Pro und Contra – 6 Auswüchse der Digitalisierung

Young woman loking at virtual graphics in futuristic background
Kein Kaffee ohne „hast Du schon auf Facebook gesehen?“ Nicht jeder Digital-Auswuchs verdient das Prädikat Cool.


Wie jeder tiefgreifende Umbruch hat auch die Digitalisierung für den Privatmensch ihre Licht- wie Schattenseiten. Klar können beide je nach Betrachter die Positionen tauschen, doch welche sind es denn überhaupt?

 

Wir dürften uns einig sein, dass das Smartphone ein enormer Lebenshelfer ist – schon deshalb, weil man dank Whatsapp nur noch milde über die heute grotesk anmutende SMS-Preispolitik vergangener Epochen lächeln kann. Ein unzweifelhafter Vorteil des Digitalen. Doch was ist mit Fingerabdruckscannern, die zu immer mehr Handys dazugehören? Cooles Sicherheitsfeature oder gänzlich uncooles potenzielles Datenleck? Der geneigte Leser sieht schon, es ist nicht alles streng in hell oder dunkel einteilbar, was die Digitalisierung brachte. Dennoch haben wir für den folgenden Artikel versucht, eine objektive Pro/Contra-Liste zu erstellen.

 

Pro: Weltweite Connection

Zugegeben, die ständige Erreichbarkeit kann schon gewaltig nerven: Man legt auf oder genießt einen anderen DJ und unter Garantie brummt es in der Hosentasche. Aber zumindest die Leser der Generation Ü-30 werden sich noch an diese „graue Vorzeit“ erinnern. Damals, als man im Urlaub war, und gezwungen wurde, sich den Daheimgebliebenen entweder per Postkarte oder Hotellobby-Telefonanruf (im Hochpreis-bedingten Telegrammstil) mitzuteilen. Gut, beim Partyurlaub mit Absturz war das vielleicht sogar ein Vorteil, aber heute? Heute gibt’s in der EU keine Roaminggebühren mehr – (aber immer noch Kostenfallen). Jedes einsternige Hotel hat ebenso WLAN wie die meisten Strandbars. Skype aufs Handy, oder Facetime oder was es sonst noch gibt und man kann direkt und kostenlos seine Lieben an solchen Events teilhaben lassen. So lange und so oft man möchte. Und das ist definitiv cool.

 

Contra: Fotopeinlichkeiten

Womit wir schon beim nächsten, zweischneidigen Punkt wären. Natürlich ist es, mal ganz nüchtern-technisch betrachtet, einfach nur gigantisch, was sich hinter der Linsenabdeckung eines zeitgenössischen Oberklassehandys wie Samsungs Galaxy-S8 verbirgt. Solche Kameraleistungen treiben gar-nicht-so alten Digital-Spiegelreflexkameras die Schamesröte ins Objektiv.

Doch so wie das Handy überall dabei ist, ist es auch die Kamera. Egal was man in der Öffentlichkeit tut, es ist fast sicher, dass irgendwer gerade die Handykamera draufhält. Man legt auf, die Platte rutscht aus den Fingern und einer der Gäste trägt sie anschließend als Hut – alles schon vorgekommen. Mit etwas Pech wird man dann als „Plattenschmeißer“ auf YouTube und Co. bekannt und landet mit noch mehr Pech auf einer DJ-Fails-Compilation. That sucks!

 

Pro: Mehr als Realität

Woman using a virtual reality headset
Erinnert sich noch wer an den
Sechs-Millionen-Dollar-Mann Steve Austin? Mal abgesehen davon, dass keine so cool in Schlaghosen springen konnte wie er: haben wir uns nicht alle gewünscht, sein digitales Zoom-und-Daten-Auge zu haben? Handy raus, lieber Leser. Das kann heute jedes Smartphone unter dem Stichwort Augmented Reality (AR). Denn auch wenn AR der Masse durch Pokémon Go als Spielerei bekannt wurde, sind die praktischeren Möglichkeiten dieser Technik gigantisch. IKEA lässt es beispielsweise heute schon zu, dass man in das Live-Kamerabild seiner Wohnung Katalogmöbel einblendet. Googles Übersetzer-App wird auf die fremdsprachige Speisekarte gerichtet und blendet „Schlange á la Orange“ in einer verständlichen Sprache ein. Und auch in unserem Bereich gäbe es da so manche Möglichkeit:

Wie wäre es mit einer AR-App, die blutigen Anfängern auf dem Live-Display die Funktionen von Turntables und Mischpult erklärt? Oder einem Programm, das trotz drehender Platte die darauf aufgedruckte Tracklist erkennt und einblendet? Die Optionen sind mannigfaltig und Augmented Reality ist deshalb absolut Inn!

 

Contra: Werbeterror

Woman use of tablet pc in coffee shop
Glaubt man
den auf Schätzungen basierenden Zahlen, hat Mark Zuckerbergs Geistesblitz allein in Deutschland imposante 31 Millionen User. Ebenso imposant ist, dass eine noch unschätzbarere Zahl dieser Benutzer tatsächlich glaubt, dass Social Media eine Art karitativer Veranstaltung wäre, damit man Katzenbilder teilen und chatten kann. Nichts könnte falscher sein. Denn zieht man den ganzen Gute-Laune-Vorhang weg, ist Facebook samt seines Anhangs an diversen anderen Seiten nur eines: Eine gigantische Werbeagentur.

Nein, nicht die nervige, aber wenigstens erkennbare YouTube-Masche („Video in 5,4,3 überspringen“), sondern eine, die klandestin arbeitet. Jede Profilangabe, jedes „Like“, jedes „Lachen“ wird von Facebook dazu verwendet, einen genaueren Überblick über die Person vor dem Bildschirm zu bekommen und herauszufinden, was er oder sie will – nur um im passenden Augenblick perfekt personalisierte Werbung einzublenden. Macht mal den Test: Googelt irgendeinen Produktbegriff, klickt ein paar Händlerseiten an und geht danach auf Facebook. Und dieser subtile Werbeterror ist nur eines: Uncool – hoch drei.

Pro: Medien ungefiltert

Okay, wir haben nicht erst seit gestern eine Diskussion über Fake News. Und letztendlich lassen sich die in den vergangenen Monaten rapide zunehmenden Zahlen an Rettungsdienstproblemen durch Gaffer auch auf die durch die Digitalisierung ausgelöste Sensationsgeilheit zurückführen. Aber betrachten wir das Phänomen mal aus einer anderen Perspektive.

Es ist noch nicht allzu lange her, da sperrte man einen Regimekritiker samt Anhang ein und war seine Meinung los – aus dem Knast postuliert niemand Forderungen. Und bereits Gedrucktes kann man einsammeln und schreddern. Einem Kameramann, der irgendeine staatliche Schweinerei gefilmt hatte, ließ man einfach das Tape abnehmen, Fall gelöst.

Genau hier zeigt sich auch einmal mehr die Zweischneidigkeit Denn wenn heute irgendwas passiert, geht man einfach live. Jede Nachricht kann so in Echtzeit um die ganze Welt verbreitet werden. Kein noch so ausgeklügelter Staatsapparat kann das verhindern. Und was für peinliche Fotos gilt, gilt auch für Nachrichten: Das Netz vergisst niemals. Man kann Server stilllegen, kann USB-Sticks beschlagnahmen. Doch wenn eine Information einmal im Malstrom des Webs ist, bleibt sie für immer dort. Das hat zwar auch uncoole Seiten, insbesondere mit Hinblick auf Meinungsfreiheit ist das jedoch richtig cool und hebt viele andere Negativfaktoren zumindest teilweise auf.

 

Contra: Entwicklungs-Lichtgeschwindigkeit

In the Electronics Store Consultant Gives Professional Advice to a Young Woman, She Considers Buying New Tablet Computer and Needs Expert Opinion. Store is Modern, Bright and Has all the New Devices.
Es ist noch gar nicht so lange her, da rätselten wir von der FAZE-Redaktion,
was das neue iPhone wohl kosten wird. Nach der Vorstellung wissen wir: gar keine so schlechte Einschätzung. Aber das Eigenlob hat auch eine Schattenseite: Für das iPhone X etwa ruft Apple je nach Speicherplatzgröße zwischen 1149 und 1319 Euro auf. Natürlich sind das Flaggschiffe und die gab es noch nie zum Discounterpreis.

Doch das Problematisch daran ist, dass nicht nur alle Hersteller so denken, sondern auch mit maximaler Schubkraft neue Modelle auf den Markt werfen. Beim iPhone hat man sich ja mittlerweile an die Formel „jedes Jahr im September“ gewöhnt. Und man muss kein Geek sein, um diesen Entwicklungsdruck im Nacken zu spüren. Denn so schnell wie Neuheiten heute wieder veraltet sind, ist es ein nacktes Problem des Up-to-Date-Bleibens. Klar kann man sich dazu entschließen, nur alle vier Jahre ein neues Handy, ein neues Tablet zu kaufen. Dann wird man aber damit konfrontiert, dass die Hersteller (okay, Apple nicht eingeschlossen) als kleine Hommage an ihre kurzen Entwicklungszyklen auch den Support mit neuer Software mit einem Ablaufdatum versehen. Google etwa verspricht für sein jüngst vorgestelltes Pixel 2 Updates für drei Jahre – ab jetzt wohlgemerkt. Wer sich das Gerät nächstes Jahr um diese Zeit kauft, hat nur noch Garantie auf zwei Jahre neueste Android-Versionen.

Das ist in etwa so, als würde man sich morgen ein neues Mischpult kaufen und bekäme in drei Jahren keine Ersatzknöpfe für die Regler mehr. In der Digitalwelt schlägt sich das in weit offenen Sicherheitslücken und nicht mehr benutzbaren Programmen nieder. Ja, das ist uncool!

 

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