Guten Freunden schenkt man ein Küsschen. Bussi, Tom! Alles Gute zum 50., an dem du wie 35 aussiehst – das meinst du zumindest. Aber belassen wir es dabei. Ihr fragt euch, wie man einen langjährigen Freund und Mitstreiter zum runden Geburtstag würdigt? Natürlich mit 50 Fragen.
Wo und wann bist du geboren?
Am 10. März 1970 in Kaufbeuren. Ich hatte aber oft das Gefühl die letzten Jahre, nicht von dieser Welt zu sein, sondern vielleicht vom Uranus oder so.
Wann und wie bist du das erste Mal mit Musik in Berührung gekommen?
Ich mag mich erinnern, dass ich Musik immer toll fand. Wir hatten eine Single, die „Schön ist es auf der Welt zu sein“ hieß. Der Text geht weiter mit „sagt die Biene zum Stachelschwein“. Ich war ungefähr vier oder fünf und dieses Lied lief den ganzen Tag rauf und runter bei mir im Zimmer. Ebenfalls nach meiner Kindheit fühlt sich die Titelmelodie der alten „Winnetou“-Filme an. Irgendwann kam dann die erste Single. Das war Kiss mit „I Was Made For Loving You“ – ich wollte sein wie diese Jungs mit zehn.
Welche Musik wurde in deinem Elternhaus gehört?
Vieles aus den Siebzigern. Ich erinnere mich, dass meine Mama Neil-Diamond-Platten hatte und ein Fan war. Wie alle Mädels damals, glaube ich.
Welches war dein Lieblingsschulfach und wie hieß dein Lieblingslehrer?
Also, Schule war nicht so meins. Auch wenn ich gar nicht so schlecht war. Aber ich bin in einem antiautoritären Kindergarten mit der damaligen Laissez-faire-Erziehung groß geworden. Ich glaube, da habe ich schnell mitbekommen, dass unser Schulsystem nicht wirklich was für Freigeister ist. Für die Redaktion: Meine besten Fächer waren auf keinen Fall Deutsch und Rechtschreibung. Danke fürs Korrigieren all die Jahre. Die Lehrerin, an die ich mich am liebsten erinnere, ist meine Grundschullehrerin Frau Schleich.
Was für ein Schüler warst du?
Ein eher durchschnittlicher. Aber ich war sehr gut in Sport und immer für Blödsinn zu haben.
Was war zu Grundschulzeiten dein Berufswunsch?
Ich wollte Sportler werden.
In welchem Alter hattest du deine erste Freundin?
Ich glaube, mit 14 oder 13. Sie hieß Sandra und ist heute Schauspielerin. Wir laufen uns ab und zu noch über den Weg. Wir haben uns Briefchen geschrieben und geknutscht.
Wie bist du zum DJing gekommen?
Über die Musik. Ich habe sehr früh angefangen, mein ganzes Taschengeld für Singles auszugeben. Zu Hause habe ich auf Kassette Songs aus dem Radio aufgenommen, „Pop nach Acht“ mit Günther Jauch und Thomas Gottschalk auf Bayern 3 gehört. Später dann Freddie Kugel. Sein Spruch war immer „Keep the fire burning“ – das fand ich megacool.
Mit welchen Turntables hast du angefangen aufzulegen?
Zuerst waren es zwei Tapedecks und Kassetten. Dann waren es welche von Grundig mit Riemenantrieb. Den ersten Technics habe ich dann bei Grandmaster Flash in dem Film „Wild Style“ gesehen. Von da an war auch klar, dass ich das so wie er machen wollte. Scratchen war das neue Ding. Aber die waren damals echt teuer für einen Jungen wie mich. Als ich mir endlich welche zusammengespart hatte, habe ich am Tag bestimmt drei Stunden Mixen und Scratchen geübt.
Wo hat dein erster DJ-Gig stattgefunden?
Beim Faschingsball vom Luitpold Gymnasium 1986. Da war ich 16. Da habe ich dann gemerkt, dass die Mädchen das auch total cool fanden, wenn man heiße Scheiben auflegte, zu denen sie tanzen konnten. Der Rest ist selbsterklärend.
Was hast du für deinen ersten DJ-Gig an Entlohnung bekommen?
Einen Kuss vom coolsten Mädchen der Schule. Danach gab es im Freizeitheim 50 Mark, aber wir sollten damit Platten kaufen. Im Babalu, wo ich meine erste richtige Residency hatte, gab es 150 Mark am Abend.
Welchen Herzenswunsch hast du dir nach dem ersten verdienten DJ-Geld erfüllt?
Ich bin damals von einem alten orangefarbenen Polo auf einen gebrauchten, alten silbernen Benz umgestiegen. Das war echt klasse.
Was war die schlimmste Panne bei deinen frühen DJ-Sets, an die du dich erinnern kannst?
Mir sind mal beim Scratchen meine letzten beiden Nadeln abgebrochen. Es dauerte eine Stunde, bis es weitergehen konnte. Aber da war die Stimmung nicht mehr so der Hit.
Wie hat deine Familie auf deine Entscheidung, mit Musik dein Geld verdienen zu wollen, reagiert?
Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen. Ich glaube, sie war sehr besorgt. Denn DJ war damals kein Beruf. Es war ein Hobby. Aber ich habe mit 19 meinen ersten Plattenladen in München in der Ehrengutstraße aufgemacht – das Startkapital hat sie mir geliehen. Heute ist sie sehr stolz.
Wo hast du dir damals dein Vinyl besorgt und wie viel Geld hast du dafür ausgegeben?
Bevor ich den Recordstore hatte, habe ich überall gejobbt: in Boutiquen, als Schuhverkäufer und als Möbelpacker zum Beispiel. Das ganze Geld habe ich dann zum WOM getragen und die neuesten Maxis besorgt. Es war wie eine Sucht: die ständige Suche nach neuen Scheiben, die keiner hatte. Aber es war eine tolle Zeit. Jeder dieser Tage, an dem neues Vinyl ankam, war wie Weihnachten.
Wann und warum hast du dich entschieden, auch Musik zu produzieren?
Das war Anfang der Neunziger. Ich lernte Erica kennen und wir hatten ein kleines Studio im Keller. Da haben wir gesampelt und unglaublich viel experimentiert. Von da an ging es immer weiter. Heute kommen Leute zu mir, singen mir meine Songs vor und erzählen mir zum Beispiel, dass sie sich zu dem Song verliebt hätten oder dass es ihr Lieblingslied zum Tanzen sei. Was gibt es Schöneres?
Wie bist du zu deiner Plattenfirma Kosmo Records gekommen?
Ich lernte Michi Rank kennen. Der war vorher bei Island Records und hat sich mit Dance Division dann selbstständig gemacht mit der BMG. Der Rest ist Musikgeschichte.
Wie war zu dieser Zeit die Münchener Szene und wer gehörte dazu?
Es gab viele DJs. Aber wenige, die es wirklich ernst nahmen. LUPO aus dem P1 zum Beispiel war so einer. Ich hing damals mit DJ Hell viel rum und wir machten 1992 sogar einen Club zusammen. Der hieß CB Dancehall – für ein paar Monate. Erst später kamen viele neue Gesichter dazu wie Tomcraft oder Linus.
Welche Münchener Clubs waren damals relevant?
Ein wichtiger Club war das Babalu. Dort wurde die Afterhour erfunden. Dann noch Parkcafé, Pulverturm, Nachtwerk und Nachtwerk Club, das P1 – und es gab den ersten richtig wichtigen Rave namens Technomania. Dann kamen die Panzerhallen und so weiter.
Was hat sich in deinem Leben durch den ersten großen Hit „Superstar“ verändert und wie ist dieser zustande gekommen?
Das war der Startschuss für die ganzen internationalen Shows. Der Track war in 18 Ländern in den Charts und wurde erst vor ein paar Jahren vom englischen Mixmag zu einem der besten Housetracks aller Zeiten gekürt. Das Ganze ist – wie damals fast alles – durch Sampling entstanden. Wir haben im Studio rumgehangen und auf einmal war es fertig. Die Vocal-Version ist aber erst danach entstanden.
Wie hoch waren die Erwartungen an das Follow-up zu „Superstar“ und wie bist du mit dem Druck umgegangen?
Das war echt schlimm. Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen, was im Anschluss kommen würde. Zum Glück war „Pumpin“ recht bald danach draußen und wurde ein Riesen-Hit. Nicht so kommerziell erfolgreich, aber in den Clubs lief das Ding rauf und runter und auf der Abschluss-Kundgebung der Loveparade 1999 gleich viermal.
Wie haben sich deine Gagen durch die Hits entwickelt?
Na, die sind gestiegen. Allerdings nicht ins Unermessliche. Damals wurde der Wert immer noch nach dem bemessen, was ein DJ konnte und wie viele Leute er gezogen hat. Heute ist das leider längst nicht mehr so.
Wer hat sich zu dieser Zeit um dein Booking gekümmert?
Das waren zu Beginn Armin Mostoffi und die Bash Crew aus Berlin. Dann bin ich zu den Partisanen gewechselt. Zuerst hat mich Domenic D’Agnelli verbucht und dann kam recht bald der Melih. Zusammen sind wir echt lange den Weg gegangen. Leider haben wir uns irgendwann gestritten und getrennt. Ich finde das bis heute eigentlich sehr schade. Aber in dem Geschäft erhitzen sich schnell die Gemüter und es ist viel Ego im Spiel. Wenn man zurückblickt: alles Quatsch.
Du hast bei VIVA und MTV als Moderator gearbeitet. Wie ist es dazu gekommen?
Also, ich habe damals eine Gastmoderation auf der MAYDAY gemacht mit Heike Makatsch. Ich glaube, die fanden mich ganz schnuckelig, und ich bin ja auch nicht auf den Mund gefallen. Ich habe dann immer mehr moderiert und als MTV nach München zog, hatte ich ein Gespräch mit dem damaligen Chef und der hat mich nach einer Stunde als Moderator verpflichtet.
Was war das verrückteste TV-Interview, das du geführt hast?
Da gab es einige. Aber Robbie Williams war witzig. Wir haben im Hotelgang Fußball gespielt und nach jedem Tor durfte derjenige eine Frage stellen, der es geschossen hatte. Der spielt echt gut.
Nach „Superstar“ folgten viele weitere Hits. Was war für dich der emotionalste Erfolg und wieso?
„Your Body“. Ich war fast zehn Jahre bei MTV – ich stieg aus, weil sie nach Berlin gezogen sind und ich da nicht hinwollte. Ich wollte wieder nur Musik machen und auflegen. Da kam ein Anruf aus Australien. Die meinten, ich müsse kommen und große Festivals spielen. Die Single war da schon drei Monate auf Platz 1. Ich flog hin und es hat mich umgehauen. Am anderen Ende der Welt singen Tausende laut deinen Song mit. Das war der Hammer.
Du hast auf Ibiza jahrelang im Space gespielt. Was verbindest du mit der Insel?
Die Zeit im Space war unglaublich. Ich glaube, jeder, der auf der Terrasse mal gefeiert hat damals, stimmt mir zu, wenn ich sage, dass viele dieser Partys nicht umsonst als die besten der Welt bezeichnet werden. Ich hatte das Vergnügen, dort ganze 16 Jahre aufzulegen, und davon habe ich zehn Jahre lang den Schluss gespielt. Mehr ging damals eigentlich nicht. Es war wild. Ibiza wird für mich immer genau das sein, auch wenn die sieben Jahre danach im Lio auch der Hammer waren. Space war sagenhaft und Ibiza damals meine zweite Heimat. Was haben wir dort geravt!
Welche drei Orte sollte man sich auf Ibiza auf jeden Fall anschauen?
Die Altstadt ganz hochlaufen und runterschauen. Einen Sonnenuntergang im Café del Mar und die vielen tollen Strände.
Welche anderen europäischen Urlaubsregionen könnten Ibiza den Rang mittelfristig ablaufen?
Ich glaube nicht, dass Ibiza seinen Status verlieren wird. Ich denke, es braucht einfach überall wieder mehr Spirit. Egal, ob Natur oder Musik oder Party. Es ist alles so weit weg von dem, wie es sein sollte.
Aus welchen Gründen bist du schon aus Clubs geworfen worden?
Ein paar davon waren Strippen, Schlägerei, ein sehr betrunkener Tourmanager und sogar mal ein eifersüchtiger DJ. Ich sage aber nicht, wer es war.
Wie viele Paar Sneaker besitzt du?
Ich hatte mal sehr viele. Aber vor ein paar Jahren habe ich dem Irrsinn ein Ende gemacht und ganz viele an Flüchtlinge verschenkt. Die haben sich total gefreut, und das war mehr wert als der ganze Sneaker-Irrsinn. Ich besitze heute nicht mal ein Paar Yeezys. Aber dafür ein paar lässige alte Limited Editions. Ich denke, es sind vielleicht noch so 80 Paar.
Wie viele gute Freunde sind dir über die Jahre hinweg geblieben?
Ich würde sagen, schon so einige. Man muss allerdings Freunde anders definieren, wenn man DJ ist. Denn ich bin ja viele Male um die Welt geflogen und auch heute noch viel unterwegs. Man lernt überall viele tolle Leute kennen und schließt Freundschaften. Viele davon pflegt man nicht so intensiv, wie wenn man jetzt in seiner Hood einen Freund hat. Aber wenn man diese wieder trifft, stellt man oft fest, wie stark das Band ist und wie sehr man sich doch noch mag. Es sind eben auch die Erlebnisse, die einen verbinden. In München sind es tatsächlich auch so einige. Ich würde allerdings auch sagen, dass der ganz enge Kreis nicht mehr als zehn zählt.
Was war die größte Enttäuschung in deinem bisherigen DJ-Leben?
Dass aus der damaligen Toleranz unserer Jugendkultur eine Gesellschaft von Hatern, Neidern und intoleranten Menschen geworden ist. Von Liebe zur Musik oder Gemeinschaft keine Spur mehr. Es geht nur noch ums Geld und ums Angeben. Mich macht das traurig und deswegen habe ich mich auch aus vielen Bereichen immer mehr zurückgezogen. Ich glaube nämlich nicht, dass es sich wieder zum Besseren wenden wird, wenn ich ehrlich bin – so traurig das auch klingt. Das DJ-Ding ist durch. Musik ist Nebensache. Es geht um Verträge, Likes, Management und Kohle. Das ist nicht mehr echt. Längst nicht mehr.
Wie hat sich die aktuelle DJ- und Club-Szene verändert, wenn du auf deine Anfangszeit zurückblickst?
Das beschreibe ich ja auch immer wieder in der Kolumne. Damals gab es nicht so viele wie heute. Nicht jeder konnte das. Man brauchte Passion und musste Platten haben und musikverrückt sein. Heute reichen MacBook und WLAN. Die Clubs tun mir alle leid, denn sie sind die wahren Verlierer. Ich wünschte, das wäre nicht so gekommen, denn sie waren die Basis dieser ganzen Bewegung. Dort hat alles begonnen. Heute müssen sie gegen überdimensionale Kirmesveranstaltungen ankämpfen – die jungen Leute haben kaum noch ein Feeling für irgendwas. Dieselben Leute, die vor drei Jahren noch auf EDM herumgesprungen sind, tragen heute Schwarz und gehen zu Tale Of Us. Und zwar deshalb, weil sie es so verkauft bekommen.
Stichwort Streaming: Segen oder Fluch? Und bleibt das jetzt so oder wird sich daran noch etwas ändern?
Auf jeden Fall Fluch. Das ist der ganz große Verrat an der Musik als Kunst. Das wird bleiben, denn der Endverbraucher hat kein Wertgefühl mehr für Musik. Musik ist seit Jahren frei zugänglich. Dass man jetzt neun Euro zahlt im Monat, ist ja schon ein Highlight. Die meisten Kids hören Musik, aber gratis auf YouTube etc.
Ist ein erfolgreicher DJ ohne Facebook und Instagram heutzutage denkbar?
Auf keinen Fall. Das ist ja für die meisten Booker und das Publikum das Einzige, woran ein DJ gemessen wird. Dass die meisten hier mit sehr viel Geld nachhelfen, blenden alle aus. Es ist wie gesagt ein Fake-Business geworden. Leider!
Welche drei Songs könntest du in jedem deiner Sets spielen?
Tom Novy „Your Body“, Tom Novy & Milkwish „Dreamcatcher“ und Tom Novy feat. Bella „Vamos A La Playa“.
Wie ist es zu der aktuellen Kooperation mit DJ Antoine gekommen?
Konrad ist ein alter Freund von mir und hat das offiziell angefragt. Dann haben wir lange hin- und hergemailt und er hat irgendwann ein Layout geschickt. Ich hatte von Kosmo nur die Songrechte zurück, aber nicht die Rechte für die Master. So haben wir es nachsingen lassen. Er hat mich dann gefragt, ob wir es zusammen machen wollen als Kollaboration, und ich habe gedacht: warum nicht? Ich habe dann noch einen sehr lässigen Tech-House-Remix davon gemacht, der im März kommt, und noch zwei, drei andere Remixe wird es geben. Ich finde die neue Version wirklich sehr gelungen und sehr fröhlich. Passt diesen Sommer definitiv auf jedes Festival.
Welche Releases sind für 2020 geplant?
Es kommt eine ganze Menge an neuen Sachen. Zum einen auf meinem Label Nouveau Niveau mit vielen jungen und alten tollen Künstlern, zum anderen zwei neue Sachen auf Kontor. Ich freue mich sehr drauf, denn es sind sehr gewagte Nummern, die echt Spaß machen. Ich habe auch was Neues mit Lukas Love von Chasing Kurt gemacht – ein Monster-Vocal-House-Track. Und ich bin dabei, etwas mit meinem lieben Freund Dario D’Àttis zu machen. Was aber definitiv der Knaller ist: Ich habe mit meiner Freundin einen Track gemacht, den wir so zum Spaß aufgenommen haben. Daraus ist definitiv ein Anwärter für den Sommerhit 2020 entstanden. Seid gespannt!
Wie stehst du zu Dr. Mottes Plan, wieder eine Parade in Berlin zu organisieren?
Eine Loveparade wäre wichtiger denn je, denke ich. Für Liebe und Frieden auf der Welt zu demonstrieren, ist unglaublich wichtig geworden. Auch dass unsere Jugendkultur wieder eine Stimme hat. Ich denke aber, dass dieses Konzept, das Motte da vorgestellt hat, ein wenig stark am Thema vorbeigeht. „Rave The Planet“ und „Techno als Weltkulturerbe“, Spendenaufruf und so – das klang irgendwie nicht gut, fand ich. Und eine Frage stelle ich mir schon: Es waren dieselben Leute, die damals ihre Party und vor allem deren Ideal an den Meistbietenden verkauft haben. Warum also sollte man den gleichen Leuten jetzt wieder folgen? Ich fand die World Love Peace Parade im letzten Jahr eine schöne Sache und freue mich, wenn es ein wenig politischer wird und weniger Technokultur. Das Konzept ist mir zu alt.
Welcher Loveparade-Moment hat dich am meisten bewegt?
Das Auflegen 1999 an der Siegessäule. Es waren erstmals mehr als eine Million Leute da. Diese Energie werde ich nie vergessen.
Was bringt die Zukunft? In welche Richtungen denkst du? Du hast ja schon in Zürich und in München Engagement in der Gastronomie gezeigt.
Ich bin seit fünf Jahren alleinerziehend. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Das ganze Touren geht nicht mehr so einfach. Die Gastronomie werde ich weiter machen und es gibt auch weitere Projekte. Die Events mit unserer Firma Timeless Events laufen auch sehr gut. Nach sieben Jahren Lio Ibiza sind wir jetzt im Ocean Club Marbella seit vier Jahren und machen sonntags eine Daytime-Pool-Party. Aber auch in München und Umgebung sind wir sehr umtriebig und im Winter in den Alpen. Ich helfe dieses Jahr auch verstärkt meiner Freundin in ihrem tollen Restaurant Bella Mondo am wunderschönen Chiemsee. Wer dort mal ist, sollte uns unbedingt besuchen kommen zum Essen. Wir haben die schönste Terrasse mit dem unglaublichsten Sonnenuntergang dort. Ab Mitte März geht es wieder los. Ansonsten freue ich mich, dass ich ab Mitte März wieder auf Sendung gehe. Ich habe immer gerne Radio gemacht all die Jahre. Ab dem 19. März heißt es jeden Donnerstag von 19:00 Uhr bis Mitternacht auf 95,5 Charivari „Der kleine Freitag mit Tom Novy“. Da wird viel neue Musik vorgestellt und die letzten beiden Stunden lege ich auf. Mit Gästen und viel Quatsch und Infos. Gästelistenplätze und Groupies zu gewinnen. All so was eben. Das reicht doch auch für einen Mann in meinem Alter.
Es wird aktuell und zu Recht viel über die beste Nutzung der Ressourcen, über Umweltschutz und Verminderung des CO²-Ausstoßes gesprochen. Wie stehst du zu dieser Diskussion?
Ich habe meinen Privatjet schon vor Jahren verkauft. Und ja, Umweltschutz. Also für alle, die es noch nicht verstanden haben: Wir müssen was tun und unseren Planeten retten. Er leidet und wir haben uns von der Natur entfernt und uns über sie gestellt. Nur aus Profit- und Habgier. Wir sind jedoch nur ein kleiner Teil der Natur und von Mutter Erde. Ich glaube, wir müssen umdenken in ganz vielen Dingen.
50 Jahre Tom Novy. Worauf bist du besonders stolz, worauf nicht?
Auf meine wundervollen Kinder! Ich habe mich nie verbogen und bin echt geblieben. Das war oft sehr schmerzhaft, denn man steht häufig allein da und der Wind bläst einem ins Gesicht. Unsere Gesellschaft mag keine ehrlichen Freigeister. Ich bin ein liebevoller Vater und meiner Meinung nach auch ein toller Freund und ein guter Mensch, wenn man mich richtig kennt. Nicht so stolz bin ich auf die Zeit in der Schweiz und meine Ehe. Das war wirklich eine harte Zeit, die mich sehr verändert hat und mir aber auch einmal mehr gezeigt hat, dass wir nicht aus unseren Siegen, sondern nur aus unseren Niederlagen im Leben lernen.
Es ist nicht leicht, eine Beziehung in diesem Business zu führen. Welche Tipps kannst du jungen DJs geben?
Finger weg von den Groupies und den Gogos! Das hilft schon mal. Ansonsten muss jeder selbst wissen, wie wichtig ihm seine Beziehung ist.
Drogen und Alkohol sind Aspekte des Nachtlebens, die nicht wegzudiskutieren sind. Wie stehst du dazu?
Das gute alte Thema, das natürlich auch im Leben eines DJs immer präsent ist. Das Gute ist: Ich war nie ein Suchtmensch. Ich rauche nicht und trinke auch unter der Woche und an vielen Wochenenden keinen Alkohol. Drogen sind ebenfalls nicht mehr cool. Auch in den Neunzigern war ich nie ein Pillenkind oder so. Ich vertrage das auch gar nicht so. Aber ich feiere gerne immer noch und finde das unglaublich wichtig. Ich brauche ein Ventil. Ich will loslassen an einem Abend – egal, ob im Club oder bei einem Essen mit Freunden. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Aber das total Verbimmelte ist nichts mehr für mich. Ich bin danach drei Tage krank statt drei Tage wach.
Viele große DJs und Kollegen von dir sind über oder auch weit über 50. Wie wird sich das weiterentwickeln?
Na, die werden bald alle über 60 sein. Zum Glück bin ich noch so jung geblieben und sehe aus wie 35. Ich habe also noch Zeit, ein „großer“ DJ zu werden. Spaß beiseite, das Alter hat ja nicht wirklich was mit Musik zu tun, oder? Wer jung im Herzen ist und gerne Leute zum Tanzen bringt und unterhält, für den gibt es keine Altersgrenze. So einfach ist das.
Clubs und Festivals. Funktioniert beides nebeneinander? Wenn ja, wie?
Wenn ich das wüsste, würde ich es allen ins Ohr schreien. Ich glaube, der ganze Dance-Markt ist so oder so fehlgeleitet. Wer geht denn heute noch wegen eines DJs in einen Club? Warum erleben wir denn ein Clubsterben? Wegen der hohen Mieten in Berlin? Lächerlich. Clubs haben immer einen Weg gefunden, wenn sie gelaufen sind und ihr Publikum hatten. Clubs interessieren nur niemanden mehr. Das ist überholt. Die Kids hängen zu Hause am Handy. Tinder-, YouTube-, Insta- und TikTok-Party. Wozu also raus und tanzen? Und die Festivals sind mehr und mehr Kirmes-Events. Mit Fressgassen und Streetfood und immer demselben Line-up und Fahrgeschäften. Sehr Schade.
Welche Künstler findest du gerade spannend?
Ich mag sehr gern Black Circle, Dario D’Attis, Claudio Ricci, Louie Vega – von ihm war ich schon immer Riesenfan –, Milkwish, Frank Sonic und viele andere.
Was wird der Sommerhit 2020?
Ich habe noch keinen gehört, aber meine neue Single, Tom Novy feat. Bella, ist ein Sommerhit, den jeder mitsingen kann. Aber Eigenlob stinkt und deswegen: Schau mer mal, wie man bei uns in Bayern sagt.
Aus dem FAZEmag 097/03.2020
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