Pioneer DJ XDJ-XZ – Flaggschiff für jedes Budget?

Seit Ende letzten Jahres ist der Pioneer XDJ-XZ erhältlich. Seine mehr als ambitionierte Aufgabe: Den Pioneer-Clubstandard, bestehend aus zwei CDJ-2000NXS 2 und einem DJM-2000NXS, in einem einzigen Gerät zu bündeln, das dann auch nur noch etwa ein Drittel des ursprünglichen Preises kosten soll. Kein Wunder, dass dieses Stand-Alone-Tool für Aufruhr, Hoffnungen und Diskussionen gesorgt hat. Es gibt zu dieser Box so viele Videos, Reviews und Rezensionen, wie von kaum einen anderen DJ-Tool. Auch vor meiner Tür steht nun jedenfalls ein Paket, dass eher nach Wandschrank als nach DJ-Equipment anmutet. The stage is yours, Pioneer.

 

Ein Blick auf die Oberfläche zeigt, dass hier tatsächlich das Set-up, dass man in fast jeder DJ-Booth sieht, in ein Gehäuse gebaut wurde: Es gibt die zwei bekannten Decks und den Mixer mit vier Kanälen in der Mitte. Der XDJ-XZ ist aus dem gleichen Holz wie die oben genannten Tools geschnitzt und fühlt sich ungemein robust und wertig an. Völlig klar ist, dass wirklich jeder, der die Pioneer-DJ-Tools kennt, hiermit sofort loslegen kann. Der erste augenscheinliche Unterschied ist das Display. Im XDJ-XZ ist es nur einmal zentral über dem Mixer zu finden und nicht in jedem Deck einzeln verbaut. Konzeptionell ist der neue Pioneer so aufgebaut, dass man über die beiden Player Kontrolle über Kanal eins und zwei hat. Die zwei weiteren Kanäle des Vierkanal-Mixers sind für externe Geräte, also Turntables, Instrumente oder weitere CDJs, reserviert. Seit Januar ist die Firmware aktualisiert und Serato-User können den XDJ-XZ nun auch in ihr Setup einbauen. Irgendwie wäre es auch smart gewesen, den beiden Playern auch Zugriff auf Kanal drei und vier zu geben. Aber das hat man beim oben genannten Clubstandard auch nicht, so dass Pioneer mit eben diesem Konzept in einem Gerät argumentieren kann. Ansonsten ist hier alles auf Pioneers hauseigene rekordbox-Software ausgelegt. Dort wird die Musikbibliothek vor dem Auflegen analysiert nach Tempo, Tonart und Co. Außerdem kann man hier im Voraus Loops setzen oder Cues vorbereiten. Ohne das Einbinden in rekordbox oder Serato funktioniert das System leider nur eingeschränkt: Das Gerät braucht zu lange, um Tracks von einem USB-Stick zu analysieren, sodass es sich nur im Verbund mit der Software lohnt. Was nicht heißen sollte, dass man diese auch beim Auflegen braucht, denn der XDJ ist, wie bereits erwähnt, Stand-Alone. Doch der Einsatz von rekordbox ist äußerst intuitiv und ist im Einsatz auch einfach praktisch: Wenn man über die Link-Funktion Computer oder andere Quellen anschließt, wird auf dem Gerät sofort die rekordbox-Library erkannt und man kann perfekt im Display darauf zugreifen.

Schauen wir uns die Anschlüsse kurz an: Für den Stromanschluss braucht man einen Kaltgerätestecker, wie sich das für Profi-Equipment gehört. Es gibt zwei Mikrofon-Kombi-Buchsen, einen Aux-Eingang und zwei Eingänge für weitere Zuspieler auf Kanal drei und vier. Als Ausgänge gibt es zwei Master-Outs, je einmal Chinch und XLR, sowie einen DJ-Booth-Ausgang für das Monitoring, der mit XLR-Kabeln bestückt ist. Über zwei Netzwerk-Anschlüsse lässt sich das Gerät mit weiteren Devices, die Pioneers Pro-DJ-Link unterstützen, verbinden. Für die direkte Verbindung mit einem Computer steht eine USB-Buchse bereit. Ein ganz besonderes Feature ist definitiv der Send-Ausgang für externe Effektgeräte, die immer beliebter werden. Das „Wet“-Signal kommt über den Aux-In wieder in den Mixer zurück.

Der Mixer selbst besteht aus vier Kanalzügen, einer Effektsektion und dem Sound-Color-FX, wie man das aus dem DJM-900NXS 2 kennt. Kurz und bündig lässt sich sagen, dass die hohe Soundqualität, große Potis und alle Effekte des Flaggschiff-Mixers übernommen worden sind. Für die Bearbeitung gibt es auf jeden Kanal einen ordentlich anpackenden Dreiband-EQ, sechs Sound-Color-FX-Optionen und obendrauf das bewährte Beat-FX-Verfahren mit 14 Effekten zum kreativen Mixing. Auch mit dem Master-Kanalzug, zu finden an der rechten Oberseite, kann man mit einem Dreiband-EQ noch mal auf den Klang zugreifen. Für die gute Soundqualität sorgt unter anderem eine der besten Soundkarten, die in Pioneer-Tools verbaut ist, eine erneuerte Version aus dem DJM-700.

Einer der wirklich außergewöhnlichen Features sind die beiden Mikrofon-Kanalzüge. Diese lassen sich ebenfalls mit einem Dreiband-EQ bearbeiten, verfügen über einen Feedback-Reducer, der Rückkopplungen schon absenkt, bevor sie entstehen, sowie einer Talkover-Funktion.

Auch die Player sind sehr nah an den CDJs gehalten, es gibt fast alle Bedienelemente, die das Flaggschiff der DJ-Player auch bietet. Die Jogwheels erscheinen sehr groß und bestimmen einfach das Geschehen. Nicht zuletzt, weil sie beim Mixen ein optisches Feedback geben und in ihrer Mitte Informationen über Wellenformen, BPM, Tonart oder auch Artwork geben. Zusammen mit dem 7-Zoll-Touch-Display hatte ich beim Auflegen alle Informationen im Blick, um den XDJ-XZ als einziges Tool nutzen zu können, ohne auf sonstige Bildschirme angewiesen zu sein. Doch wer hier noch nicht von Anfang an zufrieden ist, kann sich ziemlich intuitiv über das Menü im Display genau das anzeigen lassen, was er möchte. Außerdem lässt sich über farbliche Markierung auch ein kompliziertes Setup aus verschiedenen USB-Sticks, synchronisierten externen CDJs oder Computern gut erkennen, aus welcher Quelle die Tracks nun kommen. Praktisch ist auch, dass man sich über den „Tag“-Button sowas wie eine Warteschlange während des Mixen erstellen kann. Soll heißen, man kann blitzschnell durch seine Library suchen und Favoriten taggen, die zu dem Track passen, der gerade läuft. Diese sind dann in einer eigenen, übersichtlicheren Liste unter „Tag“ zu finden.

Die Aufteilung der Player ist ziemlich genau die des CDJ-2000NXS: in der Mitte Jogwheels, recht daneben Pitch-Fader mit einer einstellbaren Range von 6, 10, 16 Prozent und Wide, Master-Tempo sowie Master- und Sync-Taste. Auf der linken Seite finden sich die Reverse-Funktion sowie eine Shift-Taste. Zur Anpassung des Jogwheels gibt es oben einen Regler für den Vinyl-Speed und einen Regler für Jog-Wheel-Mechanik. Auf der Unterseite befinden sich acht Pads, mit denen man die Modi Hot-Cues, Beat-Loop, Slip-Loop und Beat-Jump kontrollieren kann, was richtig gut funktioniert.

Beim Fazit möchte ich noch mal auf den Anfang eingehen: Man hat hier von Anfang an das Gefühl, der Pioneer XDJ-XZ ist einfach der Clubstandard in einem Gerät. Natürlich sind zwei CDJs und ein DJM-Mixer etwas größer, wenn man sie nebeneinander stellt. Und natürlich gibt es einige wenige Features, die deswegen unter den Tisch gefallen sind. Aber fast alles stimmt überein. Im Studio lag ebenfalls ein DJ-Controller im unteren Preissegment rum. Im Vergleich mit dem Pioneer sah man sofort, dass es ein Vergleich von Fliegengewicht mit einem Schwergewicht ist. Man hätte an mancher Stelle das Konzept gewinnbringend noch etwas erweitern können, doch: Ich versteh noch nicht ganz, warum Pioneer dieses Gerät gebaut hat, denn, wer kauft sich jetzt noch die deutlich teureren Einzel-Geräte?

 

Aus dem FAZEmag 101/07.2020
Text: Bastian Gies
www.pioneerdj.com