Ableton Live 10 – Testbericht von Björn Torwellen

Ableton-Live-10-Announcement_2_print5Björn Torwellen

Ableton Live ist aus den meisten Producer-Haushalten kaum noch wegzudenken. DAW (Digital Audio Workstation) hat die Art der elektronischen Musikproduktion in vielen Bereichen verändert. Seit der Einführung im Jahr 2001 gab es reichlich Updates; durchschnittlich kam alle zwei Jahre ein neues Major-Update. Ableton Live 10 ließ aber ganze fünf Jahre auf sich warten. Umso mehr freue ich mich, Ableton Live 10 testen zu dürfen – und eins vorweg: Ich bin begeistert!

N E U E  D E V I C E S
Natürlich fällt der Blick zuerst auf die neuen Devices. Devices sind Ableton-interne Effekte und Instrumente. Hier war ich zunächst etwas kritisch. Schließlich ist der Plugin-Markt in den letzten Jahren von Drittanbietern überschwemmt worden. Was sollte Ableton nun also in seine Software integrieren, was es noch nicht gibt? Insgesamt finden wir drei neue Effekte und ein neues Instrument.

FM, Subtraktiv, Physical Modeling – das sind die Synthese-Arten, die Ableton in seiner großen Suite-Version bereits an Bord hat. Mit dem Wavetable-Device schließt Ableton die Lücke im Synthesizer-Portfolio. Neben einem Sub-OSC stehen im Wavetable zwei Oszillatoren mit unterschiedlichen Wavetables zur Verfügung. Besonders intuitiv ist die Modulationsmatrix, die mit jeweils zwei LFOs und Envelopes viel Spaß beim Modulieren von spacigen Texturen oder auch Wobble-Sounds bietet. Wer zum Beispiel den Massive von Native Instruments kennt, findet sich sehr schnell zurecht, auch weil der Wavetable deutlich einfacher gestrickt ist. Ich bin begeistert von dem hochauflösenden Klang und der breiten Palette an Sounds, die das neue Familienmitglied generiert.

Zeitreise gefällig? Echo ist das neue Delay im Klang-Sortiment. Mit seinem Radar-Look sieht es nicht nur sexy aus, es klingt auch so. Wer die alten Sounds aus einem Roland RE-201 liebt, wird sich hier schnell zu Hause fühlen – ganz gleich, ob dubbige Soundscapes, lebendige Sci-Fi-Delays oder tiefe und subtile Echos.

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Zum Pedal muss man nicht viel sagen: eine gute klingende „Gitarren-Tretmine” für leichte bis krasse Verzerrungen. Danke! Drumbus ist ein Alleskönner für Drums – ob subtil oder brachial. Eine Art Channelstrip, der für mehr Wärme, knackige Distortion und die richtige Komprimierung in deinem Mix sorgt. Richtig gut gefällt mir, wie der Drumbus auf Transienten reagiert. Ein Traum für alle Fans von fetten Bassdrums!

V E R B E S S E R T E R  W O R K F L O W
Nun gut, vier neue Devices machen noch lange kein Major-Update aus. Besonders punktet die neue Version in meinen Augen mit den Workflow-Verbesserungen; innovativ ist die Capture-Funktion. Jeder kennt es: Man klimpert auf dem Keyboard rum, aber vergisst, das Ganze aufzunehmen. Die gute Idee ist dahin. Durch Capture können jetzt die improvisierten Einfälle auch ohne Aufnahme festgehalten werden. Ein Klick auf den Capture-Button reicht aus und die eben noch lose Idee ist in Ableton fixiert. Live passt sich dem Tempo und Timing an und spielt die Idee automatisch als Loop ab.

Gut gefallen hat mir die Neuerung im Arrangement-Bereich. Clips können mit den Pfeiltasten bewegt werden; Automationen werden mittels der A-Taste ein- und ausgeblendet. Stretchen funktioniert nun auch innerhalb der Clips und es kann durch die Wellenform gescrollt werden. Auch die für mich so wichtigen Fades müssen jetzt nicht mehr über das Pulldown-Menü ausgewählt werden, sondern sind immer sichtbar. Es fühlt sich irgendwie so an, als wären diese Funktionen schon immer da gewesen. Besonders für Leute, die schon sehr viel mit Ableton gearbeitet haben, ist es eine echte Bereicherung. Ein lang erwartetes Feature ist auch das „Multi MIDI Editing“. Es können mehrere MIDI-Clips aus verschiedenen Spuren in einem gemeinsamen Fenster bearbeitet werden. So wird die Arbeit mit MIDI-Noten noch effizienter und das musikalische Gefüge eines Songs lässt sich leichter überblicken.

N E U E R  B R O W S E R,  R O U T I N G  U N D  G R U P P E N
Als Produzent ist es stets wichtig, eine gute Sammlung an Samples, Presets und Plugins zu haben. Schließlich wollen wir das Rad nicht immer neu erfinden. Aber wie sieht es mit der Ordnung aus? Seit Version 9 gibt es die verbesserte Suchfunktion, mit der sehr schnell die gewünschten Sounds gefunden werden. Durch die neuen Farbcodes können nun Presets oder Samples getaggt werden. So können Devices mit oft genutzten Einstellungen mit nur einem Click im Browser angezeigt werden. Als Erstes habe ich mir meine Standard-EFX-Einstellungen in Farbcodes sortiert. Genial!

Inputs und Outputs können nun anhand der angeschlossenen Hardware benannt werden. Auch Gruppen können jetzt in beliebig viele weitere Gruppen verschachtelt werden.

F A Z I T
Neben den hier aufgezählten Features warten noch jede Menge weitere Neuerungen auf den Käufer. Ableton hat mit dem Update nicht einfach die ohnehin schon sehr gute DAW mit neuen Features bestückt. Vielmehr wurde der Workflow in vielen Details verbessert. Hier merkt man, wie fokussiert der Hersteller die Wünsche und Probleme der User bei der Entwicklung beachtet hat. Es macht einfach Spaß, mit der neuen Version zu arbeiten und kreativ zu sein. Alles ist irgendwie flüssiger, schneller und angenehmer.

Ableton gibt als Release-Date Frühjahr 2018 an. Ein bisschen muss der User also noch warten. Aber das Warten lohnt sich.

Aus dem FAZEmag 070/12.2017 
Text: Björn Torwellen

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