Tanz den Väth – oder: „16 BIT“ nutzt Techno als Samplequelle für moderne Tanzkunst

Tanz den Väth – oder: „16 BIT“ nutzt Techno als Samplequelle für moderne Tanzkunst

Tanz den Väth – oder: „16 BIT“ nutzt Techno als Samplequelle für moderne Tanzkunst

Als Michael Münzing, Luca Anzilotti und Sven Väth unter dem Projektnamen 16 BIT ihren Clubhit „Where Are You?“ veröffentlichten, war Paula Rosolen etwa drei Jahre alt. Nun hat die argentinische Choreografin diesen historischen „Techno“-Track aus dem Jahr 1986 in den Hochkultur-Orbit katapultiert. Ihr Stück 16 BIT ist eine musikalische und visuelle Hommage an die „Gründerzeit“ der Szene und eine Tour de Force für sechs Tänzerinnen und Tänzer, die nach der Premiere in Frankfurt jetzt auf Tour geht: Insgesamt sechsmal ist das Stück im Februar 2023 in Düsseldorf, Dresden und München zu sehen.

„Es gibt zwei Sachen, die mich an 16 BIT fasziniert haben“, erklärte Paula im Gespräch mit Fazemag. „Ich hatte kurz nach dem Ausbruch der Pandemie 2020 den Clip „Where are you?“ wieder entdeckt. Im Kontext der Schließung von Clubs und Theatern hat mich zum Nachdenken darüber gebracht, was wir alles für selbstverständlich nehmen, bis es uns verloren geht.“ Der Flashback ins Jahr 1986 erwies sich als starke Inspirationsquelle. Die metallischen Sounds und die düstere, monoton „new wawige“ Stimmung repräsentierten einerseits „den Anfang von einer Art ‚Proto-Techno‘, ich hatte den Eindruck, da gestaltet sich etwas neues.“ Aus heutiger Sicht steht der Track aber auch für eine Leerstelle, „als hätte Frankfurt die Lust am hedonistischen Feiern verloren“, für das die Stadt in den Achtziger und Neunziger Jahren mit Clubs wie Dorian Gray und Omen bekannt war.

https://www.youtube.com/watch?v=wZCkLmNR2uc

Der zweite Aspekt, den sie aus dem verwaschenen YouTube-Clip herausdestilliert hat, war für die Choreografin der eigentliche Rohstoff für die Performance. Die Art und Weise, wie der damals 22-jährige Sven zur Musik tanzte, hat sie fasziniert und nicht mehr losgelassen. Durch seinen Tanzstil war er schon als Teenager auf dem Floor des Dorian Gray aufgefallen, seine Moves hatte er in endlos langen, schweißtreibenden Nächten unter dem Flughafen stetig verfeinert.

Bei „Where Are You?“ oszilliert Väth zwischen grazilen Bewegungen und martialischem ‚Auf-der-Stelle-treten“, sein Stil erinnert mal ein bisschen an den Flow bestimmter Breakdance-Figuren, dann wieder an die zackigen Tanzbewegungen von Bands wie Deutsch Amerikanische Freundschaft oder auch die Italo-Disco-Brüder Righeira. Marionette und Roboter standen Pate für Svens improvisierte Choreografie. Neben seinen unnachahmlichen Moves hat Paula für ’16 BIT‘ auch andere „historische“ Tanzstile aus den Jahren 1985 bis 1995 – der prägenden Dekade von Techno als popkulturellem Phänomen – “katalogisiert“ und „gesampelt‘, um daraus eine hochverdichtete Geschichte ohne Worte zu erzählen.

Es gehe ihr nicht nur darum, zu elektronischer Musik zu tanzen, sie will gemeinsam mit ihrer Compagnie „herausarbeiten, wie Techno als sozialer Klebstoff funktioniert hat, auch und gerade in der Zeit der Wiedervereinigung“ Anfang der Neunziger. „Techno hat eine transnationale Entwicklung gemacht und übernimmt eine gesellschaftliche Rolle, die ich sehr spannend finde“, erklärt sie. Grundsätzlich gehe es ihr darum, „einem breiteren Publikum durch den Tanz auch Themen und Fragen näher zu bringen, mit denen es noch nicht so vertraut ist.“ Aber keine Angst: Das einstündige Stück funktioniert auch ohne große theoretische Aufladung sehr gut, und man möchte spätestens bei „Where Are You?“ direkt zu den Tänzerinnen und Tänzern auf die Bühne und mitraven.

3./4. Februar: Düsseldorf, Tanzhaus-NRW

10./11. Februar: Dresden, Europäisches Zentrum der Künste

15./16. Februar: München, Muffathalle

Infos: www.haptic-hide.com | Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=sEXDH20Q4pc

 

 

Text von Christian Arndt

 

 

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