Island – Zwischen Vulkanen, heißen Quellen und einem Nachtleben ohne Nacht (Juli 2013)
Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden, das klingt in diesem Falle schon fast zu profan. Was wie eine normale Urlaubsreise begann und verlief – Natur pur im Südwesten der Insel –, bekam beim abschließenden dreitägigen Besuch in der Hauptstadt Reykjavík noch eine Zusatznote. Nach dem ersten Abend in einer Bar, wo wir einer Jazz-Session beiwohnten, reifte der Gedanke, sich einen kleinen Überblick über Musik und Clubkultur zu verschaffen und darüber an dieser Stelle zu berichten. Gesagt, getan – es folgt nun der Versuch, euch das Land, die Leute und das bunte Treiben der Hauptstadt nahezubringen. Mit einer kleiner Einführung, einem Interview mit der Band Hjaltalín und dem Chefredakteur von „The Reykjavík Grapevine“ sowie ein paar ausgesuchten Tipps.
Willkommen auf Ísland
Hoch oben im Nordatlantik liegt dieser raue, fast unwirkliche Vulkanfelsen, der allerdings bei genauerer Betrachtung ein höchst interessantes und faszinierendes Fleckchen Erde darstellt. In Europa gibt es kaum einen Ort, wo der Mensch so eng mit den Naturgewalten Feuer, Wasser und Eis zusammenlebt. Der vulkanische Ursprung und die dadurch bedingte Lage auf dem mittelatlantischen Rücken lassen tagtäglich die Inselbewohner spüren, auf was für einem bewegten Untergrund sie leben. Die Auswirkungen bekommen selbst wir hin und wieder zu spüren, zuletzt war es vor drei Jahren der Ausbruch des Eyjafjallajökull, der den europäischen Flugverkehr zum Erliegen brachte und damit für große Unruhe sorgte – auch unter dem reisenden Volk der DJs, denn plötzlich musste jeder in seiner Heimatstadt und Umgebung auflegen oder eine altmodische Bahnreise in Kauf nehmen, um zumindest andere Teile der Republik zu erreichen. Aber die Natur präsentiert dort oben im Norden nicht nur ihre Gewalten, sondern vor allem ihre Schönheiten, wie z.B. mit ihren unzähligen Wasserfällen, heißen Quellen, dem Vater (und Namensgeber) aller Geysire, Gletscherseen, pittoresken Landstrichen oder kargen Lavawüsten, wo seinerzeit die Amerikaner ihre erste Mondlandung geprobt haben. 320.000 Menschen leben dort auf einer Fläche, so groß wie etwa Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Mehr als die Hälfte davon leben in Reykjavík und den Orten drumherum.
Reykjavík
Reykjavík ist eine sehr besondere Stadt, eine Mischung aus kleiner Großstadt und internationaler Metropole mit allen Institutionen und Angeboten, die eine Hauptstadt eben hat. Das Zentrum ist überschaubar, hat eine Haupteinkaufsstraße, die zu meiner Überraschung und Freude aber ohne internationale Ketten auftrumpft. Island wurde von der Finanzkrise besonders hart getroffen, hat aber einen sehr eigenen Weg gefunden, um die Krise zu meistern und damit gezeigt, dass das Wort „alternativlos“, wie es in der EU zu häufig genutzt wurde, Alternativen besitzt. Einer, der den Weg mitgeprägt hat, ist Reykjavíks Bürgermeister Jón Gnarr. Vor drei Jahren wurde er, der Komiker, Musiker und Schauspieler, an die Spitze der Stadt gewählt, dank eines bemerkenswert absurden wie ehrlichen Wahlkampfes. Und das Beste: die meisten Isländer sind mit seiner bisherigen Arbeit zufrieden. Auch in der Kunst- und Musikszene hat Gnarr viele Fürsprecher, wie z.B. Gummi von Hjaltalín: „Ich glaube, dass Jón Gnarr das Beste war, was der isländischen Politik passieren konnte. Er ist einer der belieb- testen Menschen, die wir hier haben und es ist sehr wichtig, dass wir jemanden wie ihn der Politik haben. Wo alles so verrottet scheint und Politiker eine Sprache sprechen, die die Öffentlichkeit nicht versteht, da spricht er über Dinge in solch einer Art und Weise, dass Kinder sie verstehen können.“
Das Nachtleben in Reykjavík besitzt einen legendären Ruf. Vorab muss man „Nacht“ definieren. Im Sommer geht die Sonne kurz nach Mitternacht unter, es bleibt aber hell und irgendwann zwischen 3 und 4 Uhr geht sie wieder auf. Dafür wird es natürlich im Winter nur für ein paar Stunden hell. Was macht man bei solch extremen Umständen? Feiern. Die Stadt verfügt über einige Lokalitäten – die ziemlich dicht beieinander liegen und alle fußläufig erreichbar sind – wo es regelmäßig Konzerte gibt oder DJs auflegen. Das sind nicht nur Clubs, sondern auch Bars, die teilweise tagsüber zusätzlich über einen Restaurantbetrieb verfügen. So auch das Boston, wo sich an einem Mittwoch gegen Mitternacht kurz vor Sonnenuntergang eine kleine, aber feine House-Party entwickelt hat und ich schließlich den DJ ansprach, um ihn für ein kleines Interview zu gewinnen. Zu meiner Überraschung sprach er deutsch: Lino Rodrigues aka Alkalino, gebürtig in Portugal, wohnhaft in München, gebucht als Gast-DJ. Kontakt mit einem Booker bekam er über SoundCloud. Er insgesamt war eine Woche vor Ort und legte noch in zwei weiteren Läden auf. „Die ganze Zeit hier war wunderbar, die Stimmung in den Läden war immer gut. Generell ging es ziemlich früh los (21 Uhr) und leider war es unter der Woche aber auch schon um 1 Uhr vorbei. Ich habe glück- licherweise auch etwas vom Land gesehen und hoffe, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich hier war.“
Zuvor besuchte ich noch ein Konzert der Band Monotown, bei der Gummi auch Bass spielt – wie auch neben Hjaltalín in diversen weiteren Bands. Eine Eigenart, die nicht unüblich ist in der doch recht überschaubaren isländischen Musikszene. So ist der Hjaltalín-Sänger Högni Egilsson auch Mitglied von GusGus. Dessen Stephan Stephanson ist unter dem Namen Captain (früher: President) Bongo als DJ unterwegs und ein Teil des DJ-Duos Gluteus Maximus. Die andere Hälfte: Margeir Steinar Ingólfsson aka DJ Margeir. Oder Logi Pedro Stefánsson von Retro Stefson – ebenfalls als DJ tätig: Pedro Pilatus. Diese Liste ließe sich beliebig fortführen und zeigt neben der Überschaubarkeit auch das Miteinander dieser höchst lebendigen Szene, deren größten Exportschlager bisher Björk und Sigur Rós waren, in dessen Fahrwasser aber längst weitere Acts über den Nordatlantik zu uns kamen und immer wieder kommen werden … wie z.B. Hjaltalín oder Gluteus Maximus.
Ein Wochenende ließ mein Reiseplan leider nicht zu, aber ich verspreche, dass ich das nachholen werde und darüber auch noch berichten werde. Aus dem Epizentrum Reykjavík, wo der Tanz auf dem Vulkan zum Alltag gehört.
REYKJAVÍK & ÍSLAND REISEFÜHRER
Ein paar willkürlich ausgesuchte Tipps und Adressen für deinen Inselbesuch.
// TANZEN & TRINKEN IN REYKJAVÍK
Kaffibarin, Bergstaðarstræti 1, 101 Reykjavík www.facebook.com/kaffibarinn
Harlem Bar, Tryggvagata 22, 101 Reykjavík www.facebook.com/HarlemBar
Boston, Laugavegur 28b, 101 Reykjavík www.facebook.com/boston.reykjavik
// ESSEN IN REYKJAVÍK
Snaps, Þórsgata 1, 101 Reykjavík www.snaps.is
Bæjarins Beztu (Islands beste Hot Dogs) Tryggvagata, 101 Reykjavík www.bbp.is
glo (vegetarisch & vegan), Laugavegur 20 b, 101 Reykjavík www.glo.is
// EINKAUFEN IN REYKJAVIK
Laugarvegur – Haupteinkaufsstraße mit vielen kleinen Läden & Cafés, auch in den Seitenstraßen. Keine Internationale Ketten!
// AUSSERHALB VON REYKJAVÍK
Baden
The Blue Lagoon/Bláa Lónið (Pflichtbesuch für jeden Touristen, einmaliges Badevergnügen), Svartsengi, 240 Grindavík www.bluelagoon.com
Laugarvatn Fontana Hverabraut 1, 840 Laugarvatn www.fontana.is/de
Essen
Slippurinn Eatery Strandvergur 76, 900 Vestmannaeyjar www.slippurinn.com
Sonstiges
Þingvellir, Jökulsárlón, Skógafoss, Landmannalaugar, Eyjafjallajökull, Hekla etc.
// VERANSTALTUNGEN
Iceland Airwaves, 30.10.–03.11.13 www.icelandairwaves.is
Sónar Reykjavík, 13.–15.02.14 www.sonarReykjavik.com
// MUSS MAN PROBIEREN
Brennivin – The Original Islandic Schnapps (mit Kümmel) www.brennivin.de
// MUSS MAN SEHEN
Gnarr (2010) – Dokumentation über den Wahlkampf von Jón Gnarr
Children Of Nature (1991) – Spielfilm von Friðrik Þór Friðriksson
101 Reykjavík (2000) – Spielfilm von Baltasar Kormákur
// MUSS MAN LESEN
Halldór Laxness – Am Gletscher
www.visitreykjavik.is (Informationen rund um Reykjavík)
www.grapevine.is (siehe Interview)
www.radiobongo.fm (Gluteus Maximus)
MEHR ISLAND:
Hjaltalín – Die vierte Dimension
The Reykjavik Grapevine – Das etwas andere Organ
Hjaltalín – Enter 4 (Sena)
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