cm) statt zuvor 7 Zoll (17,78 cm) misst. Damit entspricht es fast genau dem Apple iPad und übertrifft sogar das des CDJ-3000 um 2,5 cm. Nach dem Einschalten des XDJ fällt sofort auf, dass die Darstellung optimiert wurde, die nun in farbiger Hochauflösung alle entscheidenden Parameter offenbart. Das fängt beim Track-Browsing an, wobei links die anwählbaren Device-Quellen angezeigt werden, während rechts die allgemeinen Device-Infos dargestellt werden. Nach Anwahl öffnet sich die Trackliste mit den Titeldetails inklusive einer kleinen Preview-Wellenform, um mittels Fingerdruck kurz reinhören zu können. Ganz rechts in der jeweiligen Titelzeile stehen zwei virtuelle LOAD1- und LOAD2-Buttons, um den Track per Fingertap dem entsprechenden Deck zuweisen zu können. Geht die Titelliste über die Screen-Grenze hinaus, muss man scrollen. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass der Touchscreen dann doch kein iPad ist. Denn außer Tap, Doppel-Tap und Press versteht er an den meisten Stellen keine anderen Touch-Gesten. Zwar wurde lobenswerterweise die Zahl der im Fenster listbaren Titel von acht auf zwölf erhöht. Muss man aber dann doch zu den nicht angezeigten Titeln gelangen, muss man jeweils die oberste oder unterste Titelzeile berühren, um einen automatischen Scroll auszulösen. Slide-Gesten sind nur für ausgesuchte Funktionen möglich, Flicks bzw. Swipes gar nicht. Bei einigen Funktionen ist sogar die ausschließliche Nutzung des Push-Encoders rechts des Displays obligatorisch. Es erfordert zunächst ein wenig Einarbeitung, um herauszufinden, welche Icons lediglich der Anzeige dienen, welche auf Touch reagieren und welche Funktionen nur per Hardware oder sowohl nativ als auch real erreichbar sind. Gerade bei den „Sowohl als auch“-Funktionen muss dann jeder DJ seinen individuellen Workflow finden. Möglicherweise möchte Pioneer dadurch, dass sie die Onscreen-Möglichkeiten (noch) nicht voll ausspielen, einfach vermeiden, dass die Hardware-Elemente zunehmend zur Deko verkommen. Die Größe und Darstellungskraft der optimierten GUI ließen es zu.

Beat FX onscreen
Das zeigt sich beispielsweise, wenn man in das Fenster mit den virtuellen Deckdarstellungen und den (per Endcoder) zoombaren Wellenformen gelangt. Von den farblich differenzierten Dreibandfrequenzen à la CDJ-3000 über den aktuell angewählten Beat-Effekt bis hin zu den eingestellten 2 x 8 Performance-Pads wird alles glasklar angezeigt. Hier lässt das Display beim Beat-FX übrigens ausnahmsweise eine Slide-Geste zu – so wird je nach angewähltem Effekt ein X-Pad-Streifen onscreen eingeblendet, mit dem sich entweder ein Parameter wie die Effektzeit stufenlos verändern lässt – er übernimmt dann die Aufgabe des Hardware-Time-Potis auf dem Mixer. Oder aber das virtuelle X-Pad zieht die Funktion der gummierten Beat-FX-Pfeiltasten an sich und steuert dann den Effektzyklus.

Mehr noch: Im linken Fensterbereich lassen sich in einer Linie insgesamt vier Lieblings-Beat-FX für den Schnellzugriff als Touch-Buttons einrichten. Um sie zu ändern, kloppt man den nicht mehr gewünschten Effekt über ein kleines Mülleimersymbol in die Tonne, dreht den Hardware-Beat-FX-Selektor an die gewünschte Position des neuen Effekts, drückt die freigewordene Screen-Position – und schon erscheint dort der neue Wunscheffekt als Touch-Button. Sie machen die Bedienung des Beat-FX-Selektors somit zumindest für die eingerichteten Effekte überflüssig. Das ist schon ziemlich genial und zeigt im Ansatz, welches Potenzial im neuen XDJ-RX3 mit Software-Updates noch gehoben werden könnte.

Komplette DJM-Effektpalette
Und wo wir gerade bei der Effekt-Sektion sind: Der 3er fährt nun intern das komplette Arsenal des DJM-900 NXS2 auf. Sowohl bei den Beat-FX, insgesamt 14 an der Zahl und somit sechs mehr als der Vorgänger. Darunter natürlich die neuen Typen Ping Pong, Filter, Phaser, Slip Roll, Vinyl Brake und Helix. Die Sound-Color-FX-Sektion links unten im Mixer wurde um die bislang ausgelassenen Typen Space und Bit-Crush ergänzt. Die Bedienung Letzterer erfolgt, wie die der gesamten Mixereinheit, wie man es kennt. Einfach mit den weiß beleuchten Knöpfen aktivieren, mittels des darunter angelegten Parameter-Potis im fest zugewiesenen Parameter (Feedback, Pegel, Resonanz oder Lautstärke) einstellen und per Color-Drehregler pro Kanal von Low bis High stufenlos regeln. Die Sound-Color-Effekt-Einstellungen werden auf dem Screen übrigens nicht dargestellt und können dort entsprechend auch nicht gesteuert werden – was aber auch eher unnötig ist, da sie nicht taktabhängig funktionieren.

Ganz anders die acht farbig beleuchteten Performance-Pads in jedem Deck. Sie finden in Abhängigkeit von den sechs anwählbaren Modi ihre virtuelle Entsprechung im GUI. Angezeigt wird beispielsweise, ob und womit ein Pad belegt ist und welche Taktteilung dem jeweiligen Kissen zugrunde liegt. Dabei korrespondiert die Farbmarkierung auf dem Screen immer mit der Beleuchtung des Pads. Tatsächlich hielt auch noch ein neuer Pad-Mode Einzug: Release-Effekte. Sie lassen sich per Shift über den Slip-Roll-Button erreichen, woraufhin die acht Kissen mit jeweils einem Effekt belegt werden. Namentlich im Screen angezeigt sind das Brake Short und Long, Spin Short und Long, Echo Out und Build-up sowie Mute und Ducking. Sie ermöglichen beispielsweise anstelle eines klassischen Cuts das elegante Aussteigen aus einem Track, wenn die Mixing-Kunst mal versagt oder ein abweichender Musikstil ins Spiel kommen soll.

High-Res-Jogwheels
Mit einem Screen haben wir begonnen – und mit einem solchen wollen wir den Test beenden. Diesmal betrifft es die Displays innerhalb der Jogwheels. Auch sie wurden technisch in eine neue Umlaufbahn geschossen und erlauben nun zum einen die hochaufgelöste Farbdarstellung eines möglicherweise hinterlegten Artworks. Zum anderen stellen sie gut sichtbar heraus, ob man sich gerade im Vinyl- oder Slip-Modus befindet, ob das Deck als Master oder im Sync arbeitet, wo die vielen Cue-Punkte sitzen und wie die Slip Loops verlaufen. Endlich sind auch die großen Jogwheels haptisch in der Moderne angekommen. Mag man sich früher noch gewundert haben, warum sie sich als wesentliche DJ-Bedienelemente im Vergleich zu den Mittbewerbern eher durchschnittlich gut führen ließen, so sind sie nun ein Vorbild im schleiffreien Drehverhalten und der drucksensitiven Reaktion – selbst wenn die zwölfstufige Bremse auf maximal Heavy steht.

So reichen bereits vier Jahre aus, um ein bislang hervorragendes Gerät im Vergleich zum neu auftrumpfenden Nachfolger ziemlich alt aussehen zu lassen. Das betrifft natürlich nicht nur Pioneer, sondern sämtliche Hersteller in allen Bereichen der Unterhaltungstechnik. Wer hätte noch zu RX2-Zeiten gedacht, dass in nicht ferner Zukunft ein Follow-up mit einem Mega-Touch-Screen verfügbar sein wird? Der hervorragende XDJ-RX3 mischt bei bewährtem Grundkonzept auch in Bezug auf die wiedererstarkte Denon-Konkurrenz die Karten wieder neu. Für 1.999 Euro ist man dabei.

Aus dem FAZEmag 120/02.2022
Text: Matthias Thienel

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