Wenn man an Israel denkt, sind Partys für elektronische Musik sicherlich nicht das Erste, was einem einfällt. Viel eher assoziiert man religiöse Stätten und den Nahost-Konflikt mit dem Land am Mittelmeer. Wenn man das Land jedoch bereist, bemerkt man schnell, dass es dort Orte gibt, die nicht so recht in dieses Bild passen: So erwartet einen zumindest in Tel Aviv eine lebendige Musikszene mit zahlreichen kleinen und großen Clubs, die ein breit gefächertes Musikangebot offenbaren – die „weiße Stadt“ hält für jeden Musikgeschmack etwas bereit. „Weiße Stadt“ aus dem Grund, da in den 1920er- und 30er-Jahren viele Bauhaus-Architekten dorthin auswanderten. Ihre Gebäude prägen das Stadtbild bis heute und machen Tel Aviv zu einer architekturgeschichtlichen Besonderheit, in der man darüber hinaus auch noch gut feiern kann. Zwar sind nicht alle Clubs auf Anhieb zu finden oder als solche zu erkennen, aber wer sucht, wird gerade in Tel Aviv schnell fündig. Der Rest des Landes hingegen ist nicht wirklich partyfreundlich, weshalb sich dieser Bericht auf das Nachtleben der weißen Stadt Tel Aviv beschränkt.
Wenn man nach Tel Aviv kommt, muss man sich erst mal zurechtfinden, da die Stadt aus allen Nähten zu platzen scheint. Dort Bars zu entdecken, ist einfach, aber bei Clubs wird es schon schwerer. Zwei Clubs sind jedoch leicht zu finden, da man überall in der Stadt auf Plakate für anstehende Partys stößt. Einer der beiden Clubs ist der zentral gelegene Breakfast Club mit der daran angeschlossenen Milk-Bar. Hier kann man neben israelischen Techno- und House-DJs auch die erste Garde der europäischen und amerikanischen Szene hören. Er öffnet seine Pforten am Dienstag und macht dann – außer am Sabbat – bis Sonntag weiter. Von außen recht unscheinbar ergibt sich ein völlig anderes Bild, nachdem man die lange und steile Treppe hinter der Eingangstür hinabgestiegen ist. Unten angekommen, steht man in der Milk-Bar, die ein breites Spektrum an Cocktails und Longdrinks bereithält. Der Raum selbst bietet Platz für etwa 60 Personen und ist erst mal nur als Bar gedacht – in einer Ecke steht aber auch ein DJ-Pult, an dem lokale Newcomer zum Zug kommen und Ambient- oder ruhigere House-Musik auflegen. Verlässt man die Milk-Bar durch die zweite Tür, erreicht man den eigentlichen Breakfast Club. Hier spielen jeden Freitag internationale DJs wie Spencer Parker, Axel Boman, Cosmin TRG oder Psyk. Der Club selbst ist relativ dunkel gehalten und hat nah am Eingang eine kleine Bar für Bier und Softdrinks. Die Tanzfläche bietet Platz für 300–400 Gäste und hält einige Nischen zum Sitzen und Ausruhen bereit. Der Sound auf der Tanzfläche ist klar und druckvoll, jedoch so gut ausgepegelt, dass extreme Höhen und Tiefen die Ohren nicht allzu stark belasten. Das Publikum ist bunt gemischt, von einheimischen Techno-Enthusiasten bis hin zum Rucksack-Touristen ist alles dabei. Die Eintrittspreise liegen zwischen 50 und 100 Shekel, was in etwa 12–23 EUR entspricht. Wer vor 00:00 Uhr aufschlägt, kommt umsonst rein. Die Getränkepreise sind, wie überall in Israel, für europäische Verhältnisse extrem hoch: für ein 0,33er-Bier zahlt man umgerechnet 7,50 EUR.
Der zweite namhafte Club ist The Block, der im zentralen Busbahnhof Tel Avivs beheimatet ist. Auch dieser Club versteht sich auf internationale Acts, lädt aber jeden Donnerstag mindestens drei verschiedene DJs oder Live-Acts ein. Der Laden bezeichnet sich selbst als stark von Berliner Clubs beeinflusst – so werden einem an der Tür zuallererst die Regeln des Clubs erläutert. Diese beinhalten ein striktes Foto-Verbot, die Bitte, auf dem Dancefloor das Handy in der Tasche zu lassen, sowie den Hinweis, dass es ein „Awareness-Team“ gibt, welches eingreift, falls man von einem der anderen Gäste belästigt wird. Nach der Belehrung betritt man zuerst den Vorraum des Clubs, in dem sich die Kasse und Schließfächer befinden. Gegenüber der Kasse geht es dann zum Mainfloor und betritt man diesen, wird man sofort von der Wucht der Anlage überrascht. Der Sound ist druckvoll und laut, aber so gut eingestellt, dass auch nach sechs Stunden Aufenthalt die Ohren nicht schmerzen. Der Raum selbst ist dunkel gehalten und bietet eine eindrucksvolle Lasershow, top unterstützt durch den Einsatz von Nebel. Ein weiteres Highlight des Clubs ist ein Modell unseres Sonnensystems, das unter der Decke hängt und dezent beleuchtet ist. Das wirklich Interessante an dem Club ist jedoch, dass vom Mainfloor Gänge abgehen, die einen tiefer in das Gebäude hineinführen und zwei weitere Tanzflächen entdecken lassen. Eine davon bildet einen Gegenpol zum Mainfloor, indem sie stets einer kontrastierenden Stilrichtung gewidmet ist, die andere ist eher als Chill-out-Area gedacht und gehört normalerweise Hip-Hop- und Funk/Soul-DJs. Diese Abwechslung macht den Club zu einem Treffpunkt verschiedenster Menschen, die unter Umständen gar nicht so große Fans von House oder Techno sind. Die Eintrittspreise im The Block sind gestaffelt: wer vor 00:00 Uhr kommt, zahlt die Hälfte des eigentlichen Eintritts. Dieser bewegt sich im Schnitt um 100 Shekel, was umgerechnet knapp 23 EUR entspricht. Bei den Getränkepreisen gibt es keine Ausschläge nach unten oder oben, wenn man sie mit anderen Clubs oder Bars vergleicht.
Neben diesen reinen Electro-Clubs gibt es in der ganzen Stadt eine Vielzahl von kleineren Bars und Clubs, die alle möglichen Arten von Musik zu bieten haben. Diese haben die ganze Woche über geöffnet, wobei die besten Partys ab Mitte der Woche stattfinden. Da es zu viele sind, um sie alle vorzustellen, werde ich mich auf drei beschränken: das Kuli Alma, das Sputnik Café und das Radio EPGB. Sie sind alle in der Innenstadt von Tel Aviv und vom zentralen Rothschild Boulevard schnell zu erreichen. Das Kuli Alma ist recht versteckt, den Eingang kann man leicht übersehen: zwischen zwei Gebäuden entpuppt sich ein mit Grünpflanzen verzierter Eingang zum Hinterhof. Dort befinden sich einige Sitzmöglichkeiten unter und zwischen den Pflanzen. Wenn man die breite Treppe hinabsteigt, erreicht man den eigentlichen Club. Neben Getränken kann man dort auch Essen bestellen sowie Streetwear von israelischen Modedesignern und Kunstdrucke kaufen. Das Kuli Alma ist recht verwinkelt und bietet neben einer großen Tanzfläche am hinteren Ende des Clubs auch genügend Nischen zum Sitzen und Entspannen. Die Musik kommt von lokalen DJs aus Tel Aviv und deckt von House und Techno bis hin zu Funk und Soul eine große Bandbreite an Stilen ab. Eintritt zahlt man nicht, dafür ist das Mindestalter auf 23 Jahre festgelegt. Die Getränkepreise entsprechen denen der beiden großen Clubs. Das Sputnik Café liegt direkt am Rothschild Boulevard, der Tel Aviver Prachtstraße. Der Eingang ist ähnlich versteckt wie der des Kuli Alma: nur eine rote Neonröhre über einem Eingang zum Hinterhof weist darauf hin, dass dort noch etwas zu finden ist. Im Hinterhof erwarten einen großzügige Sitzmöglichkeiten und Street-Art von israelischen Künstlern. Der Zugang zum eigentlichen Barbereich befindet sich dann im Gebäude – er ist jedoch genauso gut getarnt wie der Eingang zum Hinterhof. Um Bar und Tanzfläche zu erreichen, muss man durch eine kleine Tür im Gebäude und dahinter eine Treppe in den Keller hinuntergehen. Die DJs spielen schon recht früh am Abend, die Tanzfläche wird allerdings erst ab 00:00 Uhr oder später eröffnet. Gespielt werden überwiegend Techno und House, am beliebtesten ist jedoch Deep House. Auch ins Sputnik Café kommt man erst ab 23 Jahren und auch hier ist der Eintritt frei. Das Radio EPGB liegt, wie die anderen beiden Bars auch, direkt in der Innenstadt von Tel Aviv, jedoch in einer Nebenstraße, sodass man etwas länger suchen muss. Der Eingang befindet sich in einem normalen Hauseingang. Hat man ihn gefunden, muss man am Türsteher vorbei und hinter ihm in einen Keller hinab. Das Radio EPGB mutet vom Aufbau her mehr wie eine Bar an, bietet jedoch in einer Ecke gegenüber der Bar eine DJ-Booth und davor eine Tanzfläche. Der Club wird von vielen als der Beste beschrieben, wenn man auf elektronische Underground- und Independent-Musik steht. Es wird aber auch Hip-Hop und Mainstream gespielt. Das Publikum ist hier nicht so bunt gemischt, man findet hier eher Israelis als Touristen. Auch hier beginnt die Party erst später: Wer also vor 23:00 Uhr erscheint, muss sich noch etwas gedulden, bis die Tanzfläche richtig gefüllt ist. Die Preise sind ortsüblich, jedoch gibt es Angebote für Schnaps.
Dieser Bericht hat bei Weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit, wenn es um die Auflistung aller Clubs in Tel Aviv geht, soll aber einen ersten Eindruck vermitteln, wohin man gehen kann, wenn man sich in der Stadt nicht so gut auskennt. Es gibt nämlich auch Clubs, die mit einer grandiosen Location locken, aber Preise haben, die normalen europäischen Touristen die Sprache verschlagen. Wenn man Tel Aviv verlässt, verlässt man auch die Partys, da der Rest des Landes viel religiöser geprägt ist. Die einzige etwas größere Stadt, die ein vergleichbares Angebot an Bars und Clubs hat – jedoch nicht in dieser Dichte –, ist Haifa. / Daniel Matthias
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