Der Dritte Raum – Endlose Welten

Auf dem Langspieler-Parkett debütiert Andreas Krüger bereits 1994 auf Harthouse. Unzählige Werke hat der gebürtige Göttinger seitdem veröffentlicht, ebenso außerordentlich viele Liveshows abgeliefert. Stilistisch hat sich Der Dritte Raum über die Zeit hinweg sicherlich entwickelt, ohne jedoch seine Unverwechselbarkeit zu verlieren. Auf seinem neuesten Album „Kommit“, das am 30. Juli auf Harthouse erschienen ist, verkörpert Der Dritte Raum mit Titeln wie „Andromeda Mission“, „Gummihammer“, „Transporterraum“ oder „Dicke Disco“ den Neuanfang, den Reset-Knopf, den Flug im Spaceship in bessere Zeiten und endlose Welten. Zwölf Titel, getrieben von der Sehnsucht nach Open-Air-Festivals und Clubbesuchen.

 

Andreas, verrückte eineinhalb Jahre liegen hinter uns. Wie hast du diese Zeit verbracht?

Mich hat’s eiskalt erwischt, als im März 2020 die Corona-Bombe geplatzt ist. 2020 war quasi durchgeplant. Im Mai sollte ein neues Album kommen. Nachdem meine erste Frust-Welle halbwegs abgeklungen war, habe ich mich gefragt, was ich aus der neuen Situation machen kann. Ich hatte schon befürchtet, dass uns diese Situation noch sehr lange beschäftigen wird und es war abzusehen, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren keine „normalen“ Gigs stattfinden werden. Also habe ich „Live“ erstmal ganz weit hinten angestellt. Angenehm fand ich, weder Deadlines noch sonstige Termine zu haben. Viel Zeit für die Familie und viel Zeit fürs Studio. Meinen Booker treffe ich normalerweise um 5:00 Uhr morgens im Kater-Backstage. Neulich sind wir uns nachmittags um 17:00 Uhr auf der Laufbahn auf dem Sportplatz zufällig begegnet (lacht).

Sicherlich auch durch die Pandemie beeinflusst ist dein neues Album. Oder ist dies nun das Album, das im Mai 2020 hätte kommen sollen?

Während der Lockdown-Phase habe ich angefangen, einige Titel zu überarbeiten. Dann ist aber viel Neues dazugekommen. Am Ende ist ein völlig neues Werk entstanden.

Credit: David Breun

Was bedeutet „Kommit“ für dich?

Im gleichnamigen Titel „Kommit“ tauchen an einigen Stellen Vocals auf, die an „Komm mit“ erinnern. Tatsächlich sind diese Gesangs-Fragmente aus unterschiedlichen, kurzen Samples zusammengesetzt. „Komm mit“ hat also niemand tatsächlich gesungen. Ähnliche Effekte tauchen auch noch in anderen Stücken auf. Den Begriff „Komm mit“ bzw. „Kommit“ fand ich passend für dieses Album und die seltsame Zeit, in der es entstanden ist. Und vor allem für die Aufbruchsstimmung, die ich derzeit empfinde. Komm mit! Weiter geht’s! Die Vocals bzw. Stimm-Fragmente sind Outtakes aus einer anderen Produktion, also ungenutzte Spuren, die alle von Anke Hachfeld stammen. Anke ist u.a. Sängerin bei Mila Mar.

Dein Stil hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder geändert und entwickelt. Wie würdest du den Unterschied zum Vorgängerwerk „D3R-25 Eins“ beschreiben?

„D3R-25 Eins“ ist ja im Grunde kein echtes Album. Das waren Neukonstruktionen teilweise 25 Jahre alter Stücke. Uralte Atari ST und EPS-Disketten reanimiert und neu zusammengebaut. Das war zwar viel Arbeit, aber dennoch keine neuen Stücke. Das „eigentliche“ letze Album habe ich auf diverse Singles verteilt. Bei Katermukke erschien „Time“, auf Harthouse „RGB“ und weitere. Ob ich meine Handschrift in all den Jahren verändert habe, kann ich nicht sagen. Aus meiner Perspektive spiele ich mit Rhythmen und Klängen. Stile und Genres waren mir schon immer egal. Das äußere Gewand ändert sich permanent mit jedem Stück, jedem Release und jedem Jahr. Entscheidend sind für mich Rhythmik, Melodien und tonale Schichtungen, ob bei 120 oder 135 BPM. Mir macht es auch nach so vielen Jahren immer noch wahnsinnig viel Spaß, meine kleinen Babies laut über dicke PAs zu präsentieren und zu schauen, wie das Publikum reagiert. Am wohlsten fühle ich mich momentan bei 124 BPM im Tech-House-Style. Aber das ist ja nur das äußere Gewand.

Wie hat sich dein Workflow im Studio – auch in Bezug auf Auswahl der Soft- und Hardware – verändert?

Das Lustige ist, sowohl in meiner Arbeitsweise als auch im Studio selbst hat sich im Prinzip wenig geändert. Klar, neue Rechner, Digitaltechnik überall. Aber im Kern immer noch die guten, alten Analogsynthies, auf die ich unter keinen Umständen verzichten kann. Als zentrale Arbeitsmaschine nutze ich seit jeher Logic, vorher Notator. Viele Kollegen arbeiten mittlerweile nur noch mit vorgefertigten Audiospuren. Ich bin da eher oldschool und arbeite mit Midi, spiele alles von Hand ein, nehme Spuren dann auf und mische alles „in the box“ ab.

Credit: David Breun

Das Album erscheint im Hochsommer, ein eigentlich eher als suboptimal geltender Zeitpunkt.

Das stimmt. Normalerweise veröffentlicht man im Frühjahr oder Herbst, aber nie im Sommer. Alex von Harthouse und ich haben lange überlegt, ob wir’s trotzdem versuchen sollen. In diesem Jahr ist alles anders, Corona hat sozusagen den Reset-Button gedrückt.

Die meisten Künstler*innen halten ihre Produktionen zurück und warten, bis das Live-Geschäft wieder anrollt, womit vermutlich nicht vor Frühjahr 2022 zu rechnen ist. Den Release-Rückstau möchte ich weitläufig umfahren. Außerdem ist das Album gerade fertig geworden, somit möchte mit der Veröffentlichung nicht ein Jahr oder länger warten. Die Scheibe ist frisch und muss jetzt kommen. Zudem sind noch weitere Produktionen in der Warteschleife und es kommen ja auch ständig neue Sounds dazu. Damit mein Lager nicht überquillt, fange ich jetzt schon einmal an. Ich bin gespannt, wie das Experiment ausgeht …

Mit Harthouse verbindet dich eine lange Geschichte.

In der Tat, mit Harthouse Frankfurt verbinde ich eine Menge. Ich war ja dort von 1994 bis 1997 einer der ersten Liveacts und Albumkünstler. Eine irre Zeit (lacht). Dann ein paar Jahre bei Virgin/EMI usw. Letztendlich ging es mir bei der Entscheidung für Harthouse um die stabile Firmenstruktur und das fähige Team. Ich habe nämlich schon diverse Label-Pleiten durchgemacht …

Das Album-Cover bildet erneut Astronauten und ein Spaceshuttle ab, wie man es bereits von dir gewohnt ist. Das Thema wird gefühlt immer salonfähiger, siehe den Weltraumflug von Milliardär Richard Branson oder zuletzt auch Jeff Bezos. Wie siehst du diese Thematik?

Raumfahrt, ferne Welten, Science-Fiction und Astrophysik haben mich schon immer fasziniert. Ich finde, das Thema passt einfach hervorragend zu repetitiven Sequenzerlinien, psychedelischen Synthesizer-Sounds. Obwohl die Faszination für Raketen und Mondflüge im Allgemeinen mittlerweile etwas nachgelassen hat, gefällt mir das Thema immer noch. Die aktuellen Entwicklungen der Herren Musk und meines ehemaligen Chefs Richard Branson sehe ich aber mit gemischten Gefühlen. Technisch zwar spannend und für die, die sich den Spaß leisten können, natürlich geil. Aber letztendlich nur völlig überflüssige und maßlose Ressourcenverschwendung einiger Milliardäre. Dem gegenüber lösen wissenschaftliche Projekte, wie z.B. das „James Webb“-Weltraumteleskop, immer noch meine alte Begeisterung aus.

Langsam, aber sicher geht es mit neuen Gigs los. Im Juli hast du u.a. zweimal beim Nation Of Gondwana Festival gespielt. Wie waren die letzten eineinhalb Jahre für dich als Künstler bzw. was hat das mit dir gemacht?

Das erste Mal nach fast zwei Jahren wieder fetter PA-Sound, echte Menschen und pure Freude. Das war unbeschreiblich. Aber live aufzutreten, ist ja erfreulicherweise nur ein Teil meiner Aktivitäten. Das war die längste Pause ohne Auftritte, seit ich angefangen habe, Musik zu machen. Vor allem bin ich ja Studiojunkie und konnte die zusätzliche Zeit prima nutzen. Aktuell arbeite ich an einem neuen Live-Set, das ich gerade auf die neuen M1-Rechner umgestellt und alle neuen Stücke eingepflegt habe. Das hat beim Gig letzte Woche super funktioniert. Außerdem ist vor drei Jahren ja mein ehemaliger Live-Co-Pilot ausgestiegen. Ich habe bei der Gelegenheit verschiedene, neue Dinge ausprobiert und alles für meine Zwecke optimiert.

Wie sehen deine nächsten Wochen und Monate aus?

Aktuell Sonne, Strand und Urlaub! Zwischendurch muss ich für den einen oder anderen Gig zurück in die Zivilisation. Ansonsten freue ich mich auf die kommenden Studio-Einsätze.

„Kommit“ erscheint am 17. September.

Hier geht’s zum Pre-save.

 

Aus dem FAZEmag 114/08.21
Text: Triple P
Credit: David Breun
www.facebook.com/derdritteraum