Proton The Club – der Countdown läuft

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Der Countdown läuft. Als dieser Interview-Artikel entsteht, sind es noch 41 Tage, vier Stunden, 57 Minuten und 52 Sekunden, bis sich Tür und Tor des legendären Proton Clubs wieder öffnen. Das ist zumindest der Plan – wenn er nicht einmal wieder von der Corona-Pandemie durchkreuzt wird. Die Crew hinter Stuttgarts innovativster Nightlight-Institution fährt große Geschütze auf und hat viel vor. Unter dem Hashtag „Reincarnation“ erfährt die Location im Herzen der Stadt eine Wiedergeburt. Nicht nur visuell, sondern auch personell, und vor allem musikalisch. Welch neuen Konzepte die kreativen Köpfe ausgetüftelt haben – das erfahrt ihr in diesem Interview mit Benjamin Reichert.

Credit: LuisaArt

Hi Benny, viele Leser bringen deinen Namen mit Events wie „Musical Madness“ und „Awake/Senses“ in Verbindung. Aber tun wir mal so, als ob dich nicht jeder kennt. Stell dich doch mal kurz vor. Wer bist du? Was machst du? Wie lange bist du schon in der Szene unterwegs, und wie bist du ins Proton-Team gelangt?

Mein Name ist Benjamin Reichert, ich bin 36 Jahre alt und komme aus Mühlacker (zwischen Stuttgart und Pforzheim). Ich bin seit knapp 20 Jahren im Nightlife tätig als DJ, Veranstalter und Booker. Meinen ersten offiziellen DJ-Gig hatte ich mit 16 Jahren im Proton. Seitdem kenne ich auch den Inhaber Lars Kanzian. Zwischenzeitlich hatten sich unsere Wege getrennt, da ich den Four Runners Club in Ludwigsburg betrieben hatte. Nach meinem Ausstieg dort im Jahre 2019 fanden vermehrt Gespräche mit Lars statt, da er konzeptionell nicht so richtig wusste, wohin die Reise nach Corona mit dem Proton gehen soll. Ende 2020 beschlossen wir, ein neues Team zusammen zu stellen, um gemeinsam an der neuen Vision zu arbeiten. 

Das Proton gibt es seit 1999, also seit mehr als 20 Jahren. Wie hat sich der Club im Laufe dieser Zeit verändert?

Die Location an sich hat sich grundlegend nicht verändert. Hier und da wurden Umbauarbeiten durchgeführt, aber das Flair des Clubs ist gleich geblieben. Musikalisch ist in der langen Zeit natürlich sehr viel passiert. In der Anfangszeit bestand das Wochenendprogramm aus einem Hip-Hop-Abend und einem elektronischen Abend. Zwischenzeitlich wurde gar keine elektronische Musik mehr gespielt und man hat sich komplett auf Hip-Hop konzentriert. Jetzt haben wir die Entscheidung getroffen, in Zukunft nur noch elektronische Musik zu spielen.  

Nun erfindet sich das Proton 2021 quasi neu. Wie sind eure konkreten Pläne? Welcher Sound wird laufen, welche Zielgruppen avanciert ihr?

Ich habe sehr viele Clubs im In- und Ausland besucht. Dadurch habe ich viele Eindrücke gesammelt. Es gab schon immer Dinge in der Vergangenheit, die ich im Club optimieren wollte und dadurch, dass ich jetzt ein Teil des Teams bin, konnte ich genau da ansetzen. Ein kleines Beispiel: Es gab oft lange Wartezeiten an der Garderobe. Nach aufwendiger Recherche und nötigen räumlichen Umbaumaßnahmen, um Platz zu generieren, konnten wir es realisieren, 549 Schließfächer mit Münzschloss zu installieren. Somit ist jetzt das kontaktlose Abgeben von Jacke/Tasche ohne Wartezeit möglich. Musikalisch wird der Club komplett elektronisch mit einer guten Mischung aus Genres wie Techno, EDM, Tech-House, Harder Styles etc. und danach richtet sich auch unsere Zielgruppe. Generell ist jeder bei uns willkommen, der Lust auf Clubfeeling und gute Musik hat.  

Beschreib doch mal die Location, für all diejenigen, die noch nicht dort waren. Wie viele Floors gibt es? Bars? Chill-out-Areas?

Das Proton ist der größte Innenstadt-Club Stuttgarts. Er liegt im Herzen der City, in der Königsstraße. Der Eingangsbereich erstreckt sich über eine Art Tunnel, der direkt auf die Tanzfläche führt. Auf dem  Mainfloor gibt es zwei große Bars und eine Bühne. Über ein paar Treppenstufen gelangt man in das erste Obergeschoss. Dort war früher der zweite Floor. Jetzt befinden sich dort die Schließfächer, eine Bar und der Zugang zum Balkon. 

Ich hatte es eingangs bereits erwähnt: Du steckst hinter Veranstaltungen wie „Musical Madness“ und „Awake/Senses“. Werden diese Events auch im Proton stattfinden?

„Musical Madness“ wird in Zukunft die Hardstyle-Shows promoten und „Senses/Awake“ die Trance-Shows. Ich bin gerade dabei, ein paar fette Bookings einzutüten. 

Das Line-up ist für den Erfolg einer Veranstaltung oftmals das A und O. Setzt ihr ausschließlich auf Global Player oder haben auch Newcomer und Lokalmatadoren eine Chance, mal im Proton zu spielen?

Gute Frage. Je nach Verfügbarkeit und Budget versuche ich natürlich, möglichst große Acts nach Stuttgart zu buchen. Aktuell bin ich aber auch damit beschäftigt ein neues Resident-Team zusammenzustellen. An Abenden ohne Booking/Fremdveranstalter starten wir ab dem Opening mit unserer inhouse-Party „Electronic Playground“. 

Ein fulminantes Line-up ist das eine – eine bombastische Show das andere. Wie wichtig sind Licht und Sound im Proton? Und welches Equipment habt ihr verbaut? 

Licht und Sound waren schon immer essentiell im Proton. Der fulminante Sound kommt aus Dynacord-Lautsprechern. Wir haben die größte Dynacord-Clubanlage, die weltweit verbaut ist. Wir können zwischen zwei verschiedenen Set-ups wählen. Bei Headliner-Shows können wir über das neue Line Array spielen oder bei normalen Clubabenden über die Dynacord-Alpha-Anlage. Lichttechnisch haben wir noch einmal gut nachgerüstet. Die Mischung aus neuer Technik (Moving Lights, LED-Spots) und konventioneller Lichttechnik (für die Technik-Nerds unter euch: Clay Paky Golden Scan, GLP Patent Lights, GLP Joy 300, etc.) sorgt für möglichst viel Abwechslung. Lasertechnisch sind wir mit einer Datronik-Laserbank und zwei LPS-Spike-Lasern auch gut ausgestattet. Vor einigen Wochen haben wir CO2-Jets von MagicFX installiert (ein Mal Power-Jet, zwei Mal CO2-Jet). Alles in Allem ein amtliches Set-up.  

Von 2004 bis 2006 warst du Resident-DJ im Proton. Wirst du selbst auch als DJ im Proton auflegen?

Da ich immer noch sehr gern und leidenschaftlich auflege, werde ich mit Sicherheit auch an dem ein oder anderen Abend selbst spielen. Back to the roots quasi. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf neuen Talenten. 

Zahlreiche Clubs „expandieren“ außerhalb ihrer eigenen Räumlichkeiten. Das Amnesia Ibiza zum Beispiel feiert ein Closing am Zrce Beach in Kroatien. Das Bootshaus Köln hat schon seit Jahren eigene Stages bei großen Festivals. Gibt es diesbezüglich ähnliche Planungen seitens Proton?

Aktuell konzentrieren wir uns auf unsere Aufgabe, einen elektronischen Club in Stuttgart zu etablieren, mit möglichst viel Abwechslung. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen.

Ein Thema, um das wir (leider) nicht herumkommen: Corona. Wie hast du persönlich die letzten anderthalb Jahre erlebt und verbracht? Und wie kam das Proton durch diese Zeit des Lockdowns?

Wir haben uns mit Staatshilfen und Krediten über Wasser gehalten und versucht, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Langeweile hatte ich kaum, da wir seit mehr als sechs Monaten mit den Umbauten beschäftigt sind und ich auch viel Zeit in andere Projekte investiert habe. 

Wenn die Deutsche Bundesregierung heute ihr Go geben würde, dass alle Clubs ab morgen öffnen dürften. Wärt ihr bereit?

Seit heute (16. August) dürfen Clubs im Rahmen der 3-G-Regel in Baden-Württemberg unter Vollauslastung wieder öffnen. Zudem kommt weiterhin die Maskenpflicht bei Indoor-Events. Auch wir sind sehr überrascht worden von der neuen Landesverordnung. Theoretisch könnten wir unter den neuen Voraussetzungen öffnen, jedoch haben wir vorab schon einen genauen Zeitplan ausgearbeitet. Einige Umbauarbeiten sind leider noch nicht beendet und wir möchten alles komplett abgeschlossen haben, bevor wir das Proton endlich wieder öffnen.

Eine Frage, die wohl niemand beantworten kann – die ich aber dennoch stelle: Wann geht’s endlich wieder los und welche Namen werden wir im Line-up der ersten Proton-Party lesen?

Unser großes Re-Opening ist für den 1. Oktober geplant. Ich arbeite gerade an verschiedenen Line-Ups, aber da noch keine Acts hundertprozentig confirmt sind, kann ich dazu noch nichts sagen. In der aktuellen Situation rede ich ungern über ungelegte Eier. Wenn alles so kommt, wie geplant, wird das ein ganz schön wilder Herbst/Winter. 

 

Aus dem FAZEmag 115/09.21
Text: Torsten Widua
Foto: LuisaArt
www.protontheclub.de