Techno, Klima und Konsum

Was fasziniert uns eigentlich an elektronischer Musik, warum gehen wir auf einen Rave? Was ist der Grundgedanke dabei? Wir feiern Techno, weil uns die Musik berührt, wir zu ihr tanzen wollen, sie unsere Augen zum Leuchten bringt und wir ein paar Stunden in eine andere Welt entführt werden. Wir werden von etwas angesprochen, etwas wirkt auf uns ein. Wir reagieren auf bestimmte Grooves, Sounds und Klangfarben und kommen verändert aus dem Club oder vom Festival.

Wie wir alle wissen, ist es aber auch möglich, dass sich dieser Effekt der Musik nicht einstellt. Er kann eintreten, wenn man niemals damit gerechnet hat, oder er zeigt sich nur in einem einzigen Moment. Diese Unverfügbarkeit fasziniert uns jedes Mal aufs Neue – und anderseits versuchen wir immer wieder, uns diese Momente verfügbar zu machen, was sich fatal auf unsere Natur auswirkt. Es ist diese eine Frage, die DJs in ihren Interviews immer wieder wegstreichen und nicht beantworten wollen: Wie kann man die vielen Flugmeilen, derer sich viele Akteure ständig rühmen, umgehen? Wie kann man vermeiden, dass sich während des Festivalsommers hunderttausende Raver mit dem Flugzeug in Bewegung setzen, um riesige Events zu besuchen? Und in diesem Zusammenhang stellt sich mir auch eine weitere Frage: Warum bleiben die kleinen Clubs immer wieder leer, wenn kein großer Name auf dem Programm steht, und warum können sich Veranstalter nur mit immer gehypteren Bookings über Wasser halten? Die großen Namen auf dem Line-up, die am meisten durchdachte LED-Show, die exklusivsten VIP-Specials auf einem Festival am anderen Ende des Kontinents an einer unglaublich aufregenden Location sind der schlichte Versuch, diese Wechselwirkung mit der Musik verfügbar und konsumierbar zu machen. Kauf dir jetzt für 250 Euro ein unglaubliches Techno-Erlebnis mitten in den Alpen. Im Dschungel. Auf den höchsten Gipfeln. Im Weltraum.

 

Die Folgen für die Natur sind klar. Wir wissen, was es bedeutet, wenn nicht nur die Big Player des Dance-Business selbst jedes Wochenende fliegen, sondern auch ihre Fans, die sich mit veganem Streetfood direkt auf dem Festival-Gelände ein ökologisch gutes Gewissen kaufen können. Dieses Verhalten, das unseren Planeten zerstört, könnte man vielleicht sogar ignorieren, wenn es wenigstens unsere Resonanz auf die Musik und die Kultur verbessern würde. Stattdessen beschleicht mich oft das Gefühl, dass zwar alle sagen, wie die Light-Show sie beeindruckt oder der Moment fasziniert hätte, in dem DJ XY den Bass gedroppt hat – aber währenddessen stehen sie gelangweilt, uninspiriert und verloren da, nicht mit leuchtenden Augen. Sie sind dabei, das Geschehen mit ihrem Phone für ihre Freunde live verfügbar zu machen, und die scheinen genauso wenig berührt. Wer ein teures Ticket gekauft hat, der sollte das Event doch umso mehr genießen wollen, mag man denken – doch das Gefühl, von der Musik mitgenommen zu werden, kann man sich leider nicht kaufen. Damit will ich nicht sagen, dass man auf einer Techno-Mega-Veranstaltung das Gefühl der Resonanz nicht ebenfalls erleben kann, aber es wird mindestens erschwert, da man eine klare Erwartung von etwas Unverfügbarem hat.

 

Was machen wir jetzt mit diesen Gedanken? Nie wieder raven? Nur noch Bionade trinken? Auch keine Lösung. Aber ein starker Support lokaler oder nationaler Acts und Events wäre angebracht. Unterstützt eure Resident-DJs und lokale Kollektive, denn die haben es ebenfalls drauf, euch super durch die Nacht zu führen. Schaut nicht nur nach großen Namen oder spektakulären Events, sondern lasst euch von der Musik überraschen. Wir brauchen ein neues Narrativ einer gelingenden Clubbing-Szene – mit einer reinen Anti-Haltung wird nichts gewonnen. Macht euch Gedanken darüber, wir ihr selbst das Nachtleben bereichern könnt. Ihr habt schon Ideen? Dann schickt sie uns gern an bastian@fazemag.de!

Text: Bastian Gies

 

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