Die japanische Firma Roland kennt jeder, der sich mit elektronischer Musik beschäftigt. Hinter Kürzeln wie 303, 808 oder 909 finden sich Instrumente, die maßgeblich Einfluss genommen haben auf die Geschichte von House, Techno etc.
Michal Matlak alias The Analog Roland Orchestra, seine Freundin Tabita Hub und Florian Anwander haben mit „R is for Roland“ einen kommentierten Bildband veröffentlicht, der die Geschichte dieser und weiterer Roland-Geräte erzählt – in Wort und Bild auf 400 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen und Interviews. Im Interview erzählt uns Michal, wie die Idee zu dem Buch entstanden ist, wann ihn das Roland-Fieber gepackt hat und wie letztlich dieses Mammutprojekt umgesetzt wurde.
Was war dein erstes Roland-Gerät und wann hast du es gekauft?
Michal: Das war eine TR-606, die ich immer noch habe und gerade modifiziere. Das war meine erste Drum Machine, um 2000 herum war das. Das war die Zeit, in der ich gerade Techno für mich entdeckt habe. Ich kam eigentlich eher aus der Easy Listening/TripHop-Ecke und war großer Fan von Kruder & Dorfmeister und Air. Ich kam dann mit Gigolo Records oder Dopplereffekt in Berührung und habe mich dann auch direkt mit der Frage beschäftigt, wie solche Sounds überhaupt zustande kommen. Da bin dann schnell bei Roland gelandet. Damals waren aber für mich als 15-Jährigen die großen Geräte 808 und 909 unerreichbar, zu teuer und daher habe ich mir die 606 gekauft. So fing das alles an. Mein zweites Gerät folgte nicht viel später, das war die RS-09, die diese typischen Detroit-Strings machte. Irgendwann hatte ich dann ein paar Geräte, dass ich dann auf die Idee kam, ein Orchester zu machen, das war die Geburtsstunde des Analog Roland Orchestra – im Jahre 2002.
Wie ist dann die Idee zum Buch entstanden?
Den Gedanken trage ich tatsächlich schon lange mit mir rum. Das Meiste an meinem Wissen über Roland habe ich natürlich aus dem Internet, aber ich als Print-Nerd hätte gerne mal ein Buch gehabt, eine Art Nachschlagewerk. Es gab welche, aber die waren mir dann zu technisch. Ich wollte da einfach ein bisschen mehr Story drumherum haben.
Ins Rollen kam die Geschichte als meine Freundin Tabita für ihre Bachelor-Arbeit ein Buch gestalten wollte. Sie suchte dann ein Thema und dann kam ich eben ins Spiel: ‘Ich hätte da so eine Idee …‘ Allerdings war es gar nicht so schwer sie zu überzeugen, da sie diese Leidenschaft eigentlich teilt und das Ganze auch noch von der gestalterischen und ästhetischen Seite her betrachtet.
Wie ging es dann weiter und wie kam Florian ins Spiel?
Florian kenne ich auch durch diese ganze Sammelleidenschaft und meinen Forscherdrang. Ich habe ja immer wieder ein Gerät gekauft, es gespielt und wenn’s gut war, behalten oder evt. dann getauscht. Ich kam mit ihm dann über die MC-202 in Kontakt, weil ich die eben von ihm erworben habe via eBay. Er hat ein wahnsinniges Wissen über Roland, kann die Dinger reparieren und ist einfach ein begnadeter Techniker. Daher war das dann für uns auch total klar, dass er dabei sein muss.
Ich kann zwar viel über die Geräte schreiben, aber ob das auch technischer Sicht stimmt, das kann er dann sagen. Und er kennt sich auch bei Geräten gut aus, die ich nicht nutze wie z.B. ein System-100 oder einer CR-78.
Wir hatten damals nur ein halbes Jahr Zeit, von der Idee bis zur Abgabe der Bachelor-Arbeit. Für das Shooting haben wir auch Freunde und Bekannte gefragt, ob sie uns ihre Geräte zur Verfügung stellen. Es gab dann schließlich zwei Ausgaben auf Deutsch und obwohl wir nur Blindtext hätten drucken müssen, haben wir das Buch inhaltlich gefüllt, weil wir eben keinen Blindtext haben wollten. Es waren dann Interviews von Florian und mir. Nach der Bachelor-Arbeit sind wir am Ball geblieben, bzw. hatten wir die Idee, das Ganze auch später zu veröffentlichen.
In der Zwischenzeit bin ich als freier Tonmann nach Berlin zu Telekom Electronic Beats gekommen und hatte Holger Wick, dem Macher von EB, eher beiläufig vom Projekt erwähnt. Er hat uns dann aber sofort Unterstützung zugesagt und durch diesen Support konnten wir das Ding auf ein ganz neues Level pushen: Wir konnten es übersetzen lassen, die Originalversion um 200 Seiten erweitern und eine Menge Interviews führen.
Gab es eigentlich eine Zusammenarbeit mit Roland?
Natürlich wollten wir Roland von Anfang an integrieren, bzw. uns die Erlaubnis holen, dass wir so ein Buch veröffentlichen dürfen. Im Grunde darf man ein Buch über eine Marke auch ohne deren Einverständnis rausbringen, aber das wollten wir nicht. So haben wir uns schon sehr früh nach Abschluss der Bachelor-Arbeit mit Roland zusammengesetzt, das Projekt vorgestellt und gefragt, ob sie uns unterstützen würden. Roland Deutschland war ziemlich angetan davon und hat dann auch bei der Firmenzentrale angeklopft. Wir wollten natürlich auch Insiderwissen haben, z.B. wie viele Jupiter-8-Geräte oder 808 es denn nun wirklich gegeben hat. Aber keine Chance. Es war allerdings auch eine schwierige Phase, Roland entwickelte zu der Zeit die Aira-Serie, ohne dass sie uns natürlich etwas sagen hätten können.
Letztendlich bleibt aber festzuhalten, dass wir von Roland bis auf die Erlaubnis keinen weiteren Support erhalten haben und die Firma ihrerseits möchte sich auch klar vom Buch distanzieren – sie finden es schön, dass es das Projekt gibt, aber es soll nicht der Eindruck entstehen, dass sie das in Auftrag gegeben haben. Ich muss zugeben, ein bisschen mehr Support hätte ich mir schon gewünscht, das ist etwas schade.
Gab es denn Kontakt zu zu Ikutarō Kakehashi, dem Firmengründer?
Roland hat immer gesagt, dass wir selbst zu ihm Kontakt aufnehmen müssten, die haben uns dabei nicht geholfen. Letztlich habe ich es vor wenigen Wochen doch noch über Dave Smith (Dave Smith Instruments) geschafft, ihn zu erreichen. Er hat mir eine sehr persönliche E-Mail geschrieben und möchte auch eine signierte Version des Buches haben.
Wie ist das Buch aufgebaut?
Das Buch ist in mehrere Kapitel gegliedert. Es gibt natürlich ein Vorwort, wir skizzieren kurz die Geschichte der elektronischen Musik, dann folgt ein kleiner Ausschnitt aus der Biografie von Ikutarō und ein bisschen über die Firmengeschichte. Und letztlich kommt dann die Timeline mit den 23 ausgewählten Geräten und den dazugehörigen Interviews. Wir konnten nicht alle Roland-Geräte integrieren, weil wir einerseits nicht an alle herangekommen sind und andererseits auch hauptsächlich die Geräte dabei haben, die wir selbst nutzen und mögen. Aber die Idee für ein zweites Buch steht schon in den Startlöchern, es wird „Another Selection“ heißen.
Du hast Interviews mit vielen bekannten Künstlern geführt …
Ich habe mit Lee Scratch Perry auf Jamaika telefoniert, es ging über das Space Echo. Der hat eine sehr spirituelle Herangehensweise. Er erzählte, dass er Gras raucht und somit seine Seele in das Gerät reingehaucht. Diese ganzen Geschichten der verschiedenen Künstlern und wie sich diesen Geräten nähern, waren sehr interessant. Das hat mir die Geräte nochmal aus einer anderen Perspektive gezeigt. Nicht nur als Nerd, sondern als Teil eines Musikers. Mit Laurent Garnier habe ich auch telefoniert. Er meinte, es gehe ihm um die Musik, daher ist es ihm egal, ob Sample oder Gerät. Letztlich hat er ja auch recht, daher habe ich das dann auch ans Ende des Buches gesetzt, mit diesem Zitat: „It’s not about the instrument and gear, it’s about the music.“
Wieviel Roland-Geräte hast und gibt es ein Lieblingsgerät?
Ich hatte schon wesentlich mehr, aber momentan sind es neun Geräte. Mein Lieblingsgerät? Die Ursprungscombo des Roland Orchestra: 202, 303 und 606. Wenn es aber jetzt darum geht, dass ich nur ein Gerät mit auf eine Insel nehmen dürfte, dann wäre das die FA-101 mit ungefähr 500 Batterien und einem Kopfhörer.
Die meisten Roland-Geräte sind mittlerweile ja sehr begehrt, da gibt es bestimmt sehr interessante Preisentwicklungen. Hast du da ein Beispiel auf Lager?
Die ganze Roland-Palette ist schon krass antgestiegen, aber ganz besonders merkt man das bei der Juno-Serie. Die haben früher nicht wirklich viel gekostet, weil die Juno-6 oder Juno-60 nicht midifiziert waren, die wollte dann keiner haben. Aber mehr und mehr Leute merken eben, dass die Geräte wirklich Killer sind. Man kann die Anfassen, du hast den Sound sofort da und daher stiegen dann die Preise. Früher hat so ein Gerät um die 300 EUR gekostet – meine Jupiter-4 habe ich für 250 EUR bekommen – und jetzt sind die Preise bei über 2.000 EUR. Vor allem kauft man ja auch oft genug eine Baustelle, weil die Geräte teilweise nicht mehr 100 Prozent in Ordnung sind und dann braucht man natürlich wieder jemanden wie den Florian.
Ich habe mit Musikshops gesprochen, die hatten vor vielen Jahren palettenweise 909 bei sich stehen. Die haben sie für einen Stückpreis von 50 DM bekommen, aber keine wollte die haben. Das kann man sich heutzutage gar nicht vorstellen …
Welche Roland-Geräte stehen noch auf der deiner Liste?
Es gibt noch zwei Geräte, die ich saugerne mal probieren würde. Das wäre der Roland Vocoder VP-330 und die letzte Anschaffung, was polyphone Synthie angeht, wird ein JD-800 sein. Der ist 1991 rausgekommen und ist nicht mehr analog. Für mich allerdings beginnt analog dort, wo ich meine Hände ins Spiel bringe, also an einem Gerät herumspiele und eben nicht einen Bildschirm vor mir habe.
Wie bewertest du die Arbeit, die Roland mit seinen Maschinen geleistet hat?
Wenn man die Geschichte betrachtet, Roland hatte nicht vorgehabt Acid House oder Techno zu erfinden. Die haben Instrumente für Musiker gemacht und die sind dann einfach teilweise gefloppt. Die 303 war eigentlich ein Ersatz für einen Bassisten in einer Band, aber das ist nicht angenommen worden. Die Kiste war schwierig zu programmieren, dass die einfach zu weit weg war von einem richtigen Bassisten. Und auf einmal nimmt es jemand in einen komplett neuen Kontext und erfindet dann Acid House – Phuture mit „Acid Tracks“. Oder nimm die 808, die zwar schon immer ein bisschen erfolgreicher war, aber dann kommt Juan Atkins/Cybotron und macht den ersten Techno-Track. Roland hat letztlich eine coole und sehr wichtige Ausgangsbasis geschaffen durch die Vielzahl ihrer Geräte, da war für jeden etwas dabei, woraus man tief schöpfen konnte. Das war und ist schon sehr einmalig, ich glaube nicht, dass so etwas nochmal passieren wird. Ich wette mit dir in 50 Jahren wird die 909 Hihat immer noch die Leute zum Tanzen bewegen.
Hier könnt ihr das Buch bestellen: www.roland-book.com
“R is for Roland – Selected Roland synthesizers and drum machines from 1973 until 1987“
An illustrated book by Tabita Hub
Written by Michal Matlak and Florian Anwander
Presented by Telekom Electronic Beats
– Hardcover, Rundrücken, Querformat
– 384 Seiten, 1,7 Kilo, Englisch
– Preis Deutschland: 49,90 EUR inkl. Versand // Rest der Welt: 59,90 EUR inkl. Versand
Die Geräte im Buch:
Space Echo RE-201 (1973), System-100 (1975), SH-7 (1978), CR-78 (1978), Jupiter-4 (1978), RS-09 (1979), TR-808 (1981), Jupiter-8 (1981), TB-303 (1982), TR-606 (1982), Juno-6 (1982), SH-101 (1983), Jupiter-6 (1983), MC-202 (1983), JX-3P (1983), TR-909 (1984), Juno-106 (1984), TR-707 & TR-727 (1985), Alpha-Juno 1; Alpha Juno 2 (1985) , TR-505 (1986) & TR-626 (1987)
Alle Interviews (alphabetisch):
Au Revoir Simone (Interview zum Juno-6)
Jeff Mills (Interview zur TR-909)
The Egyptian Lover (Interview zur TR-808)
The Hacker (Interview zur TB-303 und SH-101)
Laurent Garnier (Interview generell zum Thema Vintage Equipment)
Lee “Scratch” Perry (Interview zum Space Echo RE-201)
Legowelt (Interview zum Jupiter-4)
Mark Ernestus (Basic Channel, Rhythm & Sound) (Space Echo)
Mathew Jonson (Interview zum JX-3P)
Modeselektor (Interview zum Space Echo)
Nightmares On Wax (Interview zur TR-808)
Plastikman (Interview zur TR-909 und TB-303)
Portishead (Interview zum Space Echo und SH-101)
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Fotos: Tabita Hub