Techno-DJs reden über Hip-Hop Part 1

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Technos reden über Hip-Hop Part 1 – mit 
DJ Emerson, Raphael Dincsoy und Sven Wittekind

Viele Techno- und House-DJs hören in ihrer Freizeit gerne Hip-Hop. Da ich ebenfalls sehr gerne Rhymes droppe und es liebe, mit Raphael Dincsoy, Simon „Emerson“ Kidder und Sven Wittekind zu fachsimpeln, haben wir uns zu einem Chat verabredet, um die aktuelle Situation im Deutsch-Rap zu analysieren. #machomanstyle #lms #dankbarkeit

Sven Schäfer: Warum hört ihr Hip-Hop?

Simon Kidder: Ich möchte mein Gehirn manchmal abschalten beim Musikhören, aber der Bass muss trotzdem drücken. Das funktioniert mit Asi-Rap supa.

Sven Wittekind: Weil ich es interessant finde, Texte zu hören, in denen man sich erkennen kann. Aber auch einfach nur, weil es viel gute Musik gibt in dem Bereich. Vor allem Battlerap oder auch Rap am Mittwoch feiere ich.

Raphael Dincsoy: Ich kann mich mit der Gewalt verherrlichenden, Drogen glorifizierenden Asozialität sehr gut identifizieren. Je asozialer, desto besser – #realtalk. Aber natürlich geht es mir auch um gute, nach vorne gehende Beats.

Sven: Seid ihr über Hip-Hop zu Techno gekommen? Auflegetechnisch?

Sven W.: Hip-Hop hat bei mir gar nix mit Techno zu tun. Habe das auch nie aufgelegt.

Simon: Nee, also ich beim besten Willen nicht. Ich habe nie Hip-Hop aufgelegt – ich bin über Drum ’n‘ Bass zu Hip-Hop gekommen.

Raphael: Ich könnte gar keinen Hip-Hop auflegen, glaube ich. Hip-Hop-Rap hält meinen Kopf „frisch“ für Techno. So lasse ich mich nicht bewusst oder unbewusst von Trends o. Ä. im Techno beeinflussen.

Sven: Wer ist euer Lieblings-MC aus Deutschland und wieso? KKS ist für mich der beste MC und hat mich vom Ami-Hip-Hop zu deutschem Rap gebracht. „Pimplegioneah“ und „LMS“. Danke an Chris Maruhn.

Sven W.: Live Savas … deep Vega/Prinz Pi … asozial, hmm, Kollegah (lacht) – ist aber echt schwer. Es gibt viele, die hier und da gut sind. Ich glaube, ich sage aus FFM-Verbundenheit Vega.

Simon: Bei mir ist das im Moment ganz klar 187. Gzuz, Bonez und SA4. Einfach weil ich mich mit denen identifizieren kann und die fette Beats haben. Angefangen hat es auch mit KKS – finde ich auch heute noch gut. Dazu kann ich aber nicht abschalten oder es die ganze Zeit hören so wie Bonez MC.

Sven: Aktuell finde ich Karate Andi am besten. MC Bomber feiere ich auch, aber eher aus Taktloss-Gesichtsgründen.

Sven W.: 187 geht mir gar ned so ab! Trifft absolut nicht meinen Nerv. Auch wenn die Jungs an sich sympathisch rüberkommen.

Raphael: Puh, ich kann mich wirklich nicht festlegen. Ich habe auch nicht wirklich einen Lieblings-DJ, so sieht es auch mit Rappern aus. Bei mir ist das sehr abhängig von aktuellen Alben o. Ä. Sprich, einen Künstler, den ich beim letzten Album gut fand, finde ich jetzt vielleicht nicht mehr so geil – oder eben umgekehrt. Aktuell feiere ich Sa4, Gzuz, Bonez – eigentlich komplett 187, aber auf jeden Fall auch Hanybal, auch Haft. Orgi69, Taktloss und Frauenarzt gehören auch zu meinen all time favs. Da ist die Identifikation am ehesten gegeben. Ich feiere auch Bushido, Fler oder Manuellsen, da die mich durch ihre Online-Präsenz, Beefs usw. sehr entertainen. Auch bei mir hat es mit Leuten wie KKS, Frauenarzt, Manny Marc bzw. Bassboxx etc. angefangen. Und ganz klar: Karate Andi ist richtig stabil im Moment. Ich feiere auch Hustensaft Jüngling, Money Boy und die GUDG. Hier aber rein vong Entertainment her. Ich glaube, die sind tatsächlich realer, als man denkt. Und wenn nicht – egal, entertainen mich trotzdem hart.

Simon: Für mich sind auch immer dicke Beats wichtig. Mit so megatalentierten Super-MCs, die auf kackdünne Instrumentals rappen, kann ich nichts anfangen.

Sven: Kommen wir mal zu aktuellen Releases. Bonez’ Album „Palmen aus Plastik“.

Sven W.: Nicht mein Ding. Aber Respekt für den Erfolg.

Dincsoy. Emerson & Wittekind
Dincsoy. Emerson & Wittekind

Raphael: Ich habe eine Weile gebraucht, um mich darauf einzulassen. Eigentlich mag ich RAF nicht. Aber jetzt bin ich drin und feiere es hart. Ging mir mit Snoop Lion ähnlich – erst fand ich es nicht so geil, dann aber wochenlang rauf und runter gepumpt.

Sven W.: Doch RAF allein ist 100-mal cooler.

Raphael: Emse und ich beeinflussen uns da, glaube ich, immer ein bisschen gegenseitig. Wenn der eine etwas hart feiert und der andere nicht so, lässt man sich doch noch mal drauf ein. Haha. Ist natürlich etwas, das man nicht immer hören kann, aber momentan passt das geil zum Wetter und zu meinem Flow. Zudem kommt die Mukke stoned besonders gut.

Simon: Ja, ich find’s mega. Ich feiere dieses ganze Dancehall-Ding halt auch. Und so Tracks wie „Palmen aus Plastik“, „Ruhe nach dem Sturm“, „Dankbarkeit“ kann ich mir gerade bei dem Wetter jeden Tag anhören. Ich finde auch respektabel, dass RAF alle Tracks produziert oder mitproduziert hat. Da steckt wirklich Liebe drin, auch wenn Bonez sicher weniger gearbeitet hat für das Album – aber der liefert halt die Hooks und die Social-Media-Stunts. „Skimaske“ ist der einzige Hip-Hop-Track für mich, aber alles in allem ein Topalbum und ich denke, die Jungs werden mächtig abräumen.

Raphael: „Dankbarkeit“ ist überkrass!!! Dafür profitiert RAF ja vor allem auch vom Bonez-Hype. Das hält sich dann gut die Waage, denke ich. Vor drei bis vier Jahren hätte RAF sicher noch nichts mit Bonez gemacht, wage ich zu behaupten.

Sven W.: Das Album habe ich noch nicht gehört, nur die Singles. Fand ich okay. Haben mich aber nicht aufs Album gespannt gemacht.

Sven: Was sagt ihr zum Kollegah-Fan-Post? Ich fand den Track schwach, das Video ganz lustig, aber letztendlich nichts davon wichtig. Wie findet ihr „Vibe“?

Simon: „Vibe“ habe ich durchgehört – alles gut gemacht, gefällt mir aber nicht. Trap ist ganz schwierig für mich und so Rapper, die sich in schicke Klamotten kleiden, auch. Lacoste-Trainingsanzüge ausgenommen.

Sven: Du bist halt street und trägst nur Ellesse.

Simon: Auch gerne mal was von kik.

Sven W.: Also, ich habe es zweimal gehört und fand manche Aussagen darin ganz gut, in denen er klargestellt hat, wo er steht gegenüber den Behauptungen aus Fler-Interviews. Im Nachhinein finde ich lediglich, dass ein Beatwechsel oder eine Flowvariation dem Diss bei der Länge gut getan hätten. „Vibe“ ist okay, kann aber die ganzen Meinungen mit „bestes Fler-Album“ nicht unterschreiben. Für mich wiederholt er in jedem Track die gleichen Marken. Teilweise sind die Lines gleich aufgebaut. Oder beginnen gleich, textlich wirkt es sehr limitiert … Aber die Beats sind Dope, ebenso Tracks wie „Unterwegs“, „Mercedesstern“ oder „Unsichtbar“.

Raphael: Kann ich kurz machen. Video muss man, glaube ich, nicht drüber reden. Das war ein echter Film. Inhaltlich war es lame. 18 Minuten über Karotten quatschen. Bushidos oder Kays Disstracks waren ja ähnlich lang oder länger, wenn ich mich nicht irre. Aber da waren wenigstens eine wirkliche Story und jahrelanger Inhalt drin. Schwach fand ich von Fler, dass er das Ding sperren ließ. Da hätte gerade einer wie Fler, der immer so den Lauten macht, drüberstehen müssen. Krass war aber auch, dass Fler in einem Interview mit Niko von Backspin – das gedreht wurde, bevor Fanpost 2.0 rauskam – meinte, dass Disstracks „out“ wären und er wohl gar nicht mehr auf „Disses“ antworten würde. Als hätte er das geahnt. „Vibe“ finde ich gut gemacht – aber Trap ist absolut gar nicht meins. Turnt mich null. Fler an sich feiere ich aber als Entertainer, wie oben schon gesagt.

Sven: Beginner-Comeback. Gut oder belanglos?

Sven W.: Belanglos. Habe ich komplett verpennt. Auch weil die erste Single mit 187 war und mich das null juckt irgendwie.

Sven: Aber Hafti ist dabei.

Raphael: Für mich ist belanglos noch untertrieben. Ich habe die schon immer ultrawack gefunden und Eisfelds Geseiere ging mir schon immer auf den Keks. Ist einfach nicht meins. Kein Disrespekt, aber mich lässt das eiskalt.

Simon: Schon etwas belanglos, aber als alter Fan feiere ich doch manche Sachen. „Ahnma“, „Rap & fette Bässe“, „Meine Posse“, „Kater“ – finde ich alles gut. Nur Denyos Talentfreiheit ist zuweilen schmerzhaft.

Sven: Ich fand den Track mit Samy okay.

Raphael: Auch dass Haft und Gzuz dabei sind, macht es für mich null besser. Da versuchen die doch nur, „Coolness“ abzugreifen, und hoffen auf ein paar „neue“ und „junge“ Fans.

Simon: Die Nummer mit Haft ist große Katastrophe. Aber Gzuz zu featuren als Hamburger Original, macht schon irgendwie Sinn, und das hat Gzuz auch was gebracht.

Raphael: Meinste echt? Ich denke, das hat den Beginnern mehr gebracht als Gzuz.

 Sven W.: Gebraucht hätte er es nicht. Denke, die Beginner haben mehr profitiert.

Sven: Auge“, den ersten Track von „Essahdamus“, fand ich sehr enttäuschend. Video ist cool. Elder-Statesman-mäßig, aber sonst zu lahm und deep. Kein Appetizer.

Simon: Ja, ist irgendwie so wie immer. Standard.

Raphael: Ging bisher an mir vorbei, muss ich gestehen. Album-Release wurde verschoben, oder?

Sven W.: Ich mag ja so Storys … Song ist cool. Geht aber besser. Video … ja, okay.

Sven: Noch ein Tipp von euch für die kommenden Wochen? Worauf freut ihr euch – außer auf Weihnachten …?

Simon: Hanybal.

Sven W.: Casper-Album.

Raphael: Hanys „Haramstufe Rot“, ganz klar!

Sven W.: Hany werde ich auch hören.

Simon: Ich freue mich auf Alben von Maxwell und Sa4.

Sven W.: Ansonsten bin ich mal auf Kolle gespannt. Hoffe, es wird keine King-Plastik-Musik-Kacke.

Raphael: Sa4-Album wäre überkrass. Auf Neues von LX kann man sich sicher auch freuen.

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