Studio Workflows mit iZotope – Was macht die KI in meiner Musik?

Aus Cambridge, Massachusetts, stammt die Software-Manufaktur iZotope, die zuerst für Mixing-, Recording- und Audio-Restaurations-Tools bekannt wurde. Jeder Audio Engineer im Filmbereich verwendete mit iZotope RX eine Editing-Software, mit der man das Rauschen, Brummen, Übersteuern oder S-Laute aus dem Originalton rausziehen konnte. Und für viele Producer ist die Mastering-Suite Ozone mittlerweile das Tool, um ihre Tracks auf ein Release-fähiges Niveau zu bekommen. Selbst Mastering-Wizards wie Robert Babicz benutzen Ozone bei digitalen Masterings. Neben reinen Audio-Werkzeugen entwickeln die Amerikaner seit geraumer Zeit auch eine Reihe an Plug-ins, die das gesamte kreative Potenzial im Studio ausschöpfen sollen. Dazu gehören zweifelsohne der Effekt-Baukasten Stutter-Edit 2, der Stimmen-Manipulator Vollsynthetisch 2, sowie einer der innovativsten Software-Synthesizer auf dem Markt, Iris 2, auf den Musiker wie der Hamburger Stimming schwören. Interessanterweise ist auch eins der Free Plug-ins äußerst verbreitet: iZotope-Vinyl macht Sounds auf Knopfdruck alt, simuliert Tonhöhenschwankungen und ringt sterilen Signalen ein charmantes Vinylrauschen ab. Doch nun wurde genug Süßholz geraspelt und es wird Zeit, ein paar nützliche Tricks für elektronische Musik mit den iZotope-Plug-ins auszuprobieren.

Music Rebalance

Für mich war Music Rebalance, ein Werkzeug aus iZotopes Audio-Restauration-Suite RX8, zunächst fast so etwas wie Zauberei: Man lädt einen fertigen Track in den Editor und sieht dann vier Parameter, mit denen man einzelne Spuren dieses Track separieren oder hervorheben kann: Vocal, Bass, Drums, Other. Natürlich hört man am Ende nicht die originale Stimmspur, wie sie aufgenommen wurde. Doch vor allem mit kurzem Rausch- und Störgeräusch-Editing in der RX-Software hat man hier einfach ein perfektes Tool für eigene Edits, Bootlegs und vor allem Remixe.  Du willst etwas mit den Vocals von Maceo Plex’ „When The Lights Are Out“ machen? Oder du möchtest eigene Vocals über einen Ben-Böhmer-Track singen und brauchst eine Instrumentalversion?

Alles kein Problem mit Music Rebalance und einem guten Ohr für Feinheiten. Denn: Wie so oft bei iZotope-Software, hat künstliche Intelligenz auch hier geholfen, die Messlatte des Möglichen nach oben zu schrauben. Doch die Verantwortung für das Ergebnis hat man natürlich als Musiker selbst, sodass man über die separierten Vocals nochmals mit den Hausmitteln EQ, Kompressor und Hall gehen sollte, bis das Ergebnis wirklich glänzt. Aber gerade bei reduzierten Tracks, wie so manchem Hip-Hop-Track, funktioniert Music Rebalance perfekt, sodass man sich sehr schnell mit dem passenden Housebeat unter den Rap-Vocals beschäftigen kann. Als Option zum Bouncen gibt es auch Separate, das einem die „Einzelspuren“ aus einem fertigen Track rauszieht, sodass man sie individuell in der DAW bearbeiten kann.

Neutron 3 – Mix-Assistent

Es gab eine Zeit, in der immer zuerst der Kompositions- und Recordingprozess, dann der Mixdown und zuletzt das Mastering an der Reihe waren. Elektronische Musik lebt allerdings davon, dass der gesamte Produktionsprozess dem Track Ausdruck verleiht und es eine direkte Verknüpfung von Melodien, Klangfarbe und Mixing gibt, die man schwer ohne Zusammenhang denken kann. Und so kommt es, dass Producer schon mit mehreren Effekten auf dem Master produzieren und aufnehmen. Trotzdem oder gerade deswegen ist ab einer gewissen Komplexität in der Session ein Ordnungsschritt nötig. Jon Hopkins, seines Zeichens einer der erfolgreichsten Liveacts und Kritikerliebling, erzählte über die Entstehung seines „Singularity“-Albums, dass er sein gesamtes Material ab einer gewissen Spurenanzahl zu einem Mixing Engineer gab. Hier wurde dann eine gewisse Balance zwischen den hunderten Spuren hergestellt, bevor Jon Hopkins wieder weitere Elemente hinzufügte.

Für diesen Schritt eignet sich iZotopes Mixing-Suite Neutron 3 von Haus aus, da sie nicht nur einen einzelnen Channel mit ihren Effekten bearbeiten kann, sondern mithilfe des Hilf-Plug-ins Relay auch den gesamten Mix im Auge behält. Und das geht so: Man lege auf jede Spur in der Session das Relay-Plug-in. Nun reicht eine einzige Neutron-Instanz in der Session, damit der Mix-Assistent des Plug-ins Zugriff auf alle Spuren hat, denn das Relay-Plug-in schickt alle Spuren zu der einen Neutron-Instanz. Die Spuren werden nun alle aufgelistet und man kann einstellen, welche Instrumente im Vordergrund stehen sollen, also eine der wichtigsten Mixing-Entscheidungen überhaupt. Ab diesem Punkt „hört“ sich die künstliche Intelligenz deinen Track an, wobei es wichtig ist, das gesamte Arrangement durchzuspielen. Außerdem müssen alle Track- und Panorama-Fader in der Ausgangsstellung sein, um ein gutes Resultat zu bekommen.

Am Ende dieses Durchhörens gibt dir der Mixing-Assistent von Neutron einen Vorschlag, wie man die Lautstärke, das Panning und die Stereobreite einzelner Spuren in deinem Projekt regeln könnte. Entweder man übernimmt diesen Vorschlag oder wenn einem das Ergebnis noch nicht passt, kann man natürlich manuell nachregeln oder den Fokus des Mix-Assistenten einfach auf eine andere Spur legen. Nach mehrmaligem Testen bin ich ein Fan dieser Methode geworden, auch wenn ich künstlicher Intelligenz bei Musik vorher eher ablehnend gegenüberstand. Natürlich ist Neutron auch ohne diese Technik ein riesiges Mixing-Arsenal mit Equalizern, Kompressoren, Saturation und TransientDesignern, doch gerade dieses schnelle Aufräumen der Session finde ich attraktiv für den Workflow, gerade wenn der ganze Mix sehr überladen und matschig erscheint.

Ozone 9 – Master-Assistent

Wenn der Mixdown dann steht und sich alle Spuren in sich stimmig anhören, kommt es zum Mastering. Hier ist Ozone schon seit Jahren das meistverbreitete Tool sowohl im Bedroom-Producer- als auch im Profi-Bereich, wenn es um digitales Mastering geht. Ozone ist eine Mastering-Suite, die Tools wie dynamische EQs, Maximizer, Imager, Limiter oder alle möglichen Metering-Werkzeuge in einem Plug-in beinhaltet. Und auch hier wird wieder mit künstlicher Intelligenz gearbeitet. Und so ist es „leider“ schon vorgekommen, dass Kunden meiner Audio-Branding-Agentur das Master von Ozone, von künstlicher Intelligenz erstellt, gepickt haben, anstatt das Master, das manuell und mit legendärem Outboard-Gear gemacht wurde. In Ozone gibt es den Master-Assistenten, in dem man das Zielformat, also CD oder Streaming, die Intensität des Masters und die Mastering-Ästhethik, also Vintage oder Modern, einstellen kann.

Besonders dabei ist die Option, einen Referenztrack in Ozone zu laden, dessen Lautheit und spektrale Beschaffenheit analysiert werden. Nun wird dem eigenen Track wieder „zugehört“, wobei man diesen unbedingt nur an der lautesten Stelle abspielen sollte, und dann mit der Referenz angeglichen. Dabei benutzt Ozone ausschließlich Basic-Module-Equalizer, Kompresser, Maximizer und Dynamic EQ, um einen Startpunkt für noch genauere Bearbeitungen zu geben. Und das ist gerade das Sympathische am Master-Assistenten. Hier wird gar nicht vorgegaukelt, dass eine Software den perfekten Masterklang hinlegen kann, sondern der Einsatz der eigenen Ohren ist entscheidend für guten Sound. Trotzdem hilft der Assistent bei einer ersten Orientierung doch sehr und bringt Tracks schon in eine gute Richtung. Bei den weiteren Bearbeitungen helfen einem auch wieder Referenztracks: Im Reference-Panel kann man bis zu zehn Referenzen laden, deren Equalizer-Kurven und Lautheit mit dem eigenem Projekt verglichen werden können. An dieser Stelle sollte man sich also eine eigene Playlist mit großartig gemasterten Tracks jeglicher Genres zusammenstellen und diese als Referenz für die eigenen Projekte benutzen. Zum Finetuning in Ozone gibt es auch ein Modul mit dem Namen „Master Rebalance“, das dem oben beschriebenen Tool aus dem RX-Paket sehr ähnelt. Wer hier vorsichtig mit umgeht, kann wirklich an die Essenz eines Tracks gehen und auch noch große Änderungen qualitativ gestalten.

Für dieses Feature musste ich mich natürlich auf wenige Tools der Amerikaner beschränken, aber alle anderen findet ihr auch bei Splice, wenn ihr das Ganze einmal ausprobieren wollt. Zum Einstieg in die iZotope-Welt gibt es auch einige verrückte und nützliche Free-Plug-ins, am anderen Ende des Spektrums umfassende Musikproduktionspakete jeglicher Couleur.

 

Aus dem FAZEMAG 110/04.2021
Text: Bastian Gies
www.izotope.com