Er ist einer, der sein Herz auf der Zunge trägt. Nicht selten verkündet Tom Novy seine offene und ehrliche Meinung und ist zugleich ein Künstler, der das glorifizierte Bild eines Rockstars vollends erfüllt. In den fast 30 Jahren, die Tom Novy mittlerweile die elektronische Welt bereichert, beeinflusst und feiert, hat er viele kommen und gehen sehen. Addiert man die Kilometer, die er im Flieger durch die Weltgeschichte tourte, die Städte die er dabei bereiste und die Anzahl der sich bewegenden Crowds vor ihm, man würde sicherlich einige Zeit brauchen. Nun veröffentlicht der in Zürich lebende FAZE TV-Moderator und Label-Chef von Nouveau Niveau sein viertes Album, das mit „Timeless“ den gleichen Titel wie seine diesjährige Residency auf Ibiza trägt. Wir trafen ihn zum Kaffeeklatsch, wo – wie hätte es anders sein können – auch der Gossip nicht ausgelassen wurde.
Mit „Timeless“ veröffentlichst du dein viertes Album. Wie verlief die Produktion und mit wem hast du daran gearbeitet?
Das meiste habe ich mit meinem langjährigen Freund Christopher Groove und mit dem Sänger Amadeas in Wien geschrieben und produziert. Gemeinsam Musik machen wir schon seit “Thelma & Louise“-Zeiten. Mit der bezaubernden Veralovesmusic habe ich auch einige Tracks gemacht. Die konkrete Idee, ein Album zu produzieren, kam wirklich erst vor Kurzem. Ich sitze ständig im Studio und habe nach einiger Zeit festgestellt, wie viele Nummern ich eigentlich schon mit mir rumtrage. Bevor die Songs in der Versenkung bzw. in der Schublade verschwinden, habe ich mich dazu entschlossen, sie zu einem Album zu schnüren. Einiges davon ist auch schon auf Nouveau Niveau erschienen. Amadeas kennt man von „Dancing in the Sun“, und Veralovesmusic ist die Schönheit aus dem Video zu „The Right Time“. Beide ganz große Talente mit unglaublichen Stimmen. Eine Single hab ich mit Simone Cooper aufgenommen. Sie hat bereits vor Ewigkeiten auf meinem alten Hit „Loving You“ gesungen. „Dancing In The Sun“, mit der wir in Südafrika ja sogar auf Eins gegangen sind, ist ebenfalls Teil des Albums. Auch „The Right Time“, mit dem wir bei Youtube mittlerweile die 1-Million-Plays-Grenze überschritten haben, ist Teil des Albums.
Welche Singles werden ausgekoppelt, und von wem wird es Remixes geben?
Das wird „Nothing Lasts Forever“ sein, wozu es auch ein Video geben wird. Dazu haben wir ein Sample aus „Funeral Suits“ benutzt. Die Gitarrenmelodie wird dem ein oder anderen also sicherlich bekannt vorkommen. Das Label fand unsere Version super und hat uns ganz schnell alle Wege freigeräumt, die Sachen zu nutzen. Auch „Dance With Me“ und „Substitute For Love“ werden als Singles erscheinen – zwei völlig unterschiedliche Tracks, die aber genau meine Philosophie dieses Albums widerspiegeln. Mir war es wichtig, keine Schublade zu bedienen, sondern möglichst viele Facetten zu präsentieren. Wer mich kennt, der weiß, dass ich nie ein Freund von Begrenzungen jedweder Art war. Das ist in diesem Fall also nochmals ein großer Beweis dafür.
Du hast die elektronische Szene gelebt und entscheidend geprägt. Wie hast du dich musikalisch für dein Empfinden vom ersten bis zu deinem nun vierten Album verändert?
Ich finde, mein Sound ist wesentlich erwachsener geworden. Mir geht es nach all den Jahren noch immer um einen guten Song statt um einen Track. House ist für mich nach wie vor House – mit all seinen Möglichkeiten. Ein Tom Novy steht für eine deepe, sphärische Nummer aber genau so für ein paar Breakbeats oder Sachen, mit man große Hallen begeistert. Ich bin mit im Laufe der Jahre stets treu geblieben und zu keinem Zeitpunkt einem großen Trend gefolgt. Sei es EDM oder irgend ein anderer Popkommerz. Meine Tracks klingen so, als könnten sie deine neuen Lieblingslieder werden. Das ist der Anspruch, mit dem ich mich tagtäglich ins Studio setze. Für mich ist heutzutage vieles nur aufgewärmtes aus alten Tagen. Daher ist für mich das Songwriting, die einzige Möglichkeit, interessant zu bleiben. Auch wenn im Club stets ein Sample funktionieren wird und das auch vollkommen in Ordnung ist – für gute Housemusik benötigt man aber schlichtweg mehr, als ein Vocal zu recyceln und neue Beats drunter zu legen. Davon gibt es gerade so viel wie an einem überdimensionierten, schlecht sortierten Wühltisch. Die Zeiten werden nur immer schwieriger, sich mit Authentizität konstant auf einem Level durchzusetzen, in diesem riesigen Karussell. Ich habe schon viele kommen und schnell wieder gehen sehen. Doch mein Anspruch an mich selbst, steht über allem anderen.
Konstant wird in diesem Jahr auch deine Residency auf Ibiza sein. Im Wochentakt präsentierst du mit Timeless ein Konzept, welches im letzten Jahr gestartet ist…
Nach so einer langen Zeit darf man ruhig an zeitlosere Sachen denken – so entstand die Idee zu diesem Konzept. Nach dem Erfolg aus dem letzten Jahr, haben wir uns in 2014 entschieden, die Taktfrequenz in diesem Jahr zu erhöhen. Im Prinzip geht es darum, dass ich gemeinsam mit einem weiteren DJ – meistens ein guter Freund und Kollege – eine ganze Nacht unsere persönliche musikalische Geschichte erzähle. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Soul, Disco oder die guten alten 80er zu hören gibt. Was zählt, ist die Story dahinter. Passend dazu gibt es meist einen Sänger oder Sängerin. Gefeiert wird in diesem Jahr ab Mitte Juni mit Gästen wie Barbara Tucker, Abigail Bailey, Christopher Groove, Amadeas, Tapesh, Sander Kleinenberg, Paul Harris, Markus Gardeweg, Robert Heart, C-RO, Shuja, Schwarz 100 und noch vielen mehr. Wir fangen bereits tagsüber in einem der neuen Hotspots der Insel, dem Sands Beach an, wo wir mit entspannterem Sound wie Chillout oder sogar Rock Classics starten, und verlagern nach dem Sonnenuntergang alles ins benachbarte Lio. Insgesamt gibt es 14 Nächte, und ich freue mich wahnsinnig auf die gesamte Saison. Wer nach der letzten Scheibe noch stehen kann, kommt gegen 5 Uhr noch mit mir zum Carl ins Space …(lacht)
Du warst 17 Jahre Resident im Space und kennst die Insel somit wie kein Zweiter. Welche Veränderung hat Ibiza für dich in den letzten Jahren erfahren und wie schwierig ist es, sich in 2014 noch aus der Masse hervorzuheben?
Um ehrlich zu sein, mache ich mir darüber wenig Gedanken. Vielleicht bin ich – was Ibiza angeht – schon zu tief drin und zu sehr ‚Teil des Ganzen‘ – als das ich das noch mit der nötigen Objektivität beurteilen kann. Natürlich ist Ibiza kommerziell geworden, aber für mich nicht weniger als der ganze Rest der Welt. Nichts ist mehr so wie Ende der 90er-Jahre, wo es noch ein absolutes Privileg war, auf dieser Insel aufzulegen bzw. auch nur hier zu feiern. Diese ganze Maschinerie, bei der es vielen nur noch um blanken Profit geht, hat selbstverständlich viele Schattenseiten. Aber wer genau hinsieht, entdeckt noch immer tolle und neue Projekte, die mit Leidenschaft entstehen. Auch die Insel ist erwachsen geworden, nicht zuletzt durch viele Gesetzesänderungen, die das Ganze etwas strenger regulieren als noch vor zehn oder 20 Jahren. Wenn nun irgend ein Underground-DJ ständig darüber klagt, nichts sei mehr wie früher, dem kann ich nur antworten: ‚Richtig, weil du kleiner Hater damals nicht da warst‘. Auf Ibiza hat noch immer jeder die Freiheit, seinen Traum zu verwirklichen. Es geht hier größtenteils noch immer mit dem selben Spirit wie damals und nicht darum, sich gegenseitig schlecht zu machen. Viele münzen das in ein elitäres Geschwafel um, bei dem ich ehrlich gesagt kotzen könnte. Ich war im letzten Jahr zum Beispiel zwei Tage hintereinander im Ushuaia feiern. Mittwochs bei ‚Departure‘ und donnerstags bei ‚Used & Abused‘. Beides absolut tolle und völlig unterschiedliche Angelegenheiten. Ich hatte auf beiden Partys unglaublich viel Spaß. Es geht so einfach, wenn man möchte, seinen Kopf ausschaltet und sich einfach eine gute Zeit macht.
Ehrlich und direkt – wie man dich kennt. Du proklamierst nicht selten deine Meinung. Hand aufs Herz, welche Motivation trägt dich von Tag zu Tag in diesem Business?
Die Privatjets, die 100.000 Euro teuren Uhren, die Supermodel-Groupies, der schlechte Sex auf den Toiletten, die die Welt bedeuten, die kostenlosen Drogen gepaart mit literweise Schampus, die HON-Karte, meine Villa auf Ibiza und natürlich mein Ego. Spaß bei Seite. Ich liebe die Musik und den Beruf. Egal wann und wo ich auflege, ich kann mich jedes mal aufs Neue darin verlieren und lebe für die Interaktion mit Menschen. In all den Jahren habe ich unglaublich tolle Menschen und Kulturen kennengelernt, für die ich auf Ewig dankbar bin. Von mir aus würde ich das ganze noch zwei weitere Leben machen, wenn ich darf und mein Hausarzt sein OK gibt.“
Interview aus dem Heft #28, Juni 2014
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