Techno, Klima und Konsum – Pt. 4: Kasper Bjørke

Wenn wir doch alle wissen, dass unser Konsumverhalten und unser enormer Energieverbrauch schädlich für den Planeten sind: Warum krempelt nicht jeder sein Leben komplett um? Eine gute Frage – und ein Thema, das auch Kasper Bjørke beschäftigt. Der dänische Produzent, DJ und Musiker, der sich mit bezaubernden Releases auf hfn music, Kompakt, Compost Black Label oder Plant Music seinen Status als Studio-Wizard erarbeitet hat, hat seine Gedanken zum Klimawandel in die Tat umgesetzt. Wie das funktioniert, verrät er uns im Interview.

 

Hej, Kasper, wie ist die Lage?

Hi, mir geht’s richtig gut, danke. Und selbst?

Alles entspannt. Du hast Ende November den zweiten Teil deiner gefeierten EP-Reihe „Nothing Gold Can Stay“ releast. Ich vermute, diese Veröffentlichung hat auch deine Booking-Anfragen positiv beeinflusst. Wie gehst du damit um?

Auch das hat meinen Standpunkt nicht ändern können, Gigs interkontinental nicht mehr zu spielen. Wenn ich nicht mit dem Zug zu einer Show reisen kann, dann muss schon etwas sehr Spezielles auf dem Plan stehen, um mich zum Fliegen zu bewegen. Somit muss ich im Moment leider Nein zu den meisten Booking-Anfragen sagen.

Ich denke, du bist fast der einzige Artist, der seine Flugmeilen in der letzten Zeit auf null reduziert hat. Wann war dir klar, dass du jetzt diesen Weg gehen wirst?

Bis auf null habe ich meine Flüge noch nicht ganz reduziert, aber ich arbeite dran. 2019 bin ich nur zu drei Gigs innerhalb von Europa geflogen und habe alle Gigs in Übersee abgelehnt. Ich schätze, dass es nächstes Jahr ähnlich wird. Angefangen mit dem Reduzieren der Flüge habe ich vor fünf Jahren, als ich Vater wurde. Das war letztendlich auch ein entscheidender Grund, denn ich möchte irgendwann meinem Kind in die Augen sehen und ihm sagen können, dass ich alles versucht habe, so wenig C02 wie möglich zu verbrauchen. Ich toure nun schon seit 20 Jahren und so konnte es nicht mehr weitergehen. Außerdem möchte ich mehr Zeit zu Hause verbringen: Jedes Wochenende weg zu sein und die ersten Wochentage für nichts zu gebrauchen zu sein, ist nicht ideal in einer Familie, schätze ich. Aber wichtig ist hier, zu sagen, dass der Verzicht auf Flüge nur ein Teil eines großen Ganzen ist. In meiner Familie essen wir kein rotes Fleisch und so wenig Milchprodukte wie möglich, wir verzichten auf Einweg-Plastik und recyceln so viel wie möglich. Außerdem haben wir kein Auto und benutzen möglichst viele Second-Hand-Produkte. An all das haben wir uns gewöhnt und heute gehört es zu unserem Alltag und unserem Mindset dazu.

Wenn wir über Kategorien wie Komfort oder Bequemlichkeit reden, ziehst du das Zugfahren dann auch noch dem Flugzeug vor?

Ich habe das Fliegen und alles, was dazugehört, schon immer gehasst. Von der Reise zum Flughafen über den Security-Check, die Verspätungen und die stressigen Flüge bis zum riesigen Aufwand, dich vom Flughafen dorthin zu transportieren, wo du wirklich hin möchtest. Da ist es viel einfacher, den Zug zu nehmen. Im Zug kann ich entspannt Musik produzieren, mich bewegen, telefonieren und das Restaurant besuchen. In einer Schlafkabine im Nachtzug zu schlafen, ist sehr speziell für mich. Natürlich wacht man von Zeit zu Zeit mal auf, aber es fühlt sich an wie ein tolles Abenteuer. Wenn ich ankomme, bin ich sofort im Zentrum der Stadt. Beim Fahren verschwendet man auch keine Zeit, denn man kann so oft bezaubernde, sich ständig verändernde Landschaften betrachten. Mein letzter Zug-Trip in die Schweiz und nach Italien hat mir eine Menge Spaß gemacht. Abgesehen von ein paar Verspätungen war es das wirklich wert und ich kann die nächste Tour nicht abwarten. Aktuell plane ich einen Trip von Kopenhagen nach Paris im Februar, das sind 14 Stunden Reisezeit.

War dieser Wandel zu einer nachhaltigeren Lebensweise ein harter Cut oder hat sich das langsam entwickelt?

Das war etwas, was sich mit der Zeit geformt hat, seit ich Vater geworden bin. Ich bin noch lange nicht am Ende dieser Entwicklung. Aber auch privat fliegen wir schon heute niemals und genießen unseren Urlaub in einem wunderschönen Sommerhaus in Dänemark.

Wird in deiner Umgebung, all die Musiker eingeschlossen, oft über nachhaltiges Leben diskutiert?

Ja, definitiv. Das Thema ist sehr präsent in den Köpfen der Leute. Viele Musiker sind einfach auch nicht zufrieden damit, wie sie gerade um die Welt touren. Manche sind sehr überzeugt und wollen ihr Tour-Verhalten ändern, doch das alles sind Prozesse, die leider etwas Zeit in Anspruch nehmen. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.

In deinem Fall kann man sagen, dass du nicht mehr absolut abhängig bist von DJ-Gigs. Wie würdest du deinen Werdegang mit einem möglichst kleinen C02-Fußabdruck kombinieren, wenn du finanziell von den Gigs abhängig wärst?

Wenn du in Europa wohnst, ist es durchaus möglich, Flüge über den Atlantik zu reduzieren und deine Shows in abgelegenen Regionen so zu bündeln, dass du sie alle in einem Zeitraum spielen kannst. So musst du nicht nur für ein Wochenende rüber fliegen. Dann kann man seine Europa-Gigs so planen, dass man zwischen den Gigs in den Zug steigen kann. Vielleicht kann man es so legen, dass man nur eine Tour fliegt und den Zug für alle weiteren Verbindungen nutzt.

Welche Events in der elektronischen Szene sind ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, Techno und Umweltschutz zu vereinen?

Ich habe von „Earth Night“ gehört, wo Eli von Soul Clap mitmischt. Das ist eine Initiative von DJs für den Klimaschutz und am 24. April steigt die dritte Party im großen Stil. Beim letzten Mal haben sie acht Events weltweit organisiert mit 3000 Ravern und eine Compilation mit 57 Tracks releast, die Künstler aus zwölf verschiedenen Ländern beigesteuert haben. Dabei kamen mehr als 20 000 Dollar zusammen, die für Lösungen im Klimaschutz gespendet worden sind.

Was können denn Festivals besser machen, um die Umwelt zu schützen?

Das können ganz offensichtliche Dinge sein, zum Beispiel könnte man bei Flaschen, Besteck und Tellern auf Einweg-Plastik verzichten. Darüber hinaus kann der C02-Fußabruck deutlich verringert werden, wenn man nur wenige Artists bucht, die mit dem Flugzeug anreisen müssen. Eine andere Sache, auf die zu achten ist, ist die Stromversorgung des Festivals. Es kann außerdem ein bestimmter Prozentteil des Gewinns an NGOs gespendet werden. Ein Festival kann darauf achten, dass nur lokales, vegetarisches Essen angeboten wird und so viele lokale Acts wie möglich gebucht werden. Oder zumindest nur Künstler, die das Event mit dem Zug erreichen können. Die Veranstalter könnten es auch zur Regel machen, dass Künstlern nur das Zugticket bezahlt bzw. erstattet wird, nicht aber das Flugticket.

Du hast dich in Interviews gegen „Flight-Shaming“ ausgesprochen. Findest du es nicht sinnvoll, auch einen gewissen sozialen Druck auszuüben auf Menschen, die sich nicht zu neuen Wegen aufmachen wollen, um sie zum Umdenken zu bewegen? In anderen Kontexten, zum Beispiel Rassismus, wird jemand, der sich nicht angemessen verhält, sofort darauf angesprochen. Warum nicht in diesem Fall?

Ich denke nicht, dass man das vergleichen kann. Bei Rassismus gibt es keine Entschuldigung, Rassismus ist ein Verbrechen. Das Flugzeug zu benutzen, ist kein Verbrechen, aber es hat Konsequenzen für die Umwelt. Generell bin ich der Meinung, dass man mit Shaming beim Klimawandel nicht weiterkommt. Viel besser ist es, wenn man Menschen dazu inspiriert, nachzudenken und neue Handlungswege zu erforschen. Menschen reagieren viel besser auf eine positive Attitüde, brauchen aber neue Narrative und Vorbilder, um ganz normale Alltagsprobleme neu lösen zu können. Das geht auch ohne zu sagen, dass es gut wäre, wenn ab jetzt alle DJs das Fliegen sein lassen würden. Das wird vielleicht nicht so schnell passieren, aber ich hoffe, dass man immer mehr Leute überzeugen kann, innerhalb Europas den Zug zu nehmen. Es ist eine große Umstellung, eine Zug-Tour von zehn bis 14 Stunden Dauer zu buchen, statt sechs bis acht Stunden zu investieren, um zu fliegen, inklusive aller Schikanen am Flughafen. Ich hoffe, immer mehr Menschen probieren es einfach aus und merken, wie cool es ist.

Deine Train-Top-5

Das sind nur einige Songs, die ich während meiner Zugfahrten höre. Ich habe natürlich noch viele, viele weitere in meinen Playlisten.

  1. Loma – Black Willow
  2. Arlo Parks – Angel’s Song
  3. Mac Demarco – Nobody
  4. Bill Callahan – Riding For The Feeling
  5. Alessi Brothers – Seabird

 

Techno, Klima und Konsum – Pt. 3: Dominik Eulberg
Techno, Klima und Konsum – Pt. 2: Aparde
Techno, Klima und Konsum – Pt. 1

 

Aus dem FAZEmag 095/01.2020
Text: Bastian Gies
Fotos: Kasper Bjørke, Dennis Morton
www.kasperbjorke.com