Bootshaus Insights mit Marco Franica

Vorwort:

Dieses Jahr feiere ich mein zehnjähriges Bootshaus-Jubiläum und habe mir daher gedacht, einen Rückblick auf ein paar Tracks zu geben, die schon damals zu den „Essentials“ einer guten Nacht und Afterhour gehörten. Tatsächlich bin ich beim Durchstöbern meiner Musiksammlung auf weitaus mehr gestoßen, aber die Folgenden sind einfach unausweichlich:

Erol Alkan, Boys Noize – Lemonade [Phantasy Sound]:

Ich bin kein Freund von inflationären superlativen Beschreibungen – aber wenn etwas als „Banger“ bezeichnet wird und ich zustimmen muss, ist es „Lemonade“. 2010 auf Alkans Label „Phantasy Sound“ erschienen, zu einer Zeit, als auf den Mainfloors der Clubs und Festivals noch sehr progressiver House vorherrschte, konnte man nicht selbstverständlicher Ekstase unter den Raver*innen erzeugen als mit diesem Track. Ein Stil, der sich im Bootshaus vornehmlich durch die legendäre Partyreihe „Loonyland“ etabliert hat und praktisch zum Signature-Sound unter den Stammgästen wurde. Ich garantiere, dass jede und jeder, der zu dieser Zeit bei uns feiern war, den Track kennt und liebt. Ich auch!

Boston Bun – Housecall [Ed Banger Records]:

Alles, was aus dem Hause von Pedro Winters (Busy P) Label „Ed Banger“ kommt, kann man nicht mehr als Geheimtipp verkaufen. Auch „Housecall“ gehört dazu. Ein Track, den ich hier vorstellen möchte, weil er im Bootshaus so prominent gespielt wurde, dass ich mich kaum an eine Nacht ohne ihn erinnere. Ich behaupte dies zu Recht, denn spätestens nachdem das als Stilmittel verwendete Rufzeichen des namensgebenden „Housecall“ ab Minute zwei erlischt und die ohnehin schon treibende Bassline mit der rhythmisch geschnittenen Vocal ergänzt wird, gibt es keine Fragen mehr.

French Fries – Yo Vogue (VIP) [Dirtybird]:

Mit diesem von den taktgebenden Hi-Hats angeführten Groove und ziemlich eindeutigen Vocals lässt man keinen Stein auf dem anderen. Ein absoluter all time favourite von mir. Die sogenannte „Tech-Funk“-Bewegung aus San Francisco hatte Anfang der 2010er ein Hoch, weshalb sich Tracks dieser Art gerade aus dem „Dirtybird“-Kosmos einer hohen Beliebtheit erfreut haben. Das Sounddesign bedient sich klassischer UK-Bass-Synths und Drumcomputer. Mit der VIP-Version bleibt es niemals nur bei einem gelangweilten Kopfnicken. Vogue B*tch!

DJ Hyperactive – Wide Open (Len Faki DJ-Edit) [EC Records]:

Bevor das Bootshaus umgebaut wurde und seinen dritten Floor mit der Dreherei erhielt, hat hauptsächlich die Blackbox für Techno hergehalten. In tiefes rotes Licht gehüllt, mit tropischem Klima und ausschließlich einer Stufe, die als DJ-Kanzel verwendet wurde, konnte es nicht authentischer in die Afterhours gehen. Len Fakis Version des 1998 erschienenen Originals hat dort durch seine kompromisslose Kickdrum samt Rumble und dem abwechselnd trockenen, dann wieder Effekt-lastigen Thema eine unglaubliche Energie freigesetzt.

Eliphino – Vrybdy [Somethink Sounds]:

Sobald die Filterfahrt im Intro abgeschlossen wird, folgt ein Schlag auf den anderen. Mehrere Abschnitte, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch das Gefühl geben, dass sie die logische Konsequenz sind. Gerade bei Warm-up-Sets, die sich langsam Richtung Peaktime entwickeln, gibt einem dieser Track alle Mittel an die Hand, um die Spannung des Dancefloors auf das nächste Level zu heben. Ich habe diesen Track immer dabei und er dient mir nach wie vor als eine sichere Bank.

 

 

Aus dem FAZEmag 112/06.21