Techno, Klima und Konsum – Pt.2: Aparde

Es gibt dieser Tage kaum ein Thema, das stärker polarisiert als der Klimaschutz. Die aktuelle Debatte darüber lässt uns über einige Gewohnheiten reflektieren, die wir uns angeeignet haben, und verbindet Anliegen der Ökologie mit sozialen, kulturellen und ökonomischen Fragen. Kein Wunder, dass sich in meinem E-Mail-Postfach nach dem ersten Teil der Kolumne „Techno, Klima und Konsum“ viele gute Impulse von euch fanden. Sehr oft ging es darum, lokale Strukturen wie die Clubkultur oder bestimmte Event-Reihen zu stärken. Der Wunsch nach einer regionalen Club-Landschaft, die sehr viele Spielarten der elektronischen Musik abbildet, und damit nach einem anspruchsvollen, interessanten Nachtleben in einer größeren Anzahl von Städten ist angekommen. Wie wir alle wissen, haben es Clubs in vielen Orten nicht leicht, doch euer leidenschaftliches Engagement verleiht diesem Wunsch Nachdruck und eine fördernde Kulturpolitik kann zur Erfüllung beitragen.

 

Ich freue mich, für diese Ausgabe mit Aparde, seines Zeichens DJ und Produzent mit bezaubernden Releases auf Traum, Stil vor Talent und Lencient Tales sowie seinem neuen Stammlabel Ki Records, über Transformationsprozesse der elektronischen Szene aus der Sicht eines DJs sprechen zu können. Der gebürtige Usedomer gilt als sehr naturverbunden und lässt das immer wieder in seine Musik einfließen.

Hallo, Paul. Würden in einer idealen Welt DJs und Raver um den Planeten fliegen, um zu treibenden Beats zu tanzen?

Auf jeden Fall! In einer idealen Welt würde jeder Mensch reisen können, ohne dabei das Klima zu belasten. Prinzipiell bin ich der Meinung, es gibt für jede Handlung einen Toleranzbereich. Es sollte immer auch beachtet werden, wer darüber entscheidet, welche Optionen uns zur Verfügung stehen. Solange es keine klimaneutralen Flüge gibt oder das Transportwesen verstaatlicht wird und die Menschen Einfluss darauf haben, wie sie reisen können, wird sich an der aktuellen Belastung für unser Klima nicht viel ändern. Generell halte ich aber Festivals, die irgendwo in der Wüste oder auf einer entlegenen Insel stattfinden, für sehr fragwürdig; auf der einen Seite ist die Anreise aller Teilnehmer sehr aufwendig und auf der anderen Seite wird das Ökosystem vor Ort extrem belastet.

Wie lassen sich ein viraler Werdegang und ein möglichst kleiner CO2-Fußabdruck vereinen? Inwieweit würdest du bezüglich deiner eigenen Karriere Abstriche machen, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen?

Ich versuche, möglichst häufig landesweit und europaweit mit dem Zug zu fahren. Zudem werde ich in der Regel mit höchstens ein bis zwei weiteren internationalen Acts gebucht. Den Rest der Zeit spielen dann lokale DJs. Auch das Publikum bleibt überwiegend lokal. Das finde ich nach wie vor eine vernünftige Art. Meinen eigenen Werdegang würde ich dem Ganzen jetzt aber nicht komplett unterordnen. Wie immer im Leben muss man sich dessen bewusst sein, was man tut, wie man lebt und was man besser bleiben lässt.

Wie wird unter DJ-Kollegen über das Thema gesprochen, wie wird unter DJs über die ökologische Verträglichkeit des eigenen Lifestyles und der gesamten Kultur nachgedacht?

Man merkt, dass mehr darüber gesprochen wird, auch in meiner Agentur hatten wir schon das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit auf dem Tisch – die Möglichkeiten sind aber einfach begrenzt. Ich wohne in Berlin und habe daher den Vorteil, dass die Anreise zum Flughafen sowie zum Bahnhof sehr kurz ist. In Berlin gibt es auch vergleichsweise viele Clubs und somit Möglichkeiten, live zu spielen, und gleichzeitig gibt es hier sehr viele Leute, die gerne zu elektronischer Musik tanzen. Ich glaube, jeder DJ, der sich mit dem Thema beschäftigt, steckt in einer Art Zwickmühle – man möchte schließlich auch weiterhin seine Kunst präsentieren.

Welche positiven Trends siehst du zurzeit aufkommen, wer ist ein absoluter Vorreiter für dich?

Tatsächlich nicht viele. Aber auch hier muss man sagen, dass dieses Thema immer präsenter wird. Ich denke da zum Beispiel an das Futur2-Festival: Hier wurde der Strom mit Solar-Energie erzeugt, die zweite Bühne wurde teilweise von Fahrrädern mit Energie versorgt. Es war eine gut organisierte Veranstaltung mit einem sehr coolen Publikum und einer sehr schönen Location. Am Ende hat die Art der Energiegewinnung nichts an der Qualität des Festivals geändert. Es war wirklich schön, dass ich dabei sein konnte. Vielleicht ist das ein Trend und wird auch bei anderen Festivals zunehmend Beachtung finden. Da ist Kreativität bei den Veranstaltern gefragt – ein nachhaltiges Festival lässt sich sicher auch gut vermarkten.

Welche Dinge, Angewohnheiten, Trends in der elektronischen Szene gehen deiner Meinung nach gar nicht und sollten schnell geändert werden, was die Ökologie angeht?

Ich halte vor allem diese überdimensionierten Veranstaltungen für überflüssig. Generell gibt es, egal wo man sich aufhält, zu wenig Mülleimer. Auch dass einige Leute mit dem Privatjet reisen, geht gar nicht. Am Ende verdienen Veranstalter und Festival-Organisatoren eine Menge Geld, das wohl eher selten in alternative und umweltschonende Ideen investiert wird. Daran muss sich etwas ändern.

Bei dem Klima-Thema dreht sich ja auch viel um Reduzierung des Verbrauchs. Auf die Techno-Welt angewendet: Könnte eine Verringerung der Größe und der Quantität von Events nicht auch viele Vorteile mit sich bringen, z. B. eine Intensivierung des Erlebnisses? Wie kann man Klimaschutz und Einschränkung mit elektronischer Musik und Feiern zusammenbringen? Wie erlebst du das?

Ich sehe das ähnlich: Eine Reduktion dieser Art von Events würde dazu beitragen, dass Erlebnisse bewusster geschätzt werden. Ich denke zum Beispiel auch an zusätzliche Livestreams, die in Clubs oder auf Events laufen könnten. Das ließe sich bestimmt interessant umsetzen. Ein exklusives Beispiel dafür wäre die Live-Übertragung des Astronauten Luca Parmitano im August 2019, in der er ein 20-minütiges DJ-Set spielte. Ähnlich könnte man es mit „Cercle“- oder „Boiler Room“-Events handhaben. Ob das so gut ankommt, weiß ich aber auch nicht.

Es gibt immer mehr Festivals, die näher an der Natur sein wollen und daher in Wäldern oder Gebirgen stattfinden. Ein guter Weg?

Dabei kommt es auf die Organisation und Umsetzung an. In solchen Fällen sollte eine klimaneutrale Art der Anreise für alle Besucher und Künstler eingerichtet werden, zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit Bus- und Bahnunternehmen. Auch Stromanbieter könnten Ökostrom zur Verfügung stellen und nachhaltige Lebensmittel könnten von lokalen Unternehmen bezogen werden. Vor allem muss die Natur so hinterlassen werden, wie sie aufgefunden wurde. Viele Leute sind gerne in der Natur und ein naturnahes Festival hat sicher seinen Reiz, aber ich persönlich finde das eher problematisch.

Festivals haben ein Abfallproblem, am Ende fallen oft mehrere Hundert Tonnen Müll an. Was ratet ihr den Ravern?

Auch hier kann ich nur wiederholen, dass es unabdingbar ist, seinen eigenen Müll richtig zu entsorgen und direkt auf Wegwerfprodukte zu verzichten – die benötigt man bei einem umweltfreundlich organisierten Festival sowieso nicht. Hier sind alle in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten.

Eines ist klar: Hoch polarisierende Themen wie das Fliegen sind ausschließlich Symptome eines Problems, und zwar unserer Entfernung und Entfremdung von der Natur. Doch manchmal haben solch symbolische Handlungen wie der Verzicht auf diese Art des Reisens einen großen Einfluss: Sie zeigen, dass wir bereit sind, uns auf einen Wandel einzulassen. Darauf reagieren Politiker und ebenfalls Veranstalter von Events – und so kommt der Stein ins Rollen.

 

Aus dem FAZEmag 093/11.2019
Text: Bastian Gies
Foto: Christoph Spranger

Teil 1: Techno, Klima und Konsum
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