Rival Consoles –  Synergie aus Tanz und elektronischer Musik

Credit: Özge Cöne

Erst im Sommer letzten Jahres hat Rival Consoles sein Album „Articulation“ veröffentlicht, aber schon zu diesem Zeitpunkt lagen die Pläne für den Nachfolger in der Schublade, wobei Schublade hier der falsche Begriff ist, denn Ryan Lee West, so sein bürgerlicher Name, erkundet mit „Overflow“ nicht nur neue Klangwelten und hat nicht nur einfach ein weiteres Studioalbum produziert, sondern liefert hier die Vertonung der gleichnamigen Tanzproduktion des Choreographen Alexander Whitley ab.

„Overflow“ ist sein siebtes Album, das wie die Vorgänger auf Ryans Stammlabel Erased Tapes erscheint. Die Tracks sind alle schon vor Anfang 2020 fertiggestellt worden, „obwohl der dystopische Charakter der Stücke seltsamerweise mit der Pandemie zusammenzuhängen scheint“, erklärt der Musiker. Dieser Charakter hat vor allem mit der Entstehungsgeschichte des Albums zu tun. Alexander Whitley, mit dem er schon bei kleinen Projekten zusammengearbeitet hat, empfahl ihm das Buch „Psychopolitik: Neoliberalismus und die neuen Machttechniken“ von Byung-Chul Han und so kam es, dass Big Data, Social Media, Werbung und Marketing zu einem Leitmotiv des Projekts wurden. „Es geht nicht so sehr darum, soziale Medien zu kritisieren, denn das Konzept dahinter hat viele gute und hilfreiche Eigenschaften. Es ist eher der Apparat, der dahintersteckt: die Forschung, das Sammeln und Verkaufen von Daten; die Unternehmen, die riesige Geldsummen investieren, um die Menschen immer süchtiger zu machen; der finanzielle Gewinn und die Macht hinter den sozialen Medien, die uns sogar so sehr beeinflussen, dass sie politische Wahlen beeinflussen und verzerren können. Wir haben in letzter Zeit viel darüber gelernt, dass Hass und Panikmache zu den beunruhigendsten Aspekten der sozialen Medien gehören und ein echtes Problem darstellen, das der Gesellschaft schadet“, erklärt Ryan.

Der Produktionsprozess von „Overflow“ gestaltete sich sehr abwechslungsreich und startete auch schon vor der eigentlichen Arbeit an der Vertonung, Ryan schrieb vorab eine Reihe von Songskizzen, die Alexander Whitley dann als Basis dienten, um erste Ideen für die Choreographie zu entwickeln. Zusammen mit den Tänzer*innen erarbeitete er dann bei den Proben vorläufige Kompositionen, um diese dann im Studio auszubauen und zu optimieren. Dabei erlebte der Londoner immer wieder Höhepunkte und neue Herausforderungen: „Ich denke, es gab viele wirklich großartige Momente, die auftauchten, wie zum Beispiel ,Monster‘, das so kühn und stark ist, oder die emotionale Science-Fiction von ,Pulse of Information‘. Ich habe sehr viele verschiedene Produktionsverfahren verwendet, von alten, entgleistem, kaputtem analogem Sound bis hin zu sehr sauberen, digital schimmernden, modernen Klängen – es ist die vielfältigste Produktion, die ich vom Sound und von der Komposition her geschaffen habe. Das Schwierigste war, das Gesamtbild zu verstehen und sicherzustellen, dass das Tempo von Idee zu Idee in den 70 Minuten stimmt, was eine Menge an Evaluierung und Tests erfordert.“

Ein sehr vielschichtiger Prozess, der hier zwei Disziplinen zusammengeführt hat, die sonst nicht so oft aufeinander treffen –  und eine Kombination, die Rival Consoles sehr beschäftigt und fasziniert: „Ich mag es sehr, dass sowohl zeitgenössischer Tanz als auch elektronische Musik von Natur aus sehr abstrakt sind, und aufgrund dieser Synergie finde ich es natürlich und interessant, Musik dafür zu schreiben.“

Aus dem FAZEmag 118/12.21
Text: Tassilo Dicke/Magdalena Bojanowski
Credit: Özge Cöne
www.rivalconsoles.bandcamp.com