Herzlichen Glückwunsch Klaudia. Du hast in diesem Jahr wieder den Preis des besten DJs in unserem Jahrespoll gewonnen und damit den letztjährigen Sieger Boris Brejcha auf Platz #2 verwiesen. Wie fühlt sich das an und was möchtest du deinen Fans mitteilen?
Boris hat meinen größten Respekt, denn er hat 2019 alle Floors weltweit erobert, jeden Club gesprengt und sehr hart dafür gearbeitet. Ich gönne ihm seinen Erfolg von ganzem Herzen. Uns zu vergleichen wäre hier jedoch vermessen und ich glaube auch soundtechnisch nicht wirklich möglich, aber den Preis zum fünften Mal gewonnen zu haben, bedeutet mir viel.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken! Auch ein Dankeschön an all diejenigen, die manchmal stundenlange Anfahrten auf sich nehmen, um bei den Parties dabei sein zu können. 2019 war ein verrücktes Jahr für mich und besser hätte es nicht enden können. Danke dafür! Das motiviert mich weiterhin Vollgas zu geben und vielleicht noch ein wenig mehr aus mir heraus zu kitzeln.
2019 ist ein besonderes Jahr für dich gewesen. Du hast geheiratet und das erste komplette Jahr mit deiner neuen Booking Agentur gearbeitet. Wie lautet dein Fazit von 2019? Privat und geschäftlich?
2019 war bisher das Jahr, welches am meisten Kraft gekostet und mich persönlich gefordert hat. Den Mut aufzubringen, neue Wege zu gehen, sich zu lösen und neue Herausforderungen zu suchen, da ich vor allem das erste Mal den Weg ohne meine alte Abstract-Familie beschritten habe. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen und so viel miteinander erreicht, wofür ich sehr dankbar bin. Aber ich habe noch nie in einer anderen Konstellation gearbeitet, und es war für mich notwendig neue Wege zu erkunden.
Ein Wechsel bringt anfangs erst einmal viel Arbeit mit sich, bis man eingespielt und abgestimmt ist. Dies beinhaltet viel Umbau, Neustrukturierung und viel Zeit. Aber harte Arbeit lohnt sich, und ich bin angekommen.
Die Studioarbeit habe ich auch nicht vernachlässigt und konnte drei starke Releases auf großen Labels platzieren, was mir sehr viel beutet hat und mir guten Aufschwung für 2020 gibt.
Privat war einiges los, und ich habe mir bewusst mehr Zeit für mein Privatleben genommen. Es war ein kräftezehrendes Jahr, aber es hat sich definitiv gelohnt, denn ich bin mit dem Jahr mehr als zufrieden.
Die Frauen sind national und international auf dem Vormarsch. In welchem Zusammenhang macht sich das für dich bemerkbar und inwiefern fühlt sich das gut und inwiefern ambivalent an? Stichwort Quotenregelung.
Nun ja, ich bin jetzt nicht unbedingt Quotenfan. Das ist halt auch ein komplexes Thema. Für mich ist es wichtig, aus welcher Intention heraus jemand Musik macht. Es stimmt, wir haben jetzt sicher mehr weibliche Acts als früher und die Techno-Szene ist wahnsinnig gewachsen und vor allem viel schnelllebiger geworden. Ich hätte jetzt aber auch nicht bemerkt, dass ich mehr Bookings bekomme, nur weil ich weiblich bin. Mir persönlich ist es wichtig, die Musik im Vordergrund zu sehen. Dann ist es mir auch egal, ob es eine Frau oder ein Mann ist, der gerade spielt. Wichtig ist, was unten ankommt. Ich lebe schon seit Anfang an nach dem Motto „it´s all about music“ und darauf konzentriere ich mich weiterhin. Es gab schon mal eine Zeit, als viele Frauen auf dem Vormarsch waren und sich gut platzieren konnten. Monika Kruse zum Beispiel ist seit vielen Jahren ununterbrochen präsent. Ellen Allien, Miss Kittin, Acid Maria, Miss Djax, um nur einige davon zu nennen, sind auch lange Jahre dabei. Ich weiß nicht, ob der Hype jetzt größer oder der mediale Rummel durch Instagram etc. dies nur einfach forciert. Amelie Lens hat weltweit Clubs ausverkauft, was wir vorher in diesem Ausmaß durch einen weiblichen Künstler vermutlich noch nicht kannten. Das finde ich bemerkenswert und bin auch ein Stück weit dankbar dafür, welche Wege und Türen sich dadurch für uns alle geöffnet haben.
Du hast seit vielen Jahren Produzenten an deiner Seite, mit denen du zusammen deine Releases kreierst. In diesem Jahr hast du beispielsweise ein gefeiertes Release mit Flug feiern können. Aber du hast mir vor Wochen erzählt, dass du nun auch mit großem Spaß allein produzierst. Warum ist das so und womit produzierst du?
Ich produziere mittlerweile seit circa zehn Jahren auch immer wieder allein, aber es war eben auch ein langer Lernprozess. Da holt man sich gerne Hilfe, wo man kann. Allein zu produzieren empfinde ich jedoch als kreativer, da man sich Zeit lassen kann, einen eigenen Flow entwickelt und sich mehr darauf einlässt. Mittlerweile habe ich über die Jahre einiges an Hardware angesammelt, weil ich das Handling liebe und gerne an Geräten arbeite. Das größte Problem an der Sache ist jedoch, dass ich es oft unter der Woche nur schaffe, einen Studiotag freizuschaufeln. Die Zusammenarbeit mit Flug hat sich mehr oder weniger zufällig ergeben, da ich einen Gig in Barcelona hatte und wir dies so mit einer Studiosession kombinieren konnten. Das Endergebnis ist drei coole Tracks. Sam Paganini hat „Revolution March“ auf seinem Label JAM veröffentlich und Pan-Pot nahm „Matrix“ auf eine Compilation bei Second State. Einen hätten wir demnach noch in der Pipeline.
Die Clubszene hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Viele Clubs haben das Zeitliche segnen müssen oder wollen und die noch vorhandenen Clubs müssen jeden EURO zweimal umdrehen, um sich ihr Überleben sichern zu können. Einige von diesen fahren mehrmals im Monat ein mainstreamiges, ‚Non-Techno‘-Programm. Wie siehst du die deutsche Clubkultur aktuell? Was muss sich deiner Meinung nach ändern? Und wie siehst du den Stellenwert der deutschen Techno- und Clubszene im Vergleich zum Ausland?
Ich fand die letzten Jahre durchaus sehr erfrischend. Es kamen viele neue gute Acts dazu, und wir sind um ein paar Superstars reicher. Im Umkehrschluss ist es jedoch jetzt für die Clubs auch schwieriger geworden, ständig ein internationales High-Class-Programm zu fahren, da Artists nur begrenzte Kapazitäten haben und auch nicht jeden Monat alle Clubs zu gleichen Teilen bedienen wollen oder können. Ich kenne eigentlich gar keinen Club mehr, der nur rein mit technoidem Programm überleben kann. Das funktioniert auf Dauer in Deutschland wahrscheinlich nur in Berlin oder eben generell in Großstädten. Zudem kam auch noch eine Masse an neuen Festivals hinzu, bei denen man eben dann ein „All In One“-Package bekommt. Alle DJs an einem Tag, die sich teilweise aus der ganzen Welt versammeln. Wenn ich eine Anfrage von kleineren Clubs bekomme, freue ich mich sehr darüber, auch dort mal aufzuschlagen. Die Leute dort sind dafür sehr dankbar, dass man hierfür durchaus auch mal ins vermeintliche Niemandsland fährt. Im weltweiten Vergleich steht Deutschland meines Erachtens nicht schlecht da, doch ist das Überangebot an Veranstaltungen manchmal schon verheerend. Im Ausland hingegen scheinen die Leute oft nicht so übersättigt zu sein, sind enthusiastisch und feiern jede Minute eines Sets oder des ganzen Abends, als wäre es ihr erster und zugleich letzter Rave.
DJs sind für viele Menschen Vorbilder. Personen, zu denen man aufschaut. Viele DJs sind sich ihrer Vorbildfunktion nicht bewusst oder es ist ihnen egal. Wie stehst du zu Alkohol und Drogenkonsum während der Arbeit und generell? Wie hältst du dich fit in diesem stressigen Beruf?
Generell sind Drogen und Alkohol ein großes Thema in unserer Gesellschaft. Ich persönlich halte Alkohol für eine der schlimmsten und gefährlichsten Massendrogen überhaupt. Partydrogen werden seit Jahren negativ kommuniziert, aber der Alkoholkonsum und sein Missbrauch werden meines Erachtens zu leichtfertig als legitim dargestellt, da es einfach in unserer Gesellschaft zum guten Ton gehört zu trinken. Ich trinke hier und da auch gern mal etwas. Früher hatte ich immer mindestens eine Flasche Champagner auf dem Rider stehen und wir haben oft die Partys unseres Lebens gefeiert. Ich habe diese Erfahrungen gebraucht und bereue keine einzige Party. Mittlerweile bin ich etwas vernünftiger geworden und schone meinen Körper etwas mehr. Ich trinke unter der Woche fast nie Alkohol, mache ein leichtes Detoxing mit der Ernährung und halte mich mit Sport fit. Letztendlich muss aber jeder selbst für sich entscheiden, wie man damit umgeht und wie man sein Leben gestaltet. Man kann jedoch allgemein festhalten, dass sobald etwas aus der Waage gerät, es nie gut ist, aber ich möchte hier niemandem Vorschriften machen.
Es gibt immer mehr DJs, die öffentlich über ihre Depressionen sprechen, sich Auszeiten nehmen oder gänzlich vom Club-Life zurücktreten. Wie gehst du mit dem Stress um? Was sind deine Routinen, um damit umzugehen?
Es ist eine Herausforderung, die Auftritte, die Studioarbeit, die vielen Reisen und das Privatleben zu jonglieren. Heutzutage kommt auch noch Social Media hinzu, was immens viel Zeit und Raum in Anspruch nimmt und einen fast 24/7 bindet. Heute macht man nicht nur Musik, sondern muss ein gewisser Allrounder sein. Hierbei abzuschalten und auch mal Pausen zu machen, fällt vielen schwer, da mediale Präsenz scheinbar mittlerweile immer mehr Einfluss auf Standing und Erfolg hat und dementsprechend auch fälschlicherweise ausschlaggebendes Messkriterium für künstlerische Qualität darstellt. Der Druck, immer abzuliefern und Leistung zu bringen, kommt noch erschwerend hinzu. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass viele damit ein Problem haben, sich ihren Ausgleich zu schaffen. Das Abschalten fällt auch mir nicht immer gleich leicht, aber mit der Entscheidung im beschaulichen Passau zu leben, habe ich mir zumindest ein gutes Umfeld geschaffen, das mich erdet und mir Ruhe schenkt als Ausgleich.
Berlin ist nicht nur die deutsche Hauptstadt, sondern auch europäische Techno-Hochburg. Vieles, was in Berlin passiert, trifft nicht auf das übrige Deutschland zu. So gibt es in Berlin eine große Diskussion um eine von Dr. Motte neu ins Leben gerufene Parade. Wie stehst du dazu?
Berlin ist definitiv und unbestritten die Techno-Hochburg Deutschlands und dafür auch zu Recht weltweit bekannt, denn hier trifft sich ganz Europa oder gar die ganze Welt am Wochenende zum Feiern. Generell bin ich der Meinung, sollte es zu einer Neuauflage einer Parade kommen, wäre der Berliner Spirit der einzig richtige Rahmen hierfür.
Pioneer hat seinen neuen Club-Mixer vorgestellt. Ich weiß, dass du ausschließlich mit Pioneer-Geräten auflegst. Hattest du schon Gelegenheit, dich mit dem neuen Mixer zu beschäftigen?
Leider noch nicht, aber ich freue mich schon darauf.
Was sind deine Ziele für 2020?
Gute Produktionen, eine coole Festivalseason und viele schöne Gigs.
KURZ & KNAPP
Bester Track 2019
Moonshine – Industrializer
Bester Remix 2019
House of House – Thomas Schumacher Remix
Beste Nacht
2019 Maniziales, Kolumbien
Bestes Erlebnis 2019
Erstes Booking in New York
Durchstarter 2019
Flug
Bestes DJ-Gespräch 2019
Mit Joseph Capriati in Basel
Unwort des Jahres 2019
Tempolimit
Abfuck 2019
Grippewelle
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