Kinky Partys und Darkrooms – Mehr im Kommen denn je?

Quelle: Insomnia-Nightclub, Facebook

Koblenz, Essen, Ludwigsburg, Wuppertal und Basel sind das neue Berlin? Nicht ganz, aber eines haben diese Orte gemeinsam: Kinky- bzw. Fetisch-Partys. Damit einhergehend: Darkrooms. Sexpositive Einstellungen in vor einigen Jahren nicht gekanntem Ausmaß finden wieder Einzug in die Techno-Szene. Was jahrelang nur in Metropolen wie New York oder hierzulande Berlin und Köln hauptsächlich auf LGBTIQ+-Partys anzufinden war, erlebt nun einen großen Aufschwung, auch oder gerade in der Techno-Szene. Auf Netflix gibt es eine ganze Dokuserie zu Darkrooms, in der auch ein bekannter Techno-DJ mitspielt. Doch ist diese Bewegung neu? Wir berichten über die Hintergründe.

Die ersten Darkrooms entstanden bereits in den 1950ern und 1960ern in Berlin und New York. Sie waren Teil der Schwulenbewegung, die damals wenig Möglichkeiten hatte, sich in der Öffentlichkeit zu treffen oder ihre Sexualität auszuleben. Durch die Darkrooms in Underground-Bars und -clubs wurde eine subkulturelle Institution der LGBTIQ+-Community geschaffen, die den Besuchern einen Ort der Zuflucht vor der Stigmatisierung, die diese gesellschaftlich erfuhren, bot – ein Safe Space und zugleich ein Ort des Auslebens. Ihre goldene Ära erlebten die Darkrooms dann in den 1980er-Jahren. Da waren diese zunächst ein Symbol der sexuellen Revolution und Freiheit, des Hedonismus und des Aufbruchs. Darkrooms erreichten ihren Höhepunkt. Auch in heterosexuell ausgerichteten Clubs und Bars wurden Darkrooms eingerichtet. Es entstand eine eigene Kultur rund um Darkrooms, mit eigenen Etiketten und Regeln.

Dann kam die Aids-Welle und damit einhergehend eine Wende rund um die Thematik Darkroom. Diese gerieten negativ in den öffentlichen Fokus, wurden als Orte beschrieben, die die Verbreitung von HIV und Aids begünstigten. Viele Clubs und Bars schlossen ihre Darkrooms Ende der 1980er- und in den 1990er-Jahren, aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen oder auf Druck der Gesundheitsämter hin. Mit der Aids-Krise wuchs auch die Stigmatisierung von Homosexuellen, für die Darkrooms zuvor eine wichtige Institution gewesen sind. Medien wie der Spiegel feuerten gegen Darkrooms, stellten diese in der Mehrheitsgesellschaft als Orte der Perversion dar, die die „Schwulenseuche“ vorantrieben. Deswegen waren lange Zeit, bis auf wenig übrig gebliebene Darkrooms, diese so gut wie tot – an sexpositive Partys gar nicht erst zu denken.

Jahrzehnte später zeichnet sich ein anderer Trend ab. Darkrooms sind wieder voll im Kommen. Mittlerweile sind diese nicht mehr nur in speziellen Underground-Locations zu finden, sondern immer öfters auch in „normalen“ Techno-Clubs. Damit verbunden: Kinky- und Fetisch-Partys, die inzwischen nicht mehr nur in Metropolen wie Berlin oder Köln stattfinden, sondern auch in kleineren (Groß-)städten wie Koblenz, Basel oder Ludwigsburg. Scheint ganz so, als sei ein neuer Zeitgeist hervorgedrungen, der in Zeiten der global zunehmenden Krisen Zuflucht vor dem Geschehen außerhalb bietet. Es geht nicht mehr nur darum, Orte zu etablieren, an denen queere Sexualität ermöglicht wird. Die neuen Fetisch- und Kinky-Partys mit Darkroom sind oft bunt gemischt, egal ob queer, hetero oder alles was es dazwischen gibt. Obwohl es inzwischen mit Online-Apps die vielfältigsten Möglichkeiten gibt, sich für sexuelle Aktivitäten zu verabreden, werden Darkrooms und sexpositive Partys immer beliebter. Vielleicht ist es auch gerade das, was die Beliebtheit der Partys mit sexuellen Kontext befeuert? Das direkte physische Erleben von Sex und Erotik, Nähe und Direktheit, anstatt durch Tindr-, Grindr- und wie sie alle heißen -profile zu scrollen, bis man den richtigen Sexpartner findet? Eine Flucht aus dem Digitalen?

Es scheint fast so, als befände sich die Darkroom-Thematik auf einem neuen Höhepunkt, ähnlich, wie es in den 1980er-Jahren vor der „Aids-Krise“ schon einmal der Fall gewesen ist. Vielleicht verhalten wir uns wieder so, wie es vor dem Aufkommen von HIV gewesen ist? Immerhin gibt es auch im gesundheitlichen Kontext Argumente, die dafür sprechen. Mit der PrEP wurde ein präventives HIV-Mittel geschaffen, auf das seit September 2019 ein gesetzlicher Anspruch besteht, sodass die gesetzlichen Krankenkassen die Hauptkosten übernehmen. Das Medikament schützt nicht nur homosexuelle bzw. queere Menschen im Voraus vor HIV. Eine Möglichkeit, sich hemmungsloser und bedenkenloser sexuell auszuleben, auch auf öffentlichen Partys? Eine neue sexuelle Revolution bzw. Befreiung, einer Generation, für die HIV nicht mehr so das Thema ist?

Und wo würde dieses neue Geschehen besser reinpassen als in die Techno-Szene, die seit ihren Anfängen für ihren Hedonismus und ihr freiheitliches Denken bekannt ist? Die in der Gay Black Community in Underground-Clubs entstanden ist und freiheitliches, hedonistisches Treiben in die Mitte der Gesellschaft und in die breite Öffentlichkeit gebracht hat? Auch auf „normalen“ Techno-Partys sieht man immer öfters Kinky- und Fetisch-Outfits, auch wenn die Partys nicht speziell darauf thematisiert sind? Ein Zeichen des sexuellen Aufbruchs in der Techno-Welt? Wir sind gespannt, wie sich die Bewegung weiterentwickelt und wo noch überall Kinky- und Fetisch-Partys entstehen. Längst sind nicht mehr nur das Berghain, das KitKat oder Gay-Saunen im Fokus. Die Kinky-Fetisch-Darkroom-Thematik ist allgegenwärtig in der Techno-Szene. Wenn in einer Stadt wie in Koblenz mit knapp über 100 000 Einwohnern eine Party sich mit dem KitKat vergleicht, mit „Playarea“, „XXL Orgien Lounge“, „BDSM PLAY Areas“, „Darkroom“ und „Andreaskreuz“ aufwartet (die Rede ist von Partys im „The Place“ in Koblenz), dann ist da wahrscheinlich etwas im Gange, das demnächst noch größer und zahlreicher anzufinden sein wird. Wir bleiben für euch dran.

Oder wie wir in einem anderen Artikel zum Insomnia-Nightclub in Berlin geschrieben haben:

„Die Mischung aus Party, Rave, Sex und Kinky-Kleidung gewinnt in letzter Zeit immer mehr an Popularität. Ähnliche Partys finden zum Beispiel mit der Hardtechno-Party NurBöse im Helios37 in Köln statt, die Play Sexy im Schrotty in Köln, die Flowers and Bees im Delta-Musik-Park in Essen, die Kink Factory im Four Runners Club in Ludwigsburg oder auch der Harder by Bunny im Borderline Basel sowie dem Exil Club Nähe Zürich in der Schweiz.“

Wer sich mehr für das Thema Darkroom interessiert, dem steht derzeit auch eine beliebte Netflix-Serie zur Verfügung, in der sogar der bekannte Kölner Techno-DJ Patrik Berg mitspielt.

Quellen: Lustmag, detlef-grumbach.de, fr.de

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