Zeitgeschichten – mit Electric Indigo

Zeitgeschichten – mit Electric Indigo

Mit ihrer Plattform female:pressure trug sie maßgeblich zur Sichtbarkeit weiblicher, nicht-binärer und trans Künstler*innen in der elektronischen Musikszene bei: Susanne Kirchmayr alias Electric Indigo. Die Wienerin leitete außerdem von 1993 bis 1996 die Geschicke des Plattenlabels Hard Wax, releaste Musik auf Kompakt, Editions Mego, Imbalance Computer Music und International Deejay Gigolos und tritt nach wie vor als DJ auf internationalem Parkett in Erscheinung. Wir haben mit ihr über die Pionierrolle von female:pressure gesprochen.

Susanne, welche Umstände haben dich, Acid Maria und Gudrun Gut 1998 dazu bewogen, ein internationales feministisches Netzwerk innerhalb der elektronischen Musikwelt aufzubauen?

Die Idee zum Netzwerk entstand, weil ich als DJ oft auf ein vermeintliches Fehlen von Frauen in der Szene angesprochen wurde. Ich wollte dem mit einer systematischen, zeit- und ortsunabhängigen Datenbank entgegenwirken und besprach das 1997 mit Kolleginnen wie Acid Maria, Eva Cazal und Miss Kittin. Wir arbeiten momentan an einer neuen Website, die die Funktionalität auf ein neues Level bringen soll.

Zeichnung von Miss Kittin, ca. 2000.

Welche Reaktionen hat die Gründung damals hervorgerufen? Feministische Netzwerke im von Männern dominierten Sektor gab es ja kaum.

Anfangs war das Interesse begrenzt, auch weil viele noch keinen Internetzugang hatten. Mit der Zeit wuchs die Aufmerksamkeit, etwa durch eine Groove-Coverstory Anfang der 2000er-Jahre. Die Initiative wurde jedoch oft missverstanden – manche hielten uns für eine Art Girl-Group von Techno-DJs, was wir nie waren. Von Anfang an war es mir wichtig, alle Genres, Berufe und Spielarten elektronischer Musik einzubinden und global präsent zu sein. Allerdings stießen feministisches Engagement und unsere Arbeit auch auf Vorbehalte, da es oft als karrierehinderlich wahrgenommen wurde.

Es gab also anfangs viele Rückschläge?

Nein. Viele der frühen Mitglieder haben sich engagiert und female:pressure anderen näher gebracht. So ist das Netzwerk langsam, aber stetig gewachsen. Da die ganze Arbeit ehrenamtlich ist, gibt es auch eine große Unabhängigkeit und eben keine schlimmen Rückschläge.

Welche waren die wichtigsten Projekte und Aktionen der Plattform, die eine nachhaltige Wirkung entfalten konnten?

Das einflussreichste Projekt war sicher unsere FACTS-Studie, die wir 2013 das erste Mal und 2024 zuletzt veröffentlichten. Damit waren wir die Ersten, die konkrete Zahlen zur Geschlechterverteilung auf den Bühnen von elektronischen Musikfestivals lieferten. Das brachte viel Medienecho und hat den Diskurs in Schwung gebracht.

Electric Indigo 1999

Der Feminismus hat sich in den letzten Jahren diversifiziert und weiterentwickelt. Gibt es Aspekte, die du am „modernen“ Feminismus kritisierst, insbesondere in der Musik- und Kunstwelt?

Wir sind reifer geworden, was Inklusion und Antirassismus betrifft, und haben uns klar gegen feministische transphobe Strömungen positioniert. Gleichzeitig gab es eine Phase, in der Feminismus von Unternehmen oft oberflächlich genutzt wurde, um Zielgruppen zu erreichen – wenig glaubwürdig, aber nicht verdammungswürdig. Heute hingegen ist Antifeminismus leider ein profitables Geschäfts- und Politikkonzept geworden.

Machst du aktuell Musik?

Ich bin glücklich mit meinem neuen AV-Live-Set, das ich laufend weiterentwickle. Ich werde das in den nächsten Monaten ausarbeiten und dann wird ein drittes Solo-Album fällig.
Mitte Dezember kam ein Track für die „10 Years Anniversary Releases“ von 30D heraus: „One Thing“. Der ist aus den Skizzen für meinen Beitrag zur „Ableton One Thing“-Serie entstanden.

Aus dem FAZEmag 156/02.2025
Web: www.indigo-inc.at