Auch in diesem Monat schauen wir renommierten Acts in die digitale Plattentasche. Lag der Fokus der Vorbereitung eines jeden DJ vor Jahren noch beim stundenlangen stöbern im Plattenladen und einprägen von Covern, bedarf es heute meist kreativer Playlists, ein paar USB-Sticks und eine gute Internetverbindung. Wir haben bei Rune Reilly Kölsch und Anja Schneider etwas genauer nachgehakt.
Kölsch
Welchen Datenträger bevorzugst du?
Ich benutze gar keine Sticks, sondern zwei Festplatten mit jeweils 1 TB Speicherplatz sowie zwei SD-Karten. Die Festplatten laden extrem schnell und ich habe darauf unglaublich viel Platz für eine große Menge an Musik.
Welches Digitalformat in welcher Datenrate nutzt du?
Die bestmöglich verfügbare. In der Regel WAV, aber definitiv nichts unter MP3 mit 320 kbit/s.
Wie viele Sicherheitskopien führst du mit?
Einige. Neben den zwei Festplatten habe ich zusätzlich drei SD-Karten, meinen Laptop, eine Playlist auf meinem Telefon sowie ein Notfall-Backup in der Dropbox. Nach ein paar gecrashten Computern kurz vor einer Show, bin ich da sehr empfindlich geworden bei dem Thema. Lieber eine Sicherung zu viel als zu wenig. Und das ist immer noch angenehmer als 40 Kilo an Vinyl durch die Gegend zu tragen.
Wie viele Tracks befinden sich auf deinem Datenträger?
32 835.
Wie verwaltest du deine Tracks?
Ich nutze Rekordbox und iTunes. Ziemlich einfach und simpel. Es hat mich jedoch Ewigkeiten gekostet, mich an Track-Titel anstatt Cover zu gewöhnen. Ich finde, in dieser Beziehung zwischen DJ und Cover war eine Menge Emotion involviert. Ein Blick auf ein paar Cover von damals und zahlreiche Erinnerungen werden in mir ausgelöst. Dieses Level habe ich mit digitalen Files leider noch nicht erreicht.
Wie sortierst du deine Tracks, beziehungsweise deine Playlists?
Definitiv zwischen Stimmung und Energie. Das kann zum Beispiel Tempo, Dynamik, Vibe und mehr sein. Ich versuche, Tracks auch nach ihren Noten zu sortieren, sodass sie möglichst gut zueinander passen. Wenn ich zwischen ein paar Noten hin und her springen will, nutze ich oft eher Loop-basierte Tracks, um eine Brücke zwischen zwei eher melodiösen Stücken zu kreieren. Bei langen Sets bereite ich oftmals auch mehrere Listen vor, um mich einem breitem Spektrum an Stilen bedienen zu können.
Wie behältst du den Überblick bei der Flut an Digital-Files?
Das ist definitiv ein Fulltime-Job. Ich höre jeden Tag Musik und ich bekomme gefühlt Millionen Promos. Es ist mit Sicherheit schwieriger, gute Musik inmitten dieser Flut zu finden. Ich habe das Gefühl, viele Produzenten dort draußen kopieren sich gegenseitig nur. Viele produzieren auch ganz gezielt Sounds, in der Hoffnung, von bestimmten DJs gespielt zu werden. Ich habe schon oft überlegt, mich von diesen Promo-Listen zu löschen, da mir am Ende maximal zwei Prozent des Gehörten gefällt. Aber irgendwas in mir sagt, dass ich das alles doch hören sollte. Denn es könnte hinter jeder Promo-Mail ein unentdeckter Hit stecken …
Wie läuft der Prozess vom Promo-Hören über das Runterladen bis zum Clubeinsatz ab?
Ich höre, wie gesagt, jeden Tag Musik. In letzter Zeit habe ich vermehrt in meiner alten Vinylsammlung nach Musik gesucht, um so mal wieder auf ein paar alte Schätze zurückgreifen zu können. Damit verbringe ich immer mal wieder Zeit. Oft nehme ich diese dann digital auf und remastere die Stücke. Wenn ich dann auch alle Promos, meine eignen Demos und Einkäufe aus dem Netz durch habe, fügt sich in Rekordbox alles zusammen. Ich erstelle Listen, Intros und Outros und setze verschiedene Cue-Punkte. Und dann geht’s ab in den Club.
Was könnte man an der „digitalen Plattentasche“ technisch verbessern?
Gute Frage.Technisch gesehen scheint sich alles ständig zu verbessern. Jedes Jahr gibt es einige neue Funktionen, die ich aber nie benutze.
Wie hat sich deine Wahrnehmung in Bezug auf Musik seit der Digitalisierung verändert?
Ich denke da oft darüber nach, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass da ein wichtiges emotionales Element fehlt. Schwer zu beschreiben, aber es gibt Situationen, in denen man fühlt, dass zwei Tracks unglaublich gut zueinander passen. Genau das ist der Moment, wo die Magie beginnt. Und dieses Gefühl wird keine Software der Welt planen oder re-produzieren können. Auch haben Tracks nicht die gleiche Lebensdauer wie damals. Als ich 1993 mit dem auflegen begonnen habe, hat man Platten ein ganzes Jahr lang durch die Gegend getragen und sie gespielt. Vinyls waren sehr teuer und teilweise extrem schwierig zu bekommen. Ich bin teilweise lange Strecken gefahren, in der Hoffnung, gewisse Stücke zu hören. Weil ich wusste, dass bestimmte DJs diese Stücke besitzen. Heute hält der Hype um ein Track vielleicht zwei bis drei Wochen an. Ich mache recht viel Edits und auch Stücke für mein Set, sodass auch heute Musik vorhanden ist, die nur ich besitze.
Was steht bei dir in den nächsten Wochen an Highlights an?
Im Moment arbeite ich an meinem neuen Album für Kompakt und plane weitere Releases sowie Events auf meinem Label IPSO. Januar und Februar spiele ich generell nicht, sodass ich mich ganz gut auf Musik konzentrieren kann.
Anja Schneider
Welchen Datenträger bevorzugst du?
Für meine Club-Gigs benutze ich einen USB-Stick mit 256 GB.
Welches Digitalformat in welcher Datenrate nutzt du?
WAV und MP3.
Wie viele Sicherheitskopien führst du mit?
Ich reise immer mit meinem Laptop und einem Stick.
Wie viele Tracks befinden sich auf deinem Datenträger?
3104.
Wie verwaltest du deine Tracks?
In Ordnern nach Jahren sowie Monaten. Ich habe noch einen Classic-Ordner für Raritäten und Edits. Für manche Gigs, die musikalisch ganz eindeutig sind, wie zum Beispiel im Sisyphos in der Hammerhalle, erstelle ich einen Ordner für diesen einen Gig.
Wie sortierst du deine Tracks, beziehungsweise deine Playlists?
Die Playlists heißen zum Beispiel ‚2019/01‘ oder ‚2019/02‘.
Wie behältst du den Überblick bei der Flut an Digitalfiles?
Ich weiß ziemlich genau, was sich in den Ordnern, beziehungsweise in den Playlists der letzten sechs Monate befindet. Gehe ich ‚on the fly‘ mal weiter zurück, lasse ich mich auch gerne wieder überraschen und inspirieren.
Wie läuft der Prozess vom Promo-Hören über das Runterladen bis zum Clubeinsatz ab?
Hören, liken, kommentieren, runterladen. Das ganze einmal pro Woche. Aus der Flut der wöchentlichen Promos erstelle ich meine Radiosendungen. „Club Room“ auf Mixcloud und Radio Eins. Das Konzept ist immer klar: ein Ausblick auf neu erscheinende Club-Tracks, die ich vorstelle und die mir gefallen. Haben es die Tracks in meine Radiosendung geschafft, füge ich anschließend die Tracks, die für mich als DJ im Club spielbar sind, über rekordbox auf meinen USB-Stick hinzu.
Was könnte man an der „digitalen Plattentasche“ technisch verbessern?
Ich finde das System über rekordbox schon ganz gut. Jeder ist natürlich aufgerufen, sich selbst damit zu arrangieren und sich eine eigene Ordnung anzulegen.
Wie hat sich deine Wahrnehmung in Bezug auf Musik seit der Digitalisierung verändert?
Es ist natürlich alles wesentlich mehr geworden. Im Plattenladen nehme ich mir Zeit und komme mit einer viel kleineren aber feineren Auswahl nach Hause, als wenn ich online Promos durchhöre. Auch vermisse ich die Cover und die visuelle Wahrnehmung und die damit größere emotionale Bindung, die ich zu den Tracks hatte.
Was steht bei dir in den nächsten Wochen an Highlights an?
Ich release eine neue EP auf meinem Label Sous Music. Außerdem ist ein neuer Track von mir auf dem neuen Muna-Release zu finden. Es kommen noch zwei Remixe demnächst, einer für Sophie Hunger und einer auf Anjunadeep.
Noch mehr Titelverwaltung im File-Zeitalter:
Andhim & Superflu
Monika Kruse & Yetti Meissner
Adam Port & SBTH
Adana Twins & Till von Sein
Marcus Worgull & H.O.S.H.
Ian Pooley & Matthias Meyer