Alexander Kowalski – schließt den Kreis nach 12 Jahren

Nach „Echoes”, „Progress”, „Response”, „Changes” und einer schier endlos wirkenden Album-Pause von zwölf Jahren erschien vergangenen Monat Alexander Kowalskis neuer und fünfter Longplayer „Cycles“ – zur Überraschung vieler auf Bas Mooys Label Mord. Wir wollten mehr über das neue Album, den Entstehungsprozess und die Hintergründe erfahren und haben uns mit Alexander Kowalski getroffen, um darüber, aber auch über seine Ideen und Zukunftspläne zu sprechen.

4 - Alexander Kowalski Promoshot 2016 by www.nancy-eichler.de5

 

Du hast ja nun schon viel Erfahrung in Sachen Albumproduktion. Wie gehst du ein solches Projekt im Allgemeinen an?

Der Entstehungsprozess ist teilweise sehr verschieden. Früher habe ich Ideen vorproduziert und mich dann drei Monate komplett im Studio eingeschlossen, um diese Ideen auszuarbeiten und ein Album daraus zu machen. „Cycles“ hingegen ist über einen Zeitraum von ca. neun Monaten entstanden. Angefangen hat es mit einem Demo für Mord Records, das aus drei Tracks bestand. Dem Label-Boss Bas Mooy gefielen die Tracks, aber er wollte mehr Auswahl haben, um die Entscheidung für eine EP zu treffen. Ich habe dann diverse Sessions gemacht und immer wieder viel mit der Hardware experimentiert. Letztendlich haben sich dann über die Zeit hinweg immer mehr Tracks zusammengefunden. Ich habe also diesmal wirklich bei null angefangen und das ganze Album aus einem Guss entstehen lassen. Außerdem war es schön, keine Deadline zu haben oder sonst irgendwie unter Zeitdruck zu stehen – so konnte ich viel befreiter arbeiten und es war mehr Platz für Experimente.

Inwiefern unterscheidet sich nun dein neues Album von den früheren Werken hinsichtlich der Arbeitsweise, deiner Prioritäten oder deines Geschmacks?

Bei der Produktion der Tracks habe ich mich diesmal bewusst selbst limitiert und wollte außerdem eine bestimmte Soundästhetik erreichen. Angefangen hat jedoch alles damit, dass ich meine Roland TR-909 und SH-101 verkaufen wollte, um mir ein großes Modular-System im Studio aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade zwei Sessions mit meinem sehr guten Freund Kay abgehalten, der unter dem Namen Secam produziert und die LPZW Eurorack Module entwickelt. Ich war also extrem interessiert an dieser neuen Welt. Doch noch bevor die 909 & 101 tatsächlich verkauft waren, fing ich wieder an, mit ihnen zu jammen. Mir gefiel diese rohe, intuitive Art zu arbeiten und es war eine willkommene Abwechslung, da ich zuvor recht viel am Rechner gemacht habe. Ich nahm also noch ein paar weitere Synths dazu und hielt ein paar Sessions fest. Daraus entstanden dann die bereits erwähnten ersten drei Tracks, die auf dem Album nun auch tatsächlich direkt aufeinanderfolgen – die Rede ist von „Uprising“, „The Carbon Boy“ und „From Within The Circle“.

Ich habe mir dann zusätzlich noch alte Effekte und Kompressoren gekauft, um dem Sound der Neunziger wieder so nahe wie möglich zu kommen. Beim Abmischen der Tracks bin ich dann absichtlich etwas roher vorgegangen und habe auch mal extreme Einstellungen am Mischpult oder bei den Effekten gewählt. Da vieles live aufgenommen wurde, hat das ganze Album auch eine Art Jam-Charakter. Insgesamt habe ich während der Entstehungsphase versucht, meinen Hang zur Perfektion zu überwinden und trotzdem etwas zu schaffen, womit ich am Ende sehr zufrieden bin.

Und so wurde aus einer EP für Mord ein ganzes Album.

Ich bin schon seit geraumer Zeit ein großer Fan von Mord Records und mich interessiert der etwas rohere Sound gerade wieder sehr. Nach den ersten drei Nummern hat sich das Album dann auf ganz organische Weise entwickelt. Bas Mooy hatte dann auch große Lust, „Cycles“ zu veröffentlichen. Er ist musikalisch sehr offen und hat mir überhaupt keine Grenzen gesetzt. Ich denke, für viele war es eine große Überraschung, dass auf einmal ein Kowalski-Album auf Mord erscheint – aber genau das fanden wir beide auch sehr spannend. Ich mag es, mich selbst und andere zu überraschen und neue Wege zu gehen.

Beim Albumnamen bist du deinem Stil treu geblieben. Welche Gedanken stecken hinter dem neuen Titel?

„Cycles“ hat mehrere Bedeutungen für mich. Unter anderem hat sich mit diesem Album tatsächlich ein Kreis für mich geschlossen. Ich glaube, es ist das Album, das ich sowohl gefühlsmäßig als auch zeitlich vor meinem ersten Album „Echoes“ ansiedeln würde. Es ist stark beeinflusst vom sehr rohen amerikanischen und englischen Techno-Sound der 90er-Jahre. Damals hatte ich gerade erst angefangen, Musik zu machen, und verfügte weder über die Hardware noch über die Skills, um so ein Album zu produzieren. Gleichzeitig ist aber auch alles in diesem „Cycle“ vorhanden, was mich als Menschen und Produzenten ausmacht. Ich habe so viele Einflüsse verarbeitet – bewusst wie unbewusst, denn Techno begleitet mich ja schließlich schon den Großteil meines Lebens.

Und mit „Cycles“ wird das wohl auch so bleiben! Wird es denn im Zusammenhang mit dem Album eine gesonderte Tour geben?

Wir sind gerade mit der Planung der Tour-Dates beschäftigt; leider ist das Album-Release-Date etwas nah am Sommer und die Festivals sind da meistens schon mit dem Booking durch. Allerdings arbeite ich gerade an der Umsetzung des Albums in einen neuen Live-Act. Der Startschuss für diesen Act war die Record-Release-Party im Tresor in Berlin. So schließt sich dann auch der nächste Kreis, da dort ja 1997 alles für mich angefangen hat. Ich finde es toll, dass ich 21 Jahre später immer noch im Keller stehe und meine Musik dort spielen kann.

Du hast deinen ersten Gig 1997 im Tresor gespielt und das direkt live?

Ja, das war damals eine sehr spontane Sache. Ich hatte einen Freund, der jemanden von den „Headquarter“-Nächten für Newcomer kannte. Diese fanden immer mittwochs im Keller statt. Er fragte mich nach einem Demo-Tape mit Tracks. Das Projekt DisX3 habe ich damals noch zusammen mit meinem guten Freund Sascha gemacht. Wir hatten zu der Zeit nur im Studio produziert, aber noch nie live im Club gespielt. An einem Freitag kam dann der Anruf mit der Nachricht, dass wir am folgenden Mittwoch live im Tresor spielen könnten. Das war total aufregend und wir haben dann bis zum Gig komplett durchgearbeitet. Als der große Tag gekommen war, haben wir fast das ganze Studio abgebaut, es in den Opel Kadett eines Freundes gequetscht und sind ab in den Keller. Damals gab es noch keine Laptops oder so, wir hatten also unseren Atari-Computer mit Röhren-Bildschirm, unser riesiges Studio-Mischpult, diverse Drum-Maschinen, Sampler und Effekte dabei. An diesem Abend waren auch Pacou und Hendrik von Sender Berlin im Club, die dann den Kontakt zum Tresor-Label hergestellt haben. Das Ganze ist verdammt lange her, aber wir sind alle immer noch sehr gut befreundet. Sascha macht heute leider keine Musik mehr, doch nach unserem allerersten gemeinsamen Projekt ist der Track „Rotary Deadlock“ auf dem neuen Album benannt.

Bleiben wir doch noch etwas in der Vergangenheit. Du bist genauso wie Modeselektor, Marcel Dettmann, Apparat und Paul Kalkbrenner in der DDR aufgewachsen – die Zeit nach dem Mauerfall habt ihr mehr oder weniger gemeinsam erlebt. Kanntet ihr euch damals alle schon?

Wir waren ja quasi schon die zweite Techno-Generation nach dem Mauerfall! Die Szene in Berlin war damals auch noch etwas überschaubarer, als sie es heute ist. Es gab einfach viel weniger Clubs und DJs. Wir kannten uns alle und trafen uns oft auf irgendwelchen Partys. Man hatte natürlich auf dem Schirm, was die anderen so musikalisch machen, und hat das gespannt verfolgt. Das war schon alles sehr lustig. Ich habe oft mit der BPitch-Crew abgehangen. Ben Klock und die Gebrüder Teichmann haben im WMF Cafe Moskau gespielt. Das Ostgut hat frisch aufgemacht. Es war eine magische Zeit für mich, da ich damals gerade in meinen Anfängen war. Alles war sehr spannend. Und das ist es heute immer noch!

Seit deinem letzten Album sind nun ganze zwölf Jahre ins Land gegangen. „Changes“ erschien 2006, in der Zwischenzeit hast du dich um andere Projekte wie d_func. gekümmert. Woher kommt nun die neue Energie für Alexander Kowalski?

Es war ja nach „Changes“ ein weiteres Album auf meinem damaligen Label Different geplant – und es war eigentlich auch schon fertig produziert. Der Labelbetreiber hat es sich aber im letzten Moment anders überlegt und mich damit ein wenig in der Luft hängen lassen. Das war auch ein Grund dafür, dass ich dann mit dem Label Damage Music angefangen habe. Mit den ersten Releases habe ich auch ein paar Tracks von dem geplanten Album veröffentlicht; andere Nummern sind komplett in der Schublade verschwunden, da sie irgendwie ohne den Albumkontext nicht so gewirkt haben. Nachdem dann mein Vertrieb Intergroove Pleite gegangen war, hatte ich auch erst mal keine Lust mehr, das Label weiterzuführen. Zu dem Zeitpunkt steckte ich auch schon recht viel Energie in mein Projekt d_func., das war für mich irgendwie eine neue Herausforderung und mit mehr Spannung verbunden. Nebenbei habe ich noch zahlreiche Kowalski-Tracks für die Schublade gemacht, jedoch kaum was davon veröffentlicht. Die Lust, wieder mehr unter Kowalski rauszubringen, verspüre ich schon eine ganze Weile, ich war mir aber nicht sicher, in welche musikalische Richtung ich mich bewegen sollte. Das Album hat mir nun sehr dabei geholfen, einen neuen Weg zu finden, und mit diesem frischen Schwung wird es in Zukunft wieder mehr von mir zu hören geben.

Geht es auch mit den anderen Projekten weiter?

Also, die anderen Projekte rücken jetzt erst mal etwas in den Hintergrund, auch wenn ich immer noch sehr viel Spaß mit ihnen habe. Gerade mit d_func. habe ich einen ganz guten Lauf und gute Releases. Aber der Fokus liegt jetzt erst mal auf neuen Kowalski-Veröffentlichungen. Es ist auch schon einiges geplant.

Dürfen wir uns in dem Zusammenhang auch auf ein Comeback deines Labels Damage Music freuen?

Nach der Pleite von Intergroove habe ich mit dem Label eine Pause eingelegt. Zu der Zeit hatte ich mich ja sowieso eher auf d_func. konzentriert, was auch musikalisch nicht so zu Damage Music passte. Ich muss zugeben, dass ich über eine lange Zeit auch etwas orientierungslos war, was die musikalische Richtung angeht. Aber auch hier habe ich jetzt einige Ideen im Kopf, die ich versuche, so bald wie möglich umzusetzen.

Kommen wir nun langsam zum Ende. Seit „Changes“ haben sich Wahrnehmung und Wertschätzung vieler Hörer und Konsumenten gewandelt. Schnelllebigkeit ist hier das Stichwort. Welchen Wert hat das Format Album heute für dich?

Also, ich bin immer noch ein großer Freund des Album-Formats. Aber es ist echt schwer, ein wirklich gutes Album zu finden. Viele sind entweder einfach nur eine Ansammlung von Tracks, ohne ein wirkliches Konzept, oder sie enthalten zu viele Tracks, die ich nicht wirklich mag. Wahrlich gut ist ein Album für mich, wenn ich es von Anfang bis Ende komplett durchhören kann. Diesen Anspruch habe ich auch an meine eigenen Alben. Mir ist es immer sehr wichtig, dass das Track-Listing stimmig ist und Sinn macht. Da höre ich mir die Übergänge der Tracks auch gerne mal stundenlang an, um zu testen, ob die Stücke auch wirklich zueinander passen.

Hoffen wir, dass unsere Leser sich nun ebenfalls stundenlang an deinem neuen und 13 Track starken Album erfreuen – ob zu Hause oder im Club.

 

Aus dem FAZEmag 076/06.2018
Text: Gutkind
Foto: Nancy Eichler Photographie – www.nancy-eichler.de
www.alexanderkowalski.de

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