Neelix on Tour – die Kolumne: You always have a choice

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Neelix on Tour – die Kolumne
You always have a choice
Ich schaue gerade an mir herunter und bemerke so nebenbei, dass meine Schuhe fast 200 Euro gekostet haben. Voll teuer, aber es sind auch echt tolle Sneaker. Auch meine Hose ist ganz cool, die war natürlich auch nicht ganz billig. Auf meinem T-Shirt ist ein Logo, das macht dieses Shirt deutlich teurer, als meine anderen, obwohl es nur ein ganz normales T-Shirt ist. Der Laptop, auf dem ich das hier gerade tippe, war auch ziemlich teuer und so weiter. Wenn ich das mal alles zusammenzähle, kommt da eine Menge Geld zusammen.

Eine ausgedachte Veranschaulichung:

Stellen wir uns vor, zehn freiwillige junge Männer sitzen in einem Schlauchboot, das mitten in einem Ozean treibt. Sie wissen, dass sie für mindestens 14 Tage kein Land erreichen werden. Es gibt bekanntlich kein Trinkwasser auf dem Meer. Es steht aber genügend abgefülltes, eingeteiltes Süßwasser für jeden an Bord bereit. Auch Essen ist genügend zum Überleben vorhanden. Jeder hat seine eigene Ration, die genau für 14 Tage reicht. Nach zwei Wochen waren aber nur noch vier von ihnen am Leben, sechs waren tot. Was ist hier passiert? Einige von den jungen Männern haben einfach die Rationen der anderen mit ausgetrunken und aufgegessen. Somit mussten leider die sechs Männer verdursten und verhungern.

Ist Reichtum eigentlich nur eine sehr gefährliche Umverteilung von lebenswichtigen Gütern? Das Boot könnte jetzt auch die ganze Erde sein und die zehn Männer an Bord könnten alle Menschen auf der Welt repräsentieren. Es wäre zwar genug für alle da, aber leider nehmen einige einfach mehr als sie brauchen. Kann es sein, dass jemand in unserem Boot hungern musste, damit ich diesen Laptop habe und meine ganzen anderen Sachen? Hier passt ein Zitat von Mohandas Karamchand Gandhi
ganz gut, wie ich finde: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“

Es gibt tatsächlich solche Experimente, die das oft auch sehr überraschend bestätigen. Wie zum Beispiel „Das Experiment“ von Philip Simard von der Stanford University. Es gibt auch eine deutsche Verfilmung, die an dieses Experiment angelehnt ist. Auch das Experiment „Rhythm 0“ von Marina Abramovic, das auf schockierende Weise die Abgründe des Menschen widerspiegelt, Warum entwickeln sich solche Experimente so? Denken wir, dass das Gesetz für uns die Verantwortung übernimmt? Haben wir verlernt, Verantwortung für uns zu erkennen und anzunehmen? Unterliegen wir alle dieser Art Verantwortungslosigkeit, es wird schon alles von oben geregelt werden? Zeigen diese Experimente eventuelle Nebenwirkungen auf? Wenn wir nun einen Raum bekommen, in dem uns gesagt wird, hier gelten keine Gesetze und ihr könnt machen was ihr wollt, wir geradezu moralisch verkümmert handeln. Haben wir verlernt für unser Handeln Verantwortung zu übernehmen?

Bitte schaut euch diese Experimente mal an.
Ist der Kapitalismus nicht eventuell auch nur ein Experiment? Wenn ja, läuft es gut für alle Beteiligten? Es gibt Geldmassen, die kann sich ein normaler Mensch überhaupt nicht vorstellen. Mal eine Veranschaulichung: Weißt du, wie viel eine Milliarde Sekunden sind? Rate mal, wie viele Tage oder vielleicht sogar Wochen es wären? Mich hat es echt überrascht! Es sind fast 32 Jahre. Du lebst wahrscheinlich nicht einmal 3 Milliarden Sekunden.

Es gibt nun Menschen, die haben bis zu 100 Milliarden Euro, wir reden hier von einem einzigen Menschen. Nur 42 Milliardäre haben so viel Reichtum wie 3,7 Milliarden Menschen, also die ärmere Hälfte der gesamten Menschheit zusammen. Was für eine gefährliche Verteilung! Wir sollten uns bei diesem Reichtum unbedingt klar machen, dass wir hier nicht von Geld reden. Für arme Menschen sind es lebenswichtige Güter, die auf diesem Konto liegen. Sie müssen ums Überleben kämpfen, während bei anderen der digitale Geldberg wächst.

Ich habe, wie eingängig schon erwähnt, auch einige wertvolle Sachen. Und ich finde es ist auch wirklich okay, sich verschiedene Sachen kaufen zu wollen und das auch zu können. Es ist okay, einen Sportwagen haben zu wollen und sich den auch kaufen zu können. Wie ist es aber, wenn 35 Sportwagen in der Garage stehen? Musste für diese 35 Sportwagen vielleicht jemand im Boot hungern?

Ich frage mich ob extremer Reichtum etwas Bewundernswertes ist? Können solche Geldmassen überhaupt human und nachhaltig erwirtschaftet werden? Wenn es human wäre, würde dann nicht gleich bei der Entstehung eine faire Umverteilung stattfinden, so dass am Ende kein extremer Reichtum für eine Person entstehen würde? Sollte es so etwas wie eine natürliche Umverteilungs-Verantwortung geben, hatten wir nicht so eine Verantwortung früher, lange vor dem Geld System, schon einmal in uns? Warten wir jetzt hingegen darauf, dass das Gesetz und die Politik das für uns übernehmen? Was wäre, wenn wir es selbst machen müssen, ohne Politik und Gesetz?

Ein Löwe, der eine Gazelle gerissen hat frisst so lange, bis er keinen Hunger mehr hat und überlässt den Rest dann allen anderen. Würde ein Mensch das auch so machen oder würde er die Reste fix in seine Gefriertruhe zerren? In meinem Leben habe ich oft festgestellt, dass arme Menschen sehr gerne und viel teilen. Reiche tun das anscheinend eher nicht. Warum ist das so? Es könnte sein, dass ein Mensch mit der Bereitschaft und Qualität zu teilen, nicht wirklich extremen Reichtum anhäufen könnte und auch gar nicht wollte. Er würde was zu viel ist, gleich weiter verteilen. Natürlich würde er, gesund wie er ist, dafür sorgen, dass er selbst auch genug hat, wie der Löwe in der vorigen Veranschaulichung.

Warum wird so viel in armen Ländern produziert? Weil hier die Menschen für viel weniger Lohn arbeiten. Es ist einfach viel besser für eine hohe Gewinnspanne. Selbst teure Marken Klamotten werden oft ganz billig produziert. Geringe Produktionskosten sind sehr gut für das Kapital! Was wäre, wenn es diese Produktionsparadiese nicht mehr geben würde? Werden arme Länder gebraucht? Der Reichtum entsteht auf den Schultern der billigen Arbeitskräfte. Wäre diese These richtig, wäre dann eine Umverteilung und Unterstützung dieser Länder, wie so oft politisch besprochen, überhaupt noch sinnvoll für unser System, für den Kapitalismus?

Es tut mir leid, dass ihr hier alle meine dunklen Gedanken teilen müsst und ihr euch dabei eventuell etwas schattig fühlt. Da kommt eine wie ich finde berechtigte Frage auf: Will ich das alles überhaupt wissen? Ich frage mich, ob ich, wenn ich von jedem Produkt, das ich besitze und von jedem Nahrungsmittel, was ich zu mir nehme, die Geschichte kennen würde, ob ich mich nach dieser Information wohl öfter anders entscheiden würde. Meine Wahl wäre zumindest beeinflusst. Was wäre nun, wenn mein Lieblings-Sneaker eine ganz schlimme Geschichte hätte? Wäre es dann nicht besser, sich gar nicht dafür zu interessieren? Bewusst unbewusst bleiben.

Ich achte noch nicht genügend auf diese Hintergrundgeschichte und auf die Umstände eines Produktes. Meine Freundin und auch viele meiner Freunde machen das hingegen schon sehr lange. Sie interessieren sich für das, was sie verursachen könnten und sie suchen alles ganz bewusst nach diesem Interesse und diesem Wissen aus. Ich mache das bis jetzt zu wenig und meist nur beim Essen und das leider auch nicht immer. Ich habe gerade draußen einen Spruch gelesen: „You always have a choice“.
Das ist zum Glück so und bedeutet, dass ich mir lediglich die Optionen zu dieser Wahl besorgen sollte, damit ich sie danach treffen kann.

In meinem Umfeld werden die Menschen immer bewusster. Sie interessieren sich für ihr Wirken auf die Umwelt. Dieses Bewusstsein ist schön, es ist schön eine Wahl zu haben, eine Wahl, die Veränderungen mit sich bringt. Es ist heute leicht an Informationen zu kommen. Damit werden in Zukunft Unternehmen gezwungen sein, ihre Produktionen nachhaltiger und menschlicher zu machen, denn wir entscheiden am Ende durch unser Kaufverhalten.

 

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