Roundtable zum Status Quo der Event- und Clubszene in Deutschland

In unserer Januar-Print-Ausgabe haben wir einen Round Table zum Status Quo der Event- und Clubszene in Deutschland organisiert. Mit dabei sind die Berliner Plattenladenbetreiberin, DJ und Produzentin Cinthie, Björn Oesingmann vom Zurück zu den Wurzeln Festival, Tobias Wicht von Butan Events, der Geschäftsführer des Harry Klein Clubs in München Peter Fleming und – ebenfalls aus München – Tom Hilner vom Pacha.

Wie geht es weiter mit der Club-Kultur in Deutschland? Geht es weiter? Was haben wir gelernt aus den vergangenen 20 Monaten? Inwiefern hat uns die Pandemie sogar geholfen, Dinge und Probleme klarer zu sehen und zu benennen? Probleme, die schon immer da waren, aber nicht beachtet oder als relevant erachtet wurden. Dass die Club- und Event-Szene nicht mehr das sein kann, was sie vor Corona gewesen ist, leuchtet ein. Aber welche Lehren ziehen die Macher aus dieser Ausnahmesituation?

Hier ein paar Auszüge aus dem sechsseitigen Round Table in der Januar-Ausgabe.

 

Cinthie: Richtig hart hat es mich natürlich bei den Gigs getroffen, die wurden von jetzt auf gleich alle abgesagt bzw. verschoben. 2020 habe ich mein erstes Album auf Aus Musik veröffentlicht und war schon bis November fast ausgebucht. Wenn man selbständig ist, ist es natürlich immer gut zu wissen, dass man viele „Aufträge“ hat, damit man etwas planen oder ggfs. auch nachjustieren kann in Form von Releases etc. Was auf der anderen Seit total nach oben geschossen ist, sind die Verkäufe in meinem Plattenladen und auch meine eigene Vinyl-Verkäufe, Streamings und Downloads, so dass ich die Pandemie bzw. den Lockdown finanziell gut überbrücken konnte mit dem Laden, Royalties, Verkäufen, Remix-Auftragsarbeiten für andere Künstler oder auch Video Spiele. Für den privaten Bereich war die Pandemie für mich persönlich ziemlich gut, denn ich hatte wieder mehr Zeit für Familie und Freunde.

 

Tobias Wicht: Das Veranstaltungsgeschäft liegt nahezu seit zwei Jahren indoor zu 100% brach. Ich habe zwar in diesem kleinen Zeitfenster im Herbst, in dem man überhaupt etwas kurzfristig planen und durchführen konnte, sofort wieder versucht, an den Start zu gehen, jedoch ist das Risiko der Absagen / Verschiebungen etc. und dem damit verbundenen Theater nicht zu unterschätzen. Eine seriös planbare Situation haben wir seit langem nicht mehr, und die staatlichen Hilfen greifen oftmals nicht.

 

 

Peter Fleming: Wir vom Harry Klein hielten in der Woche bis zur Schließung täglich längere Besprechungsrunden ab. Da David Süß, unser ehemaliger Geschäftsführer und heute Stadtrat in München, eine medizinische Ausbildung hatte, konnten wir auf seine Einschätzung zählen. Uns wurde ziemlich schnell bewusst, dass sich der Lockdown über mehrere Monate hinziehen würde, vor allem für die Clubs. Die Maßnahmen haben wir mit dem Verständnis der schwierigen Lage und fehlenden Planbarkeit seitens der Politik weitestgehend mitgetragen und verstanden. Meinem Partner Peter Süß ging es beispielsweise anfangs nicht sehr gut mit diesem Zustand. Heute zweifelt man jedoch schon eher manche politische Entscheidung an. Die Wissenschaft hat es besser vorausgesehen, und damit müssen wir nun leben. Am meisten ärgert uns, dass Politiker*innen wie Markus Söder und sogar Liebling Karl Lauterbach, Clubs als Pandemietreiber betiteln, und dies ohne jegliche Belege. Wir, und das sind die vielen organisierten Clubs in Bayern und auch Deutschland, sehen hier ganz eindeutig als kommunikatives Bauernopfer.

 

Björn Oesingmann: Bitte, das Thema staatliche Hilfe ist bei mir / uns ein absolutes Reizthema. Wo soll ich da anfangen, etwa bei Bundeshilfsprogrammen, bei denen mitten im Prozess die Regeln geändert werden, auf dass der Großteil der Hilfsempfänger zurückzahlen darf? Oder bei Bundeskrediten mit 100% staatlicher Absicherung, die von den prüfenden Banken müde belächelt wird? Oder wollen wir darüber reden, dass wir als „offizielles Modellprojekt“ des Land Brandenburg alle Kosten des Modellprojekts (ca. 400.000 Euro extra) selbst tragen mussten. Ich kann dazu nur so viel sagen, wir beantragen nichts mehr! Wir vertrauen wie schon immer auf die Solidarität unserer Gäste und helfen uns selbst. Die Feierlandschaft wird sich verändern. Durch die „Krisenkommunikation“ der Regierung und der Medien kann sich kaum einer vorstellen, im nächsten Jahr „normal“ auf Festivals zu feiern. Dass die Preise steigen werden, ist ja nicht nur inflationsbedingt. Jede Leistung die du als Veranstalter buchst, egal ob Musikanten oder Toiletten, wird teurer.

 

Tom Hilner: Wir wünschen uns neue Clubs durch Eroberung der aktuell freiwerdenden Flächen. Und weniger Events, die sich immer noch „Mehr & Größer“ auf die Fahnen schreiben. Die Flut an Open Airs im Sommer bzw. Festivals im Herbst und Winter schadet der Clublandschaft mittlerweile enorm. Die paar Wochenenden ab Mitte September bis Mitte November waren bei uns sehr stark besucht. Die Leute hatten ja auch einiges nachzuholen. Trotzdem fehlten uns natürlich die Städtereisenden, die bei uns allen ja einen erheblichen Teil vom Umsatz ausmachen. Wir haben versucht die Preise stabil zu halten, aber ich befürchte das wird auf Dauer nicht möglich sein.

 

 

Den kompletten Round Table findet ihr in der Januar-Ausgabe mit Bonobo auf dem Cover und dem gratis Download-Mix von Anii. Zum Abo kommt ihr hier: www.fazemag.de/abo