Kompaktkonsolen richten sich an Einsteiger – entsprechend sollten sie kostengünstig und können unmöglich high-quality sein? Das kann man so sehen. Möglicherweise muss man es als prominenter Hersteller sogar, um sich nicht in die Gefahrenzone eines Umsatzflops zu begeben. Denon DJ jedoch stellt die alte Gleichung infrage und probt mit dem Prime Go den Luxus-Aufstand im Zwergenland. Denn handliche 2-Kanaler macht keine Kompromisse bei der Qualität, ist technisch bis hin zu WLAN-Streaming auf der Höhe der Zeit – ruft aber als auch mehr als 1000 EUR ab.
Was wirklich auf Anhieb die Augen und Finger schmeichelt, ist die herausragende Verarbeitung der Minikonsole. Dort, wo andere Hersteller als erstes den Rotstift ansetzen, um ein kompaktes Tool für die junge Masse zu entwerfen, bleibt Denon DJ seinem hohen Qualitätsanspruch treu. Deutlich wird das bereits am Gewicht: Für ein Gerät, dessen Fläche mit 410 x 270 etwas größer als ein MacBook Pro 15 ist, sind knapp 3,7 Kilogramm eine ziemliche Ansage. Zurückzuführen ist das zum einen anderem auf sein Vollmetallgehäuse, zum anderen auf einen integrierten Akku, der das Gerät für immerhin rund vier Stunden von jeder externen Stromversorgung unabhängig macht. Einen spontanen Gig irgendwo im Nirgendwo abzuhalten oder sein Set „on the road“ vorzubereiten steht zumindest aus Controllersicht nichts entgegen. Allerdings ist der Stromspeicher unzugänglich hinter der Bodenplatte verborgen und lässt sich somit nicht, wie es zum Beispiel bei Outdoor-Lautsprechern möglich ist, flink gegen eine Frischzelle tauschen.
Die exzellente Materialqualität des Prime Go setzt sich bis ins kleinste Detail fort. Wackelfreie und gummierte Potis, ideal führbare Kanal- und kontaktlose Crossfader-Elemente, Pitchfader mit angenehmen Laufwiderstand, gummierte Performance-Pads – das macht alles einen hochprofessionellen Eindruck. Und ist mit nichts vergleichbar, was sich sonst im Kompakt-Segment tummelt. Selbst mit den gerademal acht Zentimeter messenden Touch-Wheels freundet man sich als Gulliver sofort an – die flachen Scheiben rotieren kratzfrei cremig unter der Hand und lassen sich sogar im Vinyl-Modus betreiben.
Handeln wir gleich die Anschlüsse mit ab. In diesem Punkt hängt der Prime Go gleichfalls seine kleinwüchsigen Mitbewerber ab. Vorhanden sind als Ausgänge ein Master sowohl im Cinch- also auch symmetrischen XLR-Format für lange Übertragungswege. Sogar ein separater Booth-Ausgang mit eigenem Level-Regler findet Platz. Auf der fünf Zentimeter breiten Stirnseite sind schließlich je ein Klinke- und Miniklinke-Port für Kopfhörer untergebracht. Dort ragen ebenfalls die zuständigen Cue-Mix und Level-Regler heraus. Wegen des gesteigerten Beschädigungsrisikos vielleicht nicht optimal. Aber irgendeinen Tod muss man bei einem Kompaktwerkzeug immer sterben. Wer einen Line-Signalgeber einbinden möchte, hat über den rückseitigen Cinch-AUX-In inklusive Trim-Poti auf der Front die Gelegenheit. Und Vocalisten können über rückseitige XLR/Klinke-Eingänge gleich zwei Mikrofone anschließen. Bis auf die Lautstärke lassen sich allerdings keine Klanganpassungen vornehmen. Der Regeleinsatz für den Prime Go wird ohnehin das Abspielen von Musikfiles und vielleicht noch die Steuerung von DJ-Software sein, allen voran Denon Engine Prime. Für die erforderliche Computer-Konnektivität sorgt eine USB-B-Buche am Gerätehintern. Dort, und nur dort, befindet sich auch ein zusätzlicher USB-A-Port, um Sticks oder andere Massenspeicher anzuschließen. Also noch ein kleiner Sterbefall. Aber auf der Oberseite ist wirklich kein Platz, frontseitig wäre die Positionierung wegen der Abschlaggefahr noch kritikwürdiger, sodass nur die Rückseite blieb. Die Geister zum frohen Leben erweckt dann wieder ein anderer Umstand: Auf der Stirn ist ein SD-Card-Slot eingelassen, sodass frontseitig doch noch endlos Tracks geladen werden können. Eine offizielle Speichergrößen-Limitierung konnten wir nicht finden, laut User-Foren verarbeitet der kleine Denon selbst 1-TB-SDs anstandslos. Eine dritte Methode, um Tracks in die Konsole zu bekommen, ist das Streamen über WIFI oder alternativ LAN. Das funktioniert absolut problemlos. Sobald das Gerät kabellose Netzwerke erkennt, zeigt es das durch das allseits bekannte Leuchtsymbol im Dislplay an, man wählt sein gewünschtes aus und gibt das Router-Password ein. Ganz so wie bei anderen Devices auch. Wer sich einen Prime Go zulegt, sollte darauf achten, dass die interne Engine OS in der Generation 1.5 angekommen ist. Sie wartet neben einigen anderen Verbesserungen (CF-Abschaltung, optimierte BPM-Erkennung, Split Cue) mit einem neuen Source Menü auf. Darin sind alle anwählbaren Musikquellen, darunter auch die von Denon integrierten Streamingdienste Tidal, Soundcoud Go+ und Beatport LINK, aufgeführt. Sie lassen sich dann wie alle anderen Quellen (USB-Stick, SD-Cards) behandeln und auch on-the-fly wechseln.
Wer einen frischen File nicht am Rechner durch die Denon-Engine-Software schleusen möchte, um ihn zu analysieren, kann das direkt im Prime Go vollziehen. Das passiert automatisch mit dem Laden ins Deck, dauert je nach Tracklänge und Auflösung aber auch einige Sekunden. Die Playlisten, Tags usw. können ebenfalls über die Hardware vergeben werden, dafür stellt das Gerät eine virtuelle Tatstatur zur Verfügung. Und diese virtuelle Tatstatur kann nur so überzeugend funktionieren, weil der 2-Kanal-Controller ein erstklassiges 7-Zoll-Display ins Zentrum stellt. Der Multitouch-Screen entspricht dem der großen Prime-Modelle und steht in seiner Reaktionsgeschwindigkeit und Bildschärfe aktuellen Smartphone und Tablet-Computern in nichts nach. Dargestellt werden, je Funktionsebene, alle wichtigen Track-Infos inklusive Artwork, ebenso natürlich BPM-Tempo, Laufzeit, Tonhöhe, Cue- und Loop-Punkte sowie die Wellenformen in ihrer Gesamtübersicht und im Detail. Weiterhin lassen sich entscheidende Aktionen wie die Track-zu-Deck-Zuweisung per Fingerstreich vornehmen. Dafür schaltet man die Playback-Ansicht am besten auf die Vertikaldarstellung, die die Wellenformen mit mittiger Playlist in Kolumnen nebeneinanderstellt. Alternativ ist die Horizontaldarstellung mit übereinandergeschichteten Playerelementen möglich. Für den Zugriff auf eine Vielzahl von Grundeinstellungen wie die CF-Kurve, das EQ-Verhalten usw. ist das Display ebenfalls prädestiniert.
Die kreative DJ-Arbeit ist dann weiterhin klassischen Hardware-Elementen vorbehalten. Hier muss man sich erst einmal an ein angepasstes Bedienlayout gewöhnen. Denn der Touchscreen fordert seinen räumlichen Tribut und verschiebt den traditionellen Aufbau. Allen voran sind die Level- und 3-Band-EQ-Regler nicht mehr Teil senkrechten Kanalfader-Linie. Stattdessen sitzen sie als waagerechte Streifen nebeneinandergereiht oberhalb der Playereinheiten. Gleiches gilt für die Master- und zuschaltbare Beat-Effektsektionen. Letztere ist oben links abgesetzt und bietet neben der Kanalzuweisung 13 anwählbare Typen mit separaten Parameter- und Dry/Wet-Reglern. Teil der Kanalfader-Streifen sind aber immerhin noch Regler für die anwählbaren Sweep-Effekte HP/LP-Filter und Wash Out Echo, deren Funktion den Sound Color FX der Konkurrenz entspricht. Mittelpunkt des Tools bildet der Controller-typische Browse-Encoder inklusive Tastenkranz fürs Navigieren und Trackladen. Nur, wie erwähnt, lässt sich das Suchen, Scrollen und Laden sogar intuitiver über den Touchscreen meistern. Ansonsten ist die Bedienung des Prime Go wirklich ein Leckerbissen. Und man ist baff, wie ergonomisch und gezielt sich mit dem Tool trotz der Schrumpfmaße arbeiten lässt. Dass beispielsweise die Pitchfader in den beiden Playern extrem verkürzt sind – geschenkt. Dennoch erlauben sie bis auf die Nachkommastelle manuelle Geschwindigkeitsangleichungen, ohne dass man mit Autosync nachschärfen muss. Einzig der harte Einrastpunkt im Nullwert bremst die Begeisterung ein wenig. Für kreatives Frohlocken sorgen ebenfalls die angenehm soften vier Trigger-Pads pro Deck, denen die Modi-Buttons Hot-Cue, Looping und Beat-Roll zugeordnet sind. Über den vierten Button gelangt man in die zweite Bank-Ebene, sodass sich die Zahl der speicherbaren Cue-, Loop- und Roll-Plätze auf acht verdoppelt. Um pro Player eine variable Ad Hoc-Schleife zu isolieren, steht ergänzend ein Auto Loop-Encoder mit Pushfunktion bereit. Mit ihm lässt sich ein Musikpart taktgenau eingrenzen, in der Länge und Position verschieben und mittels zusätzlichem Shift sogar ein Beat Jump auslösen. Sehr smart, da einfach bedienbar und effektiv gelöst! An dieser Stelle sei nochmal hervorgehoben, dass es sich beim Prime Go und eine All-in-One-DJ-Konsole und keinen reinen DJ-Controller handelt. Die Effekte, Performance-Modes usw. sind intern vorhanden erfordern keine zusätzliche DJ-Software.
Noch ein paar Worte zum Sound, weil da bereits im Netz einige Diskussionen aufbrandeten. Grundsätzlich leisten die 24-Bit/48kHz Sound-Engine und sonstigen Audiokomponenten ordentliche Arbeit und einen minderwertigen Klang kann man dem Gerät auf keinen Fall unterstellen. Vielleicht lässt es ein klitzekleines bisschen an der Denon-gewohnten Dynamik vermissen – aber hier hat der Hersteller seine eigene Messlatte auch selbst immer sehr hoch gelegt. Einem anderen Kritikpunkt müssen wir uns allerdings anschließen: Die grobe Level-Anzeige ist definitiv mehr Dekoration als dass Sie sich zum professionellen Aussteuern des Ausgangspegels visuell nutzen ließe. Hinzu kommt, dass Grenze vom optimalen zum gezerrten Klang sehr schnell überschritten ist, sodass man seine sieben Sinne beim Auflegen gerade mit Tracks unterschiedlicher Formate und Quelle etwas zusammenhalten muss. Wer damit umgehen kann, wird an diesem kleinen Edelstein seine helle und vor allem langfristige Freude haben. Es ist, anders als andere portable Tools, nicht einfach nur funktional. Es bietet ästhetisch und haptisch jenes gewisse Mehr, das ein technisches Gerät zum Freund werden lässt. Go for it. www.denondj.com
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