Das Beatport-Streaming ist ein großes Thema in der Musikwelt. Wir haben aus diesem Grund ein spontanes Interview mit Alex Flitsch von Connaisseur Recordings geführt, der das Label seit nunmehr fast einer Dekade leitet.
FAZE: Alex, du führst das Label Connaisseur Recordings seit 2005. Im kommenden Jahr feiert ihr zehnjähriges Jubiläum.
Inwiefern hat sich euer Einkunftsmodell im Laufe dieser zehn Jahre verändert? Wie viel Prozent macht Vinyl noch aus?
Alex Flitsch: Als wir mit Connaisseur loslegten, steckte Digital noch in den Kinderschuhen, wir hatten zwar ziemlich schnell unseren direkten Deal mit Beatport sowie einen Digitalvertriebsdeal für den Rest, aber richtig gekümmert hatte man sich nicht darum. Ich kann mich noch erinnern, wie Luca von den Audioflys mir ganz aufgeregt auf der Sonar 2006 mitgeteilt hat, dass gerade drei Titel von Connaisseur in der Beatport Top 10 wären, und ich hatte das überhaupt nicht mitbekommen. Das war so der Moment, ab dem ich das erste Mal das Digitalgeschäft wahrnahm, aber trotzdem noch zu verbohrt nostalgisch auf den physischen Tonträger fixiert war, um das tatsächliche Potential zu erkennen. Man war auch damals andere Zahlen gewöhnt. Unsere ersten Katalognummern haben wir mit 2000 Stück angepresst und die Woche später gleich nochmal den Repress geordert. Von unserer ersten Katalognummer (Patrick Chardronnet „Eve By Day“) gingen 10.000 Kopien weg, davon kann man heutzutage nur noch träumen. Das Ganze hat sich natürlich extrem verschoben über die Jahre. Von unserem Beginn bis heute gab es drei bis vier ernsthafte Vinyl-Einbrüche würde ich mal behaupten. Zuerst der Cut von 2000 Anpressungen auf 1000, dann ging es auf 700-800 runter, dann auf 500 und jetzt presst man vorsichtig 300 Stück an und hofft, die bekommt man überhaupt noch weg. Zeitgleich hat aber auch natürlich Digital immer mehr an Wichtigkeit gewonnen und hatte seinen Peak wohl vor drei Jahren. Um jetzt zu Deiner Frage zu kommen, der Prozentsatz des reinen Gewinns an Vinyl ist verschwindend gering und somit für uns als Einkunftsmodell sekundär. Vinyl kann sich sicherlich noch auf Hobby-Niveau rentieren, wenn man es als Vinyl-only Label betreibt und seine Nische gefunden hat, in der man mit ordentlicher DIY-Manier rumfuhrwerkt. Aber für ein Label wie uns, was schon relativ lange am Markt ist und Format-mässig breit aufgestellt ist, kann das von mir immer noch geliebte Vinyl leider nur noch als Visitenkarte angesehen werden.
FAZEmag: Streaming-Dienste wie Spotify, Ampya, Wimp, Rdio, Napster sind sehr populär, jetzt wird auch Beatport hinzukommen. Wieso siehst du als Labelinhaber dies kritisch?
Alex Flitsch: Mein Verhältnis zu Streamingdiensten ist ziemlich ambivalent. Eine große Skepsis war von Anfang an präsent, aber eigentlich möchte ich mich nicht neuen Technologien verschließen, denn sich gegen die Weiterentwicklung zu stellen, ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Des Weiteren hat mir auch immer mein Labelpartner Ralph eingetrichtert, der auch den Digitalvertrieb Paradise betreibt, dass ich Streaming nicht als Konkurrenz zum Download sehen soll, sondern als Radio 2.0. Sicherlich hat er damit auf gewisse Weise recht, das ändert aber trotzdem nichts an dem Fakt, dass Streaming Downloadkunden abgreift und irgendwie kann ich es auch verstehen. Aus der Sicht des Konsumenten ist es einfach ein logischer Schritt, vor allem für den Konsumenten, der kein DJ ist. Für mich als Musik Heavyuser stellen diese Unmengen an Downloads auf dem Rechner eine ziemliche logistische Herausforderung dar und viele Files verschwinden eh nach der Zeit nur noch im Nirvana der Festplatten. Aus dieser Sicht gibt es für mich definitiv eine Daseinsberechtigung für Streamingdienste. Das Hauptproblem ist einfach das Abrechnungsmodell. Gerade heute habe ich mich wieder mit Ralph über dieses Thema unterhalten. Ich bin eben der Meinung, man hätte von Anfang auf dieses Freemium-Modell verzichten sollen. Stattdessen einen Monat for free zum Test und dann kostet es, wie es auch Video-On-Demand-Dienste handhaben. Ralph setze hier wiederum dagegen, dass auf diese Weise niemand den Dienst genutzt hätten. Die etwas jüngeren Generationen sind es eben einfach von den Pike auf gewohnt Musik im Internet umsonst zu konsumieren. Das bekommt man nicht mehr raus. Also ist es im Endeffekt ein konsumevolutionäres Problem, und darauf habe ich leider gerade keine Lösung. Man kann nur abwarten.
FAZEmag: Wie viel verdient ihr im Schnitt an einem Download und wie viel an einem gestreamten Track?
Alex Flitsch: Wenn man jetzt keine Exklusivitäten, Bundle-Preise, Preisaktionen oder ähnliches berücksichtigt, würde ich sagen, man bekommt durchschnittlich nach Abzug von Mechanicals oder etwaigen Vertriebsmargen (jeder Shop hat einen anderen Preis) ungefähr 0,50€ pro Download, die man mit dem Artist aufteilt. Das Thema Streaming ist da wesentlich komplexer und schwer zu durchschauen, aber im Schnitt würde ich behaupten man bekommt 0,02 Cent pro Stream und das ist schon relativ großzügig. Der Preis ist von sehr vielen Faktoren abhängig: Freemium oder Premium? Promo Aktionen (also dort wo der Streaming Dienst lange Freemium Modelle anbietet, um Kunden zu generieren oder auch Day-Passes) müssen einbezogen werden. Welche Länder (wegen eventueller Verwertungsgesellschafts-Abzügen)? Stream oder Monetization? Und bei Monetization ist die Frage ob nur Audio oder auch Video.
FAZEmag: Was werdet ihr machen, wenn Beatport Label automatisch ‚verstreamt‘?
Alex Flitsch: Wir müssen uns das Modell erstmal genau anschauen, bevor ich jetzt final urteile. Wenn der Track nicht bei Beatport gestreamt wird, gehen die Leute eben zu Youtube oder Spotify, um es dort anzuhören. Youtube hat eben im Vergleich zu den anderen Lösungen den Vorteil des „User-generated Content“, sprich, auch wenn andere Nutzer auf ihren Kanal einen Track von uns hochladen, wird dieser von uns monetarisiert und wir verdienen mit. So spielt eben die Masse den Umsatz ein. Die Strategie bei Beatport soll sein, dass „Pro“ in Zukunft der Download-Shop sein wird und das normale Beatport der Shop für Streaming. Ich wäre gegen ein 100%ige Spiegelung unseres Katalogs, könnte mir aber vorstellen, aus dem Downloadkatalog exklusive Bundles für das Streaming-Portal zu gestalten und auch die Beatport Mixes wäre auf dem Streaming-Shop besser aufgehoben. Es sollte eben immer eine Verlinkung zu „Beatport Pro“ geben.
FAZEmag: Wie seht ihr das Verhältnis – physisch – digital – stream in den kommenden Jahren?
Alex Flitsch: Zu physisch zählt ja auch die CD. Obwohl man hier definitiv die beste Marge hat und auch schöne Produkte schnitzen kann, wird die CD keine Bedeutung mehr haben. Vinyl wird weiterhin auf kleinem Niveau funktionieren. Der aktuelle Vinyl-Boom spielt sich ja eher in anderen Genres ab, als Clubmusik-Label merkt man das gerade nur an den sehr langen Produktionszeiten, weil die Presswerke mit ihren Aufträgen nicht mehr hinterher kommen. Für den Download sehe ich leider gerade auch keine allzu große Zukunft mehr, denn wer außer einem DJ hat denn wirklich noch einen Nutzen davon, wenn das Musikstück als File auf dem Rechner liegt? Für den reinen Otto-Normal-Verbraucher wird Streaming und Monetization die Macht werden, es ist einfach logisch und passt in unsere Zeit. Wie wir Label damit (über-)leben werden, wird auf einem anderen Blatt stehen.
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